Dann geht es darum, mit diesen Ergebnissen ein zukunftsorientiertes Sicherheitskonzept zu strukturieren. Dazu gehört zum Beispiel, dass Betriebshandbücher künftig nicht in dem Sinn aufgebaut werden, wie der Hersteller einer Anlage diese Anlage beschreibt und wie sie zu betreiben ist, sondern dass es da einheitliche Kriterien gibt. Das ist schon deshalb wichtig, damit dann, wenn man Personal austauscht, dieses nicht alles vorher durchgehen muss, sondern genau weiß, an welchen Stellen man nachschauen muss, wenn man sich um ein bestimmtes Thema kümmert.
Ergänzend zu diesen Betriebshandbüchern, die ja nur beschreiben, wie der Betrieb abläuft, und überhaupt nicht beschreiben, wie eine Prüfung abzulaufen hat, erwarte ich, dass es künftig auch Checklisten gibt, nämlich SicherheitsChecklisten, und zwar sowohl für die interne wie für die externe Prüfung. Da kann man natürlich keine hundertprozentige Prüfung machen. Was wäre denn das für ein Vor
gehen? Überprüfung ist immer stichprobenartig. Das ist gar kein Thema. Wir brauchen nicht alles dreifach zu besetzen. Denn dann würde tatsächlich die Verantwortung des Betreibers nachlassen, wenn er weiß, dass eh alles noch einmal genau überprüft wird. Da reichen Stichproben.
Wir brauchen auch eine genaue Aufgabenzuordnung. Was haben die Betreiber zu tun? Sie haben die Verantwortung für das Ganze zu übernehmen und alles ordentlich abzuwickeln. Was ist Aufgabe der technischen Überwachung? Sie wissen, wir fordern, dass man die technische Überwachung spätestens nach fünf Jahren auswechselt. Wenn es diese Normierung der Handbücher und der Checklisten gibt, ist das auch kein so großes Problem mehr.
Dann gibt es ja noch die Atomaufsicht. Sie wissen sehr genau, dass die Atomaufsicht zweistufig ist. Sie liegt zum einen beim Land und zum andern beim Bund. In dem Fall muss man fast sagen: Glücklicherweise –
ansonsten halte ich es nicht für so gut – sind Bund und Land politisch sehr unterschiedlich besetzt. Wenn die zwei zusammenarbeiten, bekommen Sie auch eine relativ neutrale Lösung, die der Sicherheit sicher zuträglich ist.
Das Ganze muss sich zu einem Sicherheiten-Controlling entwickeln. Da wähle ich sehr bewusst den Begriff Controlling, weil ich als Wirtschaftlerin genau weiß, dass das nicht nur die Kontrolle ist, sondern auch die Planung in die Zukunft und der Abgleich mit Sollwerten. Dieses brauchen wir für die Sicherheit der Kernkraftwerke für die Zukunft auch im technischen Bereich.
Die FDP/DVP erwartet vom Umwelt- und Verkehrsministerium einen ersten Bericht noch vor Jahresende. Ich bin darauf gespannt. Dann können wir Ihnen nämlich auch schriftlich vorlegen, was alles im Einzelnen getan wurde, damit Sie nicht immer mit der Aussage hausieren gehen können, da täte sich nichts. Auch wenn es die Opposition nicht wahrhaben will: Wir machen hier in Baden-Württemberg gerade Vorarbeit für den Bund und andere Länder. Nehmen Sie zum Beispiel das Interview mit dem Vorsitzenden der Reaktorsicherheitskommission, Herrn Hahn. Er hat darin wortwörtlich das wiederholt, was ich schon zwei Wochen vorher im Ausschuss gesagt hatte. Er hat zwei Wochen gebraucht, bis er zur selben Erkenntnis gekommen ist. Dem ist das also auch nicht vor diesen Vorfällen eingefallen, sondern alles erst nachher. Nachher sind alle klüger. Die Frage ist nur, mit welcher Geschwindigkeit sie darauf kommen.
Da Sie von der Opposition nur eine Antwort kennen, nämlich das Abschalten, dies aber im Moment weder möglich noch sinnvoll ist,
muss – davon gehe ich aus – die „Qualitätsoffensive Atomaufsicht“ auch weiterhin von Baden-Württemberg ausgehen. Wir werden tatkräftig daran mitarbeiten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen heute die Debatte vom Oktober fort. Ich kann sagen: In der Zwischenzeit, seit der letzten Debatte, auch in diesem Zeitabschnitt, wie schon vor der letzten Debatte, hat es eine Unmenge von politischen und polemischen Diskussionen und Publikationen gegeben. Wenn ich mir deren Themenfelder anschaue und sie mit dem vergleiche, was eigentlich Sache ist, dann muss ich sagen: ganz überwiegend auf Nebenkriegsschauplätzen.
Diese ganze Auseinandersetzung hat im Übrigen auch Züge einer politischen Schlammschlacht gehabt, bei der es natürlich immer darum geht, gerne einmal den Kopf eines Ministers zu fordern, bei der es auch immer darum geht, eine Attacke gegen die Kernkraft zu reiten. Die Anträge, die heute vorliegen – auch die Diskussionsbeiträge –, sind vom Inhalt und vom Niveau her dafür ein Beleg.
Meine Damen und Herren, ich gehe auf diese ganze Debatte nicht ein. Ich antworte und ich arbeite auf einer anderen Ebene: auf der Ebene der Lösung der Probleme. Das ist die Aufgabe.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Soweit Sie in- formiert sind! – Zuruf von der SPD: Arrogant!)
Sie mögen das jetzt vielleicht als unpolitisch ansehen, aber das ist mein Verständnis von politischer Verantwortung, dass wir Probleme zu lösen haben und uns nicht in Polemik gegenseitig zu konfrontieren haben, auf Feldern, die überhaupt keine Rolle spielen und die gemessen an dem, worum es eigentlich geht,
(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Sofern man infor- miert ist! – Abg. Bebber SPD: Sie können gar nicht darauf eingehen, weil Sie nichts wissen!)
nämlich den sicheren und verantwortungsvollen Betrieb von Kernkraftwerken zu gewährleisten – das ist die eigentliche Aufgabe –, nachrangig sind.
Vor diesem Hintergrund will ich auch heute wieder sagen: Weil ich mir schon vorstellen kann, was es alles für Zwischenfragen gibt, möchte ich auch heute keine Zwischenfragen zulassen – auch im Blick auf meine Redezeit.
(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Abschottung als Prä- ventivmaßnahme! Sie haben doch alle Zeit, nur wir nicht!)
Sie haben in der letzten Debatte kritisiert, dass das alles zu lange gegangen sei. Ich will es heute ein Stück kürzer
machen und Ihnen einfach sagen: Lösung der Sachfragen, Wiederherstellung von Sicherheit und Vertrauen, Aufklärung in Ruhe, Offenheit, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein, das ist meine Messlatte.
Erstens: Wo stehen wir bei der Aufarbeitung vor allem der beiden größeren, im Vordergrund stehenden Ereignisse, vor allem was KKP II, aber auch was KWO anbelangt? Meine These zu dieser Fragestellung heißt: Wir erledigen Stück für Stück unsere Arbeit, um Sicherheit und Vertrauen wiederherzustellen und den Betrieb sicher wieder anfahren zu können.
Die zweite Frage, der ich mich zuwenden will, heißt – dies schimmerte heute in den Diskussionen ja durch –: Was ist die Rolle der Aufsicht, der Betreiber und der Gutachter?
Wie muss diese Rolle, wie muss dieses Dreiecksverhältnis untereinander in der Zukunft gestaltet werden? Meine These dazu heißt: Unsere Atomaufsicht arbeitet im Rahmen des Üblichen, des bundesweit und des international Üblichen. Nichtsdestoweniger sind Veränderungen notwendig.
Der dritte Punkt, auf den ich zu sprechen komme: Wie ist die Situation in der Bundesrepublik, und was ist Sache des Bundes selbst? Vorhin ist mir bei der Diskussion aufgefallen, dass man in einem Bereich, in dem es einem unangenehm wird, sagt: „Ja, das heften die beim Bundesumweltministerium nur ab, wenn eine solche Meldung kommt.“ So kann man es aber nicht machen, dass man einmal sagt: „Wir sind zuständig“, ein andermal aber sagt: „Wir sind nicht zuständig“.
Wir haben eine klare Rollenverteilung. Wir haben in der Atomaufsicht sozusagen Recht und Pflicht des ersten Zugriffs. Das ist überhaupt keine Frage. Aber wir handeln im Auftrag des Bundes. Wenn uns der Bund irgendetwas vorschreiben will, kann er das mit einem Federstrich tun. Wenn er es unterlässt, ist auch das seine Entscheidung. Aber man kann nicht sagen: Die Erkenntnisse, die in Stuttgart gewonnen werden, liegen sozusagen in der Verantwortung von Stuttgart; wenn aber dieselben Erkenntnisse zum Beispiel in Berlin nicht vorliegen – ich komme auf den Punkt, den Sie vorhin genannt haben, noch zu sprechen –, ist das nur damit zu erklären, dass man nicht zuständig ist. Entweder ist man zuständig, oder man ist es nicht.
Ich kann nur sagen: Die Verantwortung in atomaufsichtlichen Fragen tragen der Bund und das Land gemeinsam, und im Zweifel kann uns der Bund alles vorschreiben, ob ihm das nun gefällt oder nicht. Deswegen ist es schon eine interessante Frage, was auf der Bundesebene geschieht.
Meine These dazu lautet: Die Behauptung, dass ein Ja zur Kernkraft zu einer Blindheit in der Aufsicht führt, ist erkennbar falsch. Sie ist eine Mär. Was die Aufarbeitung der
Ereignisse anbelangt, sind wir – teils freiwillig, teils unfreiwillig – in der Bundesrepublik führend.
Jetzt zum ersten Punkt: Was geschieht bei KKP II? Wir haben zunächst einmal unmittelbar einige Maßnahmen – technische Sofortmaßnahmen und Sofortmaßnahmen bei den Betriebshandbüchern – veranlasst. Wir haben eine Reihe von ersten strukturellen Maßnahmen ergriffen; ich habe sie in meiner Pressekonferenz vom 19. Oktober dargestellt und will darauf nicht im Einzelnen eingehen.
Wir haben zum Zweiten in Abstimmung mit den Gutachtern und dem Bund für die Betreiber in Philippsburg ein Anforderungsprofil für das Wiederanfahren formuliert: Was muss vorliegen, damit wieder angefahren werden kann? Dabei haben wir eine vertiefte Analyse verlangt.
Im Rahmen dieser Analyse sind wir auf zusätzliche Erkenntnisse gestoßen, beispielsweise auf die Ereignisse vom 10. August. Wir haben übrigens auch die Konsequenz gezogen zu fragen: Was ist in den anderen Kernkraftwerken in Baden-Württemberg? Diese Konsequenz hat Trittin einen Tag später, am 24. Oktober, für die bundesweite Fragestellung genauso formuliert.
Wir haben Konsequenzen verlangt, und wir haben auch die Themenfelder formuliert, auf denen diese Konsequenzen gezogen werden sollen, beispielsweise: Was muss beim Betriebshandbuch in Philippsburg geschehen? Was muss geschehen im Blick auf die Fachkunde? Was muss geschehen im Blick auf Betriebsabläufe? Was muss vor und nach dem Wiederanfahren des Betriebs geschehen? Wie ist es vor allem – das ist wirklich eine Schlüsselfrage – mit der Sicherheitskultur und dem Sicherheitsmanagement in Zukunft bestellt? Denn dass es hier in Philippsburg Mängel gegeben hat, ist offenkundig. Das sind die Fragestellungen.
Am 30. Oktober haben wir von Philippsburg einen Bericht bekommen, und diesen werden wir, das Land, der Bund, der Landesgutachter, der Bundesgutacher und zum Schluss die RSK, jetzt aufarbeiten. Dann werden – das ist heute schon klar vorhersehbar, und das sieht der Bund auch so – auch auf Bundesebene Konsequenzen zu ziehen sein. Denn dieser Fall lehrt uns nicht nur in Baden-Württemberg etwas. Dann wird der Bund in den anderen Bundesländern gefordert sein.
Wie arbeiten wir das alles jetzt auf? Wir haben beispielsweise eine exakte Befragung aller Mitarbeiter in Philippsburg durch den Betreiber vorgenommen. Auch unser eigener Gutachter, der TÜV Rheinland, hat das gemacht. Ich kann Ihnen sagen, dass uns eine solche exakte Befragung aller Mitarbeiter, nicht nur was die konkreten Ereignisse der Tage im August anbelangt, sondern auch was die Praxis in der Vergangenheit betrifft, diese sehr detaillierte und schon beinahe kriminalistische Arbeit, die da geleistet wird, zu immer neuen Erkenntnissen führt.
Wir haben erst in den jüngsten Tagen wieder Erkenntnisse über das Geschehen rund um den 10. August gewonnen, von denen man sagen muss: Wir hatten nach dem 10. August das Thema „Blindflug“; aber wir hatten um den 10. August herum, also beim Wiederanfahren des Reaktors, offensichtlich die Situation, dass, wie ich an anderer Stelle schon einmal gesagt habe, Regeln sehenden Auges