1995, Herr Haas, zu Zeiten der großen Koalition, standen im Landeshaushalt für Suchthilfe und -prävention Haushaltsmittel in Höhe von 22,7 Millionen DM zur Verfügung. Im Jahr 2000, unter CDU und FDP/DVP in diesem Land, standen dagegen gerade einmal 17,8 Millionen DM zur Verfügung. Dies ist trotz zunehmendem Bedarf eine Kürzung von 21,5 %. – Jetzt erwarte ich Ihren Zwischenruf, Herr Haas, aber es kommt nichts.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Uns liegen heute drei Anträge vor, und ich bin Ihnen dankbar, Frau Kollegin Lösch und Frau Kollegin Haußmann, dass Sie selbst erwähnt haben, dass Ihre Anträge natürlich nur einen Baustein der Drogenpolitik betreffen.
Aber ich bin auch der festen Überzeugung, dass Sie die Wertigkeiten verschieben. Die Überlebenshilfe ist mit Sicherheit nicht das zentrale Element der Drogenpolitik in Baden-Württemberg, braucht es auch überhaupt nicht zu sein. Wenn Sie jetzt das Bild einer „Lichtgestalt Fixerstube“ aufbauen, das die Probleme in Baden-Württemberg lösen werde, liegen Sie eben falsch.
(Beifall bei der CDU – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das sagt doch gar niemand! – Abg. Ruth Weckenmann SPD: Lassen Sie die lieber sterben? – Weitere Zurufe von der SPD)
Sie haben selbst die Zahlen genannt, die für Baden-Württemberg gelten: 20 000 Abhängige von illegalen Drogen. Sie haben aber folgende Zahl vergessen: Wir haben 2 Millionen abhängige Raucher in Baden-Württemberg. Wenn Sie die Zahl der Drogentoten nehmen – in Baden-Württem
das sind bundesweit 40 000 Tote aufgrund alkoholbedingter Erkrankungen und 110 000 Tote aufgrund nikotinbedingter Erkrankungen –, zeigt das, dass Sie die Wertigkeiten falsch setzen.
Was sind die Zielkriterien der baden-württembergischen Drogenpolitik? Ausstiegsorientierung ist ein wichtiges Element unserer Politik, das zentrale Element der Drogenpolitik. Deswegen dürfen wir das nicht ohne Not aufgeben.
Wenn Sie in der aktuellen Debatte Fixerstuben fordern, verkennen Sie, dass Sie damit vielleicht für 3 % der Patienten im illegalen Drogenbereich etwas tun würden, aber für 97 % ein fatales Signal setzen würden, indem Sie die Leute nämlich nicht aus der Sucht herausholen, sondern sie drin behalten und damit den anderen ein falsches Beispiel geben.
Deswegen steht bei unserer Drogenpolitik der Abhängige im Mittelpunkt und nicht irgendeine ideologische Überlegung oder irgendein Schaugefecht, in dem Sie wieder etwas Neues eröffnen und sagen: „Jetzt lösen wir die Probleme.“
Im Übrigen ist auch barmherziges Samaritertum in der Drogenpolitik nicht gefragt. Wir müssen vielmehr die Maßnahmen ergreifen, die den Patienten wirklich helfen, und wir dürfen nicht ohne Not bewährte Grundsätze aufgeben. Man kann auch, wenn man es gut meint, etwas Schlechtes tun.
Wir haben ein differenziertes Betreuungsangebot mit niedrigschwelligen Angeboten, fast 400 Stellen in der psychosozialen Betreuung, Kontaktläden, Streetworker, unsere kommunalen Suchtbeauftragten. 550 Ärzte substituieren, und wir haben niedrigschwelligen Entzug. Das wollen wir weiterentwickeln. Selbstverständlich bleibt die Drogenpolitik nicht stehen, und darauf werden wir in der jetzigen Legislaturperiode den Schwerpunkt legen.
Wir werden die von uns eingeführten Maßnahmen mit der Jugendhilfe, mit der Jugendgerichtshilfe, mit der Sozialarbeit zusammen weiter vernetzen, wir werden die Präventi
on stärken – ein Element, das in Ihren Reden überhaupt nicht vorgekommen ist, keine starke Gewichtung gefunden hat. Ich glaube, es ist schon wichtig, unseren jungen Leuten zu vermitteln, dass wir etwas tun, um überhaupt Sucht zu verhindern; denn wir wissen genau: Je später jemand einsteigt – zum Beispiel beim Rauchen oder beim Alkohol Trinken –, umso weniger wird er in eine illegale Sucht abgleiten.
Die Bundesregierung sagt uns Rauchern jetzt, wir sollten für die innere Sicherheit rauchen, genauso wie sie uns sagt, wir sollten für die Rente tanken.
Wir sagen: Wir wollen das Geld aus der Erhöhung der Tabaksteuer in eine vernünftige Prävention und Gesundheitspolitik geben, unsere Angebote weiter vernetzen. Selbstverständlich sind wir auch für neue Therapieverfahren offen wie zum Beispiel für Akupunktur oder für eine verstärkte Öffnung im ambulanten Bereich, weil wir dann die Patienten auch wirklich erreichen.
Ausstiegsorientierte Angebote, die sich dann auch wirklich an wissenschaftlichen Kriterien der Effizienz und Effektivität orientieren, sodass wir wissen, wie viele Leute wir aus der Sucht herausholen, wie hoch die Rückfallquote ist und wie die soziale und berufliche Wiedereingliederung stattfindet – nach diesen Kriterien werden wir unser vernetztes Angebot weiterhin steuern und ausbauen.
Ganz zum Schluss zur Zahl der Drogentoten – weil ich meine Redezeit schon überzogen habe –: Frau Lösch, Sie haben dieses Gutachten, das in Auftrag gegeben wurde, zitiert. Auf Seite 111 steht da auch – ich zitiere wörtlich –:
Insbesondere Maßnahmen der Überlebenshilfe wirken lebensverlängernd, ohne dass notwendigerweise eine Reduktion der Todesrate damit verbunden sein muss.
Sie können die Drogenpolitik nicht von der Zahl der Drogentoten abhängig machen, denn die Zahl der Drogentoten ist unter anderem von der Qualität des Stoffes abhängig: Da ist einmal eine „gute“ Charge dabei, sodass es zu Überdosierungen kommt, oder Leute, die nicht mehr süchtig waren, erleiden nach dem Wiedereinstieg, weil sie eine niedrigere Toleranz haben, diesen schrecklichen Tod. Das allein an der Zahl der Drogentoten aufzuhängen ist unredlich und unehrlich. Sie benutzen hier ein Argument, welches den Patienten, den Menschen, überhaupt nicht gerecht wird.
Wir bleiben bei unserer bewährten Drogenpolitik in BadenWürttemberg und werden diese weiterhin ausbauen.
Herr Kollege Lasotta, ich will Sie nur darauf aufmerksam machen, dass Sie noch 5 Minuten und 57 Sekunden Redezeit haben.
(Abg. Dr. Lasotta CDU: In der zweiten Runde! – Abg. Fleischer CDU: Das war sehr freundlich! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Er hat nicht mehr zu sagen gewagt, Herr Präsident!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lasotta, so viel Ovationen möchte ich nach einer Rede auch einmal haben. Herzlichen Glückwunsch! Das war Ihre erste.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Anträge der Grünen und der SPD weisen auf zwei objektive Feststellungen hin.
Zum einen wird eine Veröffentlichung des Statistischen Landesamts zitiert, wonach die Rate der Drogentoten in Baden-Württemberg die höchste unter den Flächenstaaten ist. Etwas haben Sie dabei vergessen, Frau Haußmann – Sie fixieren mich gerade mit dem Blick; das ist mir sehr angenehm –:
Die Datenlage ist sehr schmal. Das heißt, eine wirkliche Signifikanz kann daraus nicht geschlossen werden. Das sollten Sie vielleicht dazusagen.