Protocol of the Session on February 21, 2006

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Boris Pal- mer GRÜNE)

Deshalb sollten Sie hier nicht irgendeinen Popanz aufbauen.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Sie müssen Herrn Steinbrück auch beeindrucken!)

Herr Steinbrück ist der Bundesfinanzminister. Er hat die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, in allen Bereichen Überlegungen anzustellen, wie er seinen Haushalt in Ordnung bringt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Aber es ist Sache der gesamten Politik, zu entscheiden, wie und wo die Kürzungen erfolgen. In diesem Bereich sind wir standhaft.

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Und nicht in vorauseilendem Gehorsam!)

Sie sollten auch nicht Straßenbau und öffentlichen Personenverkehr immer gegeneinander ausspielen. Wir brauchen im Grunde doch beides. Die Schiene des Busses im ländlichen Raum ist nun einmal die Straße, und die können wir nicht verlottern lassen; denn das würde dazu führen, dass wir noch mehr Busse brauchen, da die Fahrzeuge aufgrund der Schlaglöcher schnell kaputtgehen. So kann es nicht sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wir brauchen ein gutes, ein attraktives Angebot im ÖPNV, wie ich vorhin schon sagte und wie es im Generalverkehrsplan heißt, das eine vollwertige Alternative zum Individualverkehr ist. Wenn wir das haben, dann haben die Menschen auch die Wahlfreiheit. Ich bin sicher – und dort, wo der ÖPNV attraktiv ist, sehen wir das auch –, dass dann immer mehr Menschen umsteigen, sofern es für sie sinnvoll ist.

Zum Schluss will ich sagen: Wir fordern die Landesregierung noch einmal auf, bis zum Juni im Bundesrat standhaft zu bleiben und nichts zuzulassen, was einer Kürzung der Regionalisierungsmittel für unser Land den Weg bereitet. Was danach kommt, werden wir sehen. Mit uns jedenfalls ist eine Kürzung der Regionalisierungsmittel nicht zu machen. Schließlich geht es um unser Land.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Gestatten Sie mir dennoch, der Fraktion GRÜNE einen kleinen Dank auszusprechen. Es ist vielleicht das falsche Thema. Aber ich bedanke mich herzlich dafür, dass Sie mir die Möglichkeit verschafft haben, zum Abschluss meiner Abgeordnetentätigkeit noch einmal zu reden.

Ich bedanke mich beim hohen Haus. Vielen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aktuelle Debatte unter Tagesordnungspunkt 1 ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Forschung als Motor für Arbeit und Wirtschaft – beantragt von der Fraktion der CDU

Es gelten die üblichen Redezeiten: 40 Minuten Gesamtdauer, je fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und je fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Fleischer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! „Forschung als Motor für Arbeit und Wirtschaft“ am Ende einer Legislaturperiode als Thema für eine Aktuelle Debatte zu wählen, hat einen Grund: Diese Verknüpfung ist der wichtigste Schlüssel dafür, dass Baden-Württemberg trotz zahlreicher Auslagerungen, Insolvenzen, Verluste von Wertschöpfungsanteilen und Ähnlichem mehr, trotz großer nationaler und internationaler wirtschaftlicher Wechselbäder nach wie vor die Nummer 1 in Deutschland und eine der führenden Regionen in Europa ist, und Voraussetzung dafür, dass dies auch in der Zukunft so bleibt. Es gilt deshalb heute, zu diesem so wichtigen landespolitischen Thema Bilanz zu ziehen.

Vorsprung durch Innovation ist der einzige Weg, um Wohlstand und Beschäftigung am Standort Baden-Württemberg zu sichern. Ein hoch entwickeltes Land mit hohen Arbeitskosten kann nur mit innovativen Gütern und Dienstleistungen Geld verdienen. Bundespräsident Horst Köhler hat es auf den Punkt gebracht: „Wir müssen um so viel besser sein, wie wir teurer sind.“

Baden-Württemberg hat – um nur einige Schwerpunkte zu nennen – mit seiner Automobilindustrie, mit der Biotechnik, dem Maschinenbau und mit einer reichen Forschungslandschaft eine solide Basis, die es uns ermöglicht, um so viel besser zu sein, wie wir teurer sind. Jeder, der sich ein wenig mit dem Thema beschäftigt, weiß: Jedes neue Unternehmen ist ein Stück Transfer von Forschung in den Markt und damit eine Chance für neue Arbeitsplätze.

Jedes nicht gegründete neue Unternehmen, zum Beispiel in der Biotechnologie, ist Verlust einer Chance auf Innovation und damit auf Wachstum und Arbeitsplätze. Das sollten sich all diejenigen zu Herzen nehmen, die durch ihre Politik auf Bundesebene in den letzten Jahren für ein Ausflaggen bestimmter Forschungsbereiche, meist aus ideologischen Gründen, gesorgt haben. Deshalb ist für die CDU-Fraktion oberstes Ziel: Wir müssen diesen Vorsprung Baden-Württembergs im Bereich Forschung und Hochschulen erhalten. Dieser Vorsprung, der international und national in der Tat besteht, hat Gründe. Einige davon darf ich nennen.

Baden-Württemberg investiert mehr Geld in Forschung und Entwicklung als alle anderen Bundesländer. In Baden-Württemberg werden 11,2 % unseres Landeshaushalts für Forschung und Entwicklung im engeren Sinne ausgegeben. Im weiteren Sinne ist es noch weit mehr. Mit 3,9 %, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, liegt der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Baden-Württemberg

weit über dem EU-Schnitt von 1,9 % und ist sogar höher als in den USA, wo es 2,8 % sind, und in Japan, wo es 3,1 % sind. Der bundesdeutsche Durchschnitt liegt bei 2,5 %.

Von den zehn als forschungsstark geltenden Universitäten in Deutschland liegen vier in Baden-Württemberg. Das zahlt sich aus. Ein Beispiel: Bei den Patentanmeldungen liegt Baden-Württemberg seit Jahren europaweit ganz vorne. Während in Baden-Württemberg auf 100 000 Einwohner 130 Patente kommen, liegt der Bundesdurchschnitt bei 59. Karl Max Einhäupl, Vorsitzender des Wissenschaftsrats, hat das Ergebnis der ersten Runde der Exzellenzinitiative zutreffend so kommentiert:

Dass Universitäten aus Bayern und Baden-Württemberg stark vertreten sein würden, war uns allen klar. Aber dass es eine so dramatische Vorrangstellung sein würde – mit sieben von zehn Hochschulen –, hat mich schon überrascht.

Egal, welches Ranking, ob Deutsche Forschungsgemeinschaft, „Focus“ oder „Spiegel“, unsere Hochschulen sind in der Spitzengruppe weit überrepräsentiert. Hinzu kommen die über 70 außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Rund 100 000 Menschen arbeiten im Forschungssektor, in Firmen, Hochschulen und Instituten unseres Landes.

Mit rechnerisch 102 610 € pro Professorenstelle – auch dies ist ein ganz wichtiger Indikator – führen die baden-württembergischen Hochschulen die Drittmittelstatistik an. Unsere Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind über die traditionellen Standorte und Kernzentren hinaus bewusst auch dezentral im Land verteilt. Hochschulen sind teilweise nicht nur die größten Arbeitgeber ganzer Regionen, sondern schaffen in ihrem Umfeld auch Arbeitsplätze, bringen Kaufkraft an den jeweiligen Standort und erhöhen dessen Attraktivität, insbesondere für Personen mit höheren Bildungsabschlüssen.

Für viele Unternehmen ist eine Hochschule am Ort ein Argument für die Standortwahl. Die Hochschule ist meist der entscheidende Standortfaktor schlechthin. Die Kooperation mit Betrieben wird besonders bei Fachhochschulen und Berufsakademien deutlich, deren flächendeckender Ausbau innerhalb des Hochschulsystems in Baden-Württemberg einen besonderen Stellenwert einnimmt.

Schließlich: Der Solidarpakt ist zentraler Garant für die Berechenbarkeit und Kontinuität auf diesem Weg und wird es auch weiterhin sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Land fördert zukunftsrelevante Forschungsfelder. Die vorhandenen Mittel werden seit langem nicht mehr mit der Gießkanne, sondern nach Prioritäten verteilt. Gemäß dem Motto „Stärken stärken“ setzt das Land auf strategische und zukunftsträchtige Forschungsfelder und die Förderung von Clustern, Kompetenzzentren und Netzwerken. Stichworte wie „Offensive Biotechnologie“ und „Förderprogramm Innovationstechnik Baden-Württemberg“, Mikrosystemtechnik, die Nanowissenschaften, die Verfahrens- und Produktionstechnik, Informatik oder auch die neuen Materialien sind Beispiele für neue Forschungsfelder und Cluster.

Weiter sind die Höchstleistungsrechner in Stuttgart und Karlsruhe ebenso zu nennen wie das Forschungsschwerpunktprogramm, bei dem es uns darum geht, bei den Berufungen an den Hochschulen die besten Köpfe für BadenWürttemberg zu gewinnen.

Im Rahmen der Zukunftsoffensiven I bis III hat die Landesregierung etwa 1 650 Millionen € aus Privatisierungserlösen schwerpunktmäßig in den Ausbau der staatlichen Infrastruktur investiert. Weitere 168 Millionen € sind vor einem Jahr beschlossen worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der entscheidende Punkt ist, dass diese Ergebnisse auch zu einer entsprechenden Anwendung in der Wirtschaft kommen, Stichwort Wissenstransfer. Die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft ist wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik. Deshalb wurde im Landeshochschulgesetz der Wissensund Technologietransfer als Kernaufgabe der Hochschulen verankert. Dadurch erhalten diese die Möglichkeit, zur Verwertung von Forschungsergebnissen Unternehmen zu gründen und sich an diesen zu beteiligen. Die Zusammenarbeit findet besonders an Fachhochschulen und Berufsakademien statt. Daher erklärt sich ihr überproportionaler Ausbau.

Diese starke Position in der Forschung und im Wissenstransfer zeichnet auch unseren Arbeitsmarkt aus. Die starke Position Baden-Württembergs im Standortvergleich lässt sich etwa daran festmachen, dass bei uns 12 % der Bundesbürger leben, dass diese 12 % der Bundesbürger aber rund 15 % der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung erbringen.

(Abg. Staiger SPD: Freie Rede!)

Baden-Württemberg weist unter allen deutschen Bundesländern die beste Situation auf dem Arbeitsmarkt auf. Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit – das betrifft auch die Jugendarbeitslosigkeit –, und wir haben auch – so schlimm jede Insolvenz ist; auch dies muss gesagt werden – mit Abstand die geringste Zahl von Insolvenzen gemessen an der Bevölkerung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Forschungspolitik, die so hochkarätige Ausbildung und dieser Wissenstransfer sind die wesentlichen Ursachen dafür, dass wir mit einem Volumen von rund 115 Milliarden € – Stand 2004 – nach wie vor Exportweltmeister sind und dies auch bleiben müssen. Bei uns ist die Verzahnung von Forschung und Arbeit so gut gelungen, dass wir tatsächlich auch in einer schwierigen Zeit in eine gute Zukunft blicken können und dass wir trotz hoher Kosten auch in einer globalisierten Welt gut werden bestehen können.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schmiedel.

(Abg. Birzele SPD: Kollege, das ist eine Aktuelle Debatte! – Gegenruf des Abg. Fleischer CDU: War das nicht aktuell?)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die deutsche Wirtschaft steht aufgrund der Globalisierung unter einem enormen Anpassungsdruck. Dies gilt auch und insbesondere für die Industrie in Baden-Württemberg. Viele Unternehmen reagieren auf diesen Anpassungsdruck mit einer strikten Kostendisziplin in Sachen Löhne, in Sachen Arbeitszeit, in Sachen Abbau von überflüssiger Bürokratie und anderem. Doch klar ist, dass eine solche Kostensenkungsstrategie alleine auf Dauer nicht wirklich hilft, sondern dass – darauf wurde schon zu Recht hingewiesen – nur Vorsprung durch Technologie, durch Innovation hilft. Es stimmt, was gesagt wurde: Wir müssen um so viel besser sein, einen um so größeren technologischen Vorsprung haben, wie wir teurer sind. Deshalb ist die Technologiepolitik des Landes eine zentrale Stellschraube für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Hier versagt die Regierung

(Beifall des Abg. Birzele SPD)

auf einem Feld, das sie gut bestellt zu haben glaubt. Damit Sie nicht meinen, das seien meine Worte, will ich Ihnen einfach ein paar Zeilen vorlesen: „Industrielles Rückgrat der Region in Gefahr“. Da führt der Hauptgeschäftsführer der IHK aus:

Es besteht die Gefahr, dass mit der Verlagerung von Produktionsarbeitsplätzen aus der Region zunehmend auch hochqualifizierte Forschungs- und Entwicklungsarbeit verlagert wird.

Und dann heißt es:

Richter appellierte an die Politik, Forschungsförderung gezielter am Mittelstand zu orientieren.

(Abg. Gaßmann SPD: Aha!)

Eine andere Zeitung schreibt über die Landespolitik: