Protocol of the Session on February 2, 2006

Anderenfalls verpufft die Gesetzesänderung auf dem Verwaltungsweg.

Genau das wird passieren, weil die Elternbeiträge 190 € monatlich betragen werden

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Betreuungskosten sind ab- setzbar!)

und sich das niemand leisten kann, Kollege Wieser.

So viel zu Ihrem Gesetzentwurf. Wir werden ihn ablehnen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Wacker.

(Abg. Wieser CDU: Jetzt kommt die Wahrheit ans Licht! – Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Argumente, die heute vorgetragen wurden, wurden auch im Vorfeld in den entsprechenden Gremien intensiv behandelt. Bereits seit Beginn der Beratungen zur jüngsten Novelle des Kindergartengesetzes wurde auch über die Frage diskutiert, wie man mit gemeindeübergreifenden Einrichtungen umgeht.

(Abg. Wieser CDU: Sehr gut! Richtig!)

Es gab auch damals schon mahnende Stimmen, die dafür plädiert haben, man möge gleich eine gesetzliche Regelung in Angriff nehmen. Die Regierungsfraktionen haben damals Gespräche und Anhörungen mit Betroffenen und gleichzeitig auch mit den kommunalen Landesverbänden durchgeführt, und man hat sich damals auf eine vernünftige Vorgehensweise verständigt, indem man sich darauf geeinigt hat, den Weg der Freiwilligkeit zu gehen und Vor-Ort-Lösungen anzustreben. Verantwortliche Politiker aus den Regierungsfraktionen haben vernünftigerweise dafür plädiert, nicht von Anfang an alles im Detail im Gesetz zu regeln. In

(Staatssekretär Wacker)

der Tat handelt es sich um Einrichtungen, deren Zahl überschaubar ist. Deswegen war dieser Weg vernünftig.

Man hat aber in den Gesprächen gemerkt, dass es offensichtlich vor Ort Reibungspunkte gibt und dass verschiedene Kommunen nicht in der Lage sind oder sich nicht bereit erklären,

(Abg. Sakellariou SPD: So ist es!)

diese Einrichtungen nun in die örtliche Bedarfsplanung aufzunehmen. Insofern bin ich den Regierungsfraktionen dankbar,

(Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

dass sie nach dieser Phase des Abwartens eine gesetzliche Regelung in die Wege leiten wollen, mit der man einen Kompromissvorschlag unterbreitet.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Ausgezeichnet!)

Es gibt keine höchstrichterliche Vorgabe für die Regierung, auch wenn Frau Kollegin Wonnay aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zitiert hat.

(Abg. Wieser CDU: Die war aufgeregt! – Heiter- keit der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Es gibt eine Klage des Waldorfkindergartens Geislingen aus dem vergangenen Jahr. Aus dem betreffenden Urteil geht allerdings hervor, dass die Träger verpflichtet sind, im Zuge der örtlichen Planung für eine ausreichende gemeindliche Förderung zu sorgen. Wir alle in der Politik wissen, was wir unter dem Begriff „ausreichend“ zu verstehen haben. Dieser Begriff beinhaltet durchaus auch eine Kompromisslösung.

Wenn wir jetzt im Gesetz verankern, dass die Einrichtungen im Rahmen der Bedarfsplanung eine Förderung von über 60 % bekommen und hier mit einer Förderung von 31,5 % der Betriebsausgaben ein Kompromiss gefunden wird, dann ist das meines Erachtens ein Abfangnetz. Damit weisen wir darauf hin: Wenn es zu keiner Einigung vor Ort kommt, kann man im Grunde diesen gesetzlichen Anspruch geltend machen. Damit lassen wir auch diejenigen Einrichtungen, die gemeindeübergreifend tätig sind,

(Abg. Wieser CDU: Nicht im Regen stehen!)

nicht im Regen stehen.

(Beifall des Abg. Wieser CDU – Abg. Wieser CDU: So ist es! – Abg. Birzele SPD: Nur Abg. Wieser teilt Ihre Meinung!)

Damit werden wir der Verantwortung für die Einrichtungen gerecht, um die es sich handelt. Kollege Noll hat zu Recht gesagt, dass die Anzahl überschaubar ist. Insofern halte ich diesen Weg für durchaus vernünftig. Wir begrüßen die Gesetzesinitiative der Regierungsfraktionen. Wir unterstützen ihre Vorlage ausdrücklich.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Gute Rede! – Unruhe)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schebesta.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir kommen zu dem Regelungsteil in den verschiedenen Gesetzentwürfen, der das Tragen eines Kopftuchs im Kindergarten betrifft.

Wir von der CDU-Landtagsfraktion halten das Kopftuch nicht für ein ausschließlich religiöses Symbol.

(Zuruf des Abg. Wieser CDU)

Nicht jede muslimische Frau, die ein Kopftuch trägt, äußert damit eine politische Botschaft. Aber sie trägt ein mehrdeutiges Symbol. Deshalb haben wir in Abwägung der unterschiedlichen Grundrechtsgüter für die Schulen entschieden, dass ein Kopftuchverbot ausgesprochen wird. Wir wollen dieses Verbot jetzt auch für den Kindergarten umsetzen.

SPD und Regierungsfraktionen sind sich in dem Willen zu einer gesetzlichen Regelung einig. Ob ich die Grünen inzwischen wieder hinzurechnen kann, weiß ich nicht genau. Sie haben in der Ausschussberatung ja einen Änderungsantrag zu den Gesetzentwürfen eingebracht.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Der ist abgelehnt worden!)

Die SPD und die Regierungsfraktionen streiten sich über einen Erlaubnisvorbehalt. Die SPD will einen solchen Vorbehalt vorsehen. Ich habe bereits im Rahmen der Ersten Beratung ausgeführt, dass wir einen Erlaubnisvorbehalt aus rechtlichen und politischen Gründen für problematisch halten.

Wir halten ihn aus rechtlichen Gründen deshalb für problematisch, weil im Bundesverfassungsgerichtsurteil vom September 2003 Folgendes ausgeführt wird:

Wie weit der Gesetzgeber die für den fraglichen Lebensbereich erforderlichen Leitlinien selbst bestimmen muss, richtet sich nach dessen Grundrechtsbezug. Eine Pflicht dazu besteht, wenn miteinander konkurrierende Freiheitsrechte aufeinander treffen und deren jeweilige Grenzen fließend und nur schwer auszumachen sind.

Dass der Grundrechtsbezug bei der Kopftuchfrage sehr hoch ist, dass die Grenzen fließend und schwer auszumachen sind, das ist, glaube ich, unbestritten.

Sie von der SPD halten einen Erlaubnisvorbehalt mit dem Vorschlag in Ihrem Gesetzentwurf für rechtlich möglich. Ich habe Bedenken dagegen – und mit mir meine Fraktion –, dass die Aussage in Ihrem Gesetzestext, eine Bekundung sei auf Antrag zuzulassen, wenn das Verhalten der Fachkraft im Einzelfall eine Neutralität wahrende Einstellung erkennen lasse, bestimmt genug für diese Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts ist. Wir hätten damit, wenn diese Einzelfallentscheidung vor Ort getroffen wird, wieder eine Grundrechtsabwägung, die die Kommunen im Einzelfall vornehmen müssen.

Gegen eine solche Einzelfallüberlegung hat Professor Ferdinand Kirchhof bereits in seinen Ausführungen zum Schulgesetz gesagt:

Hier müssen Grundrechte abgewogen werden, und zwar in einer Weise, dass man den einen Grundrechtsträger weniger berücksichtigt als den anderen. Und das soll eben nur die demokratisch legitimierte erste Gewalt tun.

Dem stimmen wir zu. Konkreter, als Sie es getan haben, lässt sich der Tatbestand kaum fassen. Weil wir es verfassungsrechtlich nicht sicher als hinreichend einschätzen können, halten wir ein generelles Verbot ohne Erlaubnisvorbehalt für richtig und angezeigt.

(Beifall des Abg. Reichardt CDU)

Sie führen für Ihre Position namhafte Verfassungsrechtler an. Professor Mahrenholz und Professor Böckenförde halten im Hinblick auf die kommunale Selbstverwaltung einen Erlaubnisvorbehalt für geboten. Der auch von Ihnen angeführte Professor Jestaedt hält dies demgegenüber im Blick auf die kommunale Selbstverwaltung nicht für geboten. Aus anderen Gründen stimmt er Ihnen zu, aber er hat in der Stellungnahme gegenüber den Grünen gesagt, im Blick auf die kommunale Selbstverwaltung nicht. Da sind sich die drei Gutachter, die Sie anführen, schon untereinander nicht einig. Wir haben aber auch die Stellungnahme von Professor Kirchhof, der ausführt, er halte aus den von ihm angeführten Gründen den Entwurf Ihres Kindergartengesetzes für unvereinbar mit der Verfassung und der Verfassungsrechtsprechung. Da wir auf der sicheren Seite sein wollen, halten wir es mit ihm und wollen deshalb das generelle Verbot ohne Erlaubnisvorbehalt.

Ich habe auch von politischen Gründen gesprochen. Es gibt Stellungnahmen des Städtetags und des Gemeindetags. Der Städtetag hält eine gesetzliche Regelung nicht für erforderlich. Für den Fall, dass sie aber vom Landtag für notwendig erachtet wird, präferiert der Vorstand des Städtetags eine gesetzliche Regelung ohne Ausnahmemöglichkeiten.

Der Gemeindetag führt aus, er lege besonderen Wert auf größtmögliche Rechtssicherheit:

Wir erwarten eine klare, landesweite und letztlich auch einheitliche Handhabung.

Der Städtetag hat in einer Einlassung gegenüber Journalisten – das wird heute in der „Stuttgarter Zeitung“ zitiert – die Aussage getroffen, er gehe nicht von Klagen der Kommunen im Blick auf die vorgelegten Gutachten aus.

Herr Kollege Birzele, Sie haben die Einlassungen von Städtetag und Gemeindetag im Ständigen Ausschuss für nicht nachvollziehbar erklärt. Wir halten aus den von mir genannten rechtlichen und politischen Gründen ein generelles Verbot ohne Erlaubnisvorbehalt für richtig und bitten um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.