Protocol of the Session on December 15, 2005

(Abg. Wintruff SPD: Aber nicht alle!)

und genauso das Halten von Wahlkampfreden hier im Parlament.

(Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP)

Deswegen will ich es jetzt einmal anders probieren als meine Vorrednerinnen und Vorredner und ein bisschen mehr zur Sache reden.

Wir haben in der vergangenen Woche viel über die Einführung allgemeiner Studiengebühren debattiert. Ich will in ei

ner allgemeinen Form noch einmal kurz zusammenfassen: Wir halten allgemeine Studiengebühren, wie sie von der Landesregierung vorgesehen sind, für das falsche bildungspolitische Signal, weil wir mehr Studierende brauchen. Wir brauchen insbesondere mehr Studierende aus bildungsfernen Schichten. Mit der Einführung allgemeiner Studiengebühren wird eine zusätzliche Hürde aufgebaut. Wir halten das für den falschen Schritt. Wir halten daran fest, dass das Erststudium bis zum Bachelor gebührenfrei bleiben soll.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Mappus CDU: Da ist aber ein Kollege von Ihnen ganz anderer Mei- nung! – Zuruf von der SPD)

Nein, Herr Palmer ist genau meiner Auffassung.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Der darf nichts anderes sagen!)

Er hat sich letztes Mal nach einer unterirdischen Rede seines Vorredners ein bisschen erregt. Mehr war das nicht.

(Heiterkeit)

Jetzt möchte ich noch auf ein paar Punkte eingehen, die in der Debatte bislang noch kaum eine Rolle gespielt haben. Das Studiengebührenmodell der Landesregierung hat, wenn man es sich einmal im Detail anschaut, erhebliche Konstruktionsmängel, und ich bin davon überzeugt: Was heute auf den Weg gebracht wird, bleibt Stückwerk und wird nicht von langer Dauer sein. Das trifft im Wesentlichen drei Punkte.

Der erste Punkt – das habe ich in früheren Debatten schon ausgeführt – ist die Höhe des Beitrags: Bei pauschal 500 € pro Studiengang wird es nicht lange bleiben. Dieser Betrag ist lediglich das Eintrittsgeld,

(Abg. Zimmermann CDU: Reine Wahlkampfrede!)

der Lockvogel für die Hochschulen, und die Preiserhöhungen werden nicht lange auf sich warten lassen.

(Zuruf von der CDU)

Der zweite Konstruktionsmangel betrifft den Studienfonds. Hier meine ich ausdrücklich nicht die Kritik, wie sie von vielen Hochschulrektoren kommt, zuvörderst vom Rektor der Universität Karlsruhe; der droht ja rechtliche Mittel gegen die „Zwangssteuer für Studierende“, wie er das nennt, an.

(Abg. Wieser CDU: Das ist die Residenz des Rechts!)

Er kritisiert, dass über den Studienfonds die Risiken und Ausfallkosten solidarisch auf alle Hochschularten und Hochschulstandorte verteilt werden. Aber: Das hat die Anhörung im Wissenschaftsausschuss in der letzten Woche deutlich und eindrücklich belegt. Ich will hier ausdrücklich betonen: Ich finde es richtig und wichtig, dass Wissenschaftsminister Frankenberg in diesem Punkt nicht dem Druck nachgegeben hat und an dem solidarischen Modell festhält. Denn nur so werden die Selektion schon beim Hochschulzugang und das Aussortieren der Risikokandidatinnen und -kandidaten zu verhindern sein, und nur so wird

es möglich sein, dass auch Musikhochschulen und Kunstakademien es sich künftig leisten können, Studierende aufzunehmen,

(Abg. Fleischer CDU: Die Abgebenden wehren sich nicht!)

und nicht, wie bei dem von Ihnen geplanten Gebührenmodell, künftig auch noch draufzahlen müssen.

Allerdings hat der Studienfonds folgenden Mangel: Er überträgt in einer völlig unberechtigten Weise das Geschäft und die Kosten auf die Hochschulen und beschert den Banken ein lukratives Geschäft. Die Banken haben sämtliche Vorteile. Sie bekommen zusätzliche Kunden, und sie haben ein völlig risikofreies Geschäft.

Hochschulen sind aber keine Banken, und sie sind schon gar keine Inkassogesellschaften. Wie sollen denn die Hochschulen im organisierten Studienfonds künftig die ausstehenden Forderungen eintreiben? Entweder übertragen sie dieses Geschäft, für das sie selber nicht eingerichtet sind, der Landesoberkasse. Das Finanzministerium hat es aber bis heute versäumt und sich geweigert, den Preis zu nennen, zu dem die Hochschulen diese Leistung einkaufen können. Oder die Hochschulen begeben sich auf ein ganz neues Terrain und schauen, wie man säumige Zahler stellt.

Letzte Woche habe ich einen Hochschulrektor besucht. Der sammelt schon Ideen, wie man so etwas machen kann, und hat mich auf einen Artikel im „Spiegel“ vor wenigen Wochen hingewiesen, worin steht, wie man das Inkassogeschäft wirksam betreibt. Schauen Sie her, dieses Bild aus dem „Spiegel“ zeigt: Man kann zum Beispiel den Satan persönlich mit seinen Gehilfinnen losschicken und Schuldner stellen. Das ist ein Beispiel aus Venezuela; ich kann es gleich durch die Reihen geben.

(Abg. Fleischer CDU: Mich würden mehr die Adressen der Damen interessieren! – Weitere Zuru- fe von der CDU – Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP: Sehr abseitig! Theoretisch!– Unruhe)

Der Satan mit seinen Gehilfinnen ist in Venezuela unterwegs und skandalisiert säumige Zahler, um deren Zahlungsmoral zu heben. Vielleicht ist das ja ein Modell dafür, wie die Hochschulen künftig säumige Zahler stellen können. Vielleicht, lieber Kollege Wacker, ist das auch ein lukrativer studentischer Nebenjob für Hiwis. Man könnte auch sagen: Vielleicht ist das Ihre Vision einer unternehmerischen Hochschule, die sich auf völlig neue Geschäftsfelder begibt.

(Abg. Wieser CDU: Das war ein Ausrutscher bei Ihnen! Das war nichts!)

Jedenfalls wird der Studienfonds in dieser Form nicht bestehen bleiben.

Dritter Punkt ist das Thema Mobilität. Stellen Sie sich einmal vor – das soll ja vorkommen –, dass ein Student oder eine Studentin während des Studiums den Studienort wechselt, zum Beispiel von Niedersachsen nach Baden-Württemberg geht

(Zuruf von der CDU: Weil es dort besser ist!)

und vielleicht auch noch BAföG-Empfänger ist. Eine solche Person hat nach ihrem Studium künftig drei verschiedene Adressen und Institutionen, an die sie später ihre Kredite zurückzahlt: einmal die Bank in Niedersachsen, wohin ein Teilkredit zurückzuzahlen ist, einmal die L-Bank in BadenWürttemberg und einmal das Bundesverwaltungsamt, wo die BAföG-Schulden zu begleichen sind.

(Zuruf von der CDU)

All diesen Institutionen gegenüber ist die Person rechenschaftspflichtig und muss ihnen ihre Einkommensverhältnisse darlegen. Das kann doch nicht mobilitätsfördernd sein!

(Abg. Fleischer CDU: Wollen Sie einen Bundes- fonds?)

Das kann nicht im Sinne des Bologna-Prozesses sein. Das ist Kleinstaaterei. Deshalb sind Sie in der Pflicht, dieses Finanzierungsmodell zu überarbeiten und für bundesweite Standards zu sorgen, die es den Studierenden ermöglichen, auch in Zukunft von einem Studienort zum anderen zu wechseln.

(Beifall bei den Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, letzte Woche sind im Wissenschaftsausschuss einige Änderungsanträge vonseiten der Grünen eingebracht und behandelt worden. Die Kolleginnen und Kollegen aller anderen Fraktionen – ich betone: aller anderen Fraktionen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD – haben sämtliche Änderungsanträge abgelehnt bzw. ihnen nicht zugestimmt. Das waren konkrete, konstruktive Vorschläge, um die schlimmsten Härten aus diesem Gesetz herauszustreichen. Sie haben da nicht mitgemacht. Ich will die wichtigsten Vorschläge nennen.

Sie haben es letzte Woche abgelehnt, die verwaltungsinternen Fachhochschulen den anderen Hochschulen gleichzustellen. Das bedeutet, dass die verwaltungsinternen zukünftigen Staatsdiener exklusiv fürs Studieren bezahlt werden und ihnen Studiengebühren erspart bleiben.

(Abg. Fleischer CDU: Sie kennen doch die Rechts- gründe!)

Sie könnten externalisieren, lieber Kollege.

Sie haben es zweitens abgelehnt, die Mitsprache von Studierenden verbindlicher zu regeln und die Hochschulen zu ermutigen, in ihren eigenen Grundordnungen über minimale Mitsprachemöglichkeiten hinauszugehen. Damit bleiben Sie selbst hinter den Empfehlungen des Centrums für Hochschulentwicklung, des CHE, zurück, in denen Ihnen nahe gelegt wurde, hier einmal neue Wege zu beschreiten.

Sie haben es drittens abgelehnt, den Hochschulen verbindlich Tatbestände für Gebührenbefreiung und Gebührenerlass vorzugeben. So lassen Sie Schlupflöcher und Interpretationsspielräume. Das wird dazu führen, dass es zu Klagen kommt und mehr bürokratischer Aufwand erforderlich ist.

Viertens haben Sie es abgelehnt, die Gebührenbefreiung für Studierende mit Kindern auf Kinder bis zu zwölf Jahren zu

erhöhen. Obwohl es keinerlei einsichtigen Grund gibt, warum ein neunjähriges Kind billiger sein soll

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

oder weniger Betreuungsaufwand bräuchte, beschneiden Sie die Gebührenfreiheit auf Studierende mit Kindern bis zu acht Jahren.

Sie haben es fünftens abgelehnt, den gewählten studentischen Vertretern, die für mindestens zwei Jahre in der Selbstverwaltung tätig waren, ein Gebührenstipendium zu gewähren. Das wäre zumindest ein kleiner Schritt gewesen. Auch damit hätten Sie ein Zeichen der Anerkennung für studentisches Engagement setzen können und studentische Mitsprache wenigstens ein Stück weit aufwerten können. Auch da hat sich nichts bewegt.

Sechstens haben Sie es abgelehnt, dass die L-Bank oder ein vergleichbares Kreditinstitut zumindest ein vollständiges Mahnverfahren durchführen muss, bevor das Kreditinstitut seine Forderungen an den Studienfonds abtreten kann. Deshalb werden künftig die Hochschulen das Geschäft der Banken erledigen müssen.

Siebtens haben Sie es abgelehnt, die Schuldenhöhe auf 10 000 € zu begrenzen. Diese Kappungsgrenze für Rückzahlungsverpflichtungen aus BAföG und Studiengebühren ist künftig in Nordrhein-Westfalen gültig. In Baden-Württemberg kommt die Leute das Studieren etwas teurer: Hier müssen sie Schulden bis 15 000 € in Kauf nehmen. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis für den Standort BadenWürttemberg.

(Abg. Mappus CDU: Warum denn das? – Abg. Pfisterer CDU: Gute Ware war schon immer teurer!)