Ich komme zum Thema „Informationsfreiheitsgesetz für Baden-Württemberg“. Wissen ist Macht, und Wissen teilen heißt auch Macht teilen oder zumindest kontrollierbar machen. Das ist der Ausgangspunkt für den Gesetzentwurf.
Erstmals wurde 1766 in Schweden der Zugang zu amtlichen Schriftstücken als allgemeines Bürgerrecht anerkannt. In der Bundesrepublik hat sich der Gesetzgeber dagegen für den Grundsatz der beschränkten Aktenöffentlichkeit entschieden. Das hat die Konsequenz, dass die Akten nur dann eingesehen werden können, wenn es ein rechtliches Bedürfnis dafür gibt bzw. die Geltendmachung oder Verteidigung rechtlicher Interessen dies erforderlich macht.
Dieses Prinzip wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf umkehren. Die Bürgerinnen und Bürger sollen nicht erst nach entsprechender Begründung wissen können, gegenüber wem sie irgendwelche Auskunftsrechte haben, sondern das Auskunftsrecht der Bürger soll generell sein. Die Auskunftsverweigerungsrechte müssen speziell sein, und der Verwaltung soll ein Begründungszwang für den Ausnahmefall aufgegeben sein. Das heißt, nicht die Bürgerin und der Bürger müssen dartun, weshalb sie welche Akten einsehen wollen, sondern die Verwaltung muss im Gegenteil dartun, weshalb sie diese oder jene Akte nicht zugänglich machen will.
Angestoßen durch die EG-Rechtsetzung – durch die EGUmweltinformationsrichtlinie – wurde im Jahr 1994 auch das bundesweit geltende Umweltinformationsgesetz verabschiedet, das jetzt gut zehn Jahre in Kraft ist und sich auch hinsichtlich der Akteneinsicht durchaus bewährt hat.
Darüber hinaus – das ist der eigentliche Ausgangspunkt für die Einbringung des Gesetzentwurfs zum jetzigen Zeitpunkt – tritt am 1. Januar 2006 auf Bundesebene das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft, das dann für alle Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland den Zugang zu Informationen bei Bundesbehörden ermöglicht.
Ein weiterer Aspekt, der uns veranlasst hat, diesen Gesetzentwurf zum jetzigen Zeitpunkt einzubringen: Es gibt vier Bundesländer, in denen ein solches Gesetz bereits besteht. Dazu kommt, dass im Saarland die dortige Landesregierung – im Übrigen das Innenministerium – am 20. September einen solchen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht hat. Das zeigt, dass in der Bundesrepublik jetzt die Umkehrung dieser Amtsverschwiegenheit, dieser beschränkten Öffentlichkeit der Akten erfolgen soll. Deswegen sind wir der Auffassung, dass auch die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg einen Zugang zu Inhalten von Akten sowohl des Landes als auch der Kommunen, für die dieses Gesetz dann auch gelten würde, haben sollten.
Wir sind der Auffassung, dass das Gesetz mehr Transparenz und mehr Partizipationsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger schafft. Nur wer die Inhalte der Akten
kennt, kann letztendlich auch entsprechend darüber diskutieren und mitentscheiden. Das ist ein ganz wichtiges demokratisches Prinzip, weshalb wir der Auffassung sind, dass wir den Menschen in unserem Land die Möglichkeit der Akteneinsicht auch einräumen sollten.
Ein Weiteres, was der Gesetzentwurf enthält – um gleich den möglichen Einwänden der FDP/DVP-Fraktion dieses Hauses entgegenzutreten; das hat die FDP-Fraktion auch in der Bundestagsdebatte bei der Verabschiedung des entsprechenden Bundesgesetzes eingebracht –, sind so genannte Ausnahmeregelungen. Wir haben diese nicht so weit gefasst, wie das im Bundesgesetz vorgesehen ist, aber gewisse Ausnahmetatbestände, bei denen kein Akteneinsichtsrecht gewährt werden muss, müssen natürlich auch in dieses Gesetz aufgenommen werden.
Es darf nicht sein, dass bestimmte Steuerdaten von Einzelpersonen preisgegeben werden. Da wirkt natürlich der Datenschutz. Es darf auch nicht sein, dass Informationen preisgegeben werden, die die innere Sicherheit gefährden. Ein weiterer Grundsatz, der auch als Ausnahmetatbestand im Gesetzentwurf enthalten ist: Der Erfolg eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens darf nicht durch entsprechende Akteneinsicht gefährdet werden. Des Weiteren sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse auch nach unserem Gesetzentwurf entsprechend geschützt.
Das heißt, wir wollen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf mehr Informationen, mehr Informationszugang für die Bürgerinnen und Bürger schaffen.
Ich darf Ihnen einfach auch noch zwei oder drei konkrete Beispiele anführen, an denen deutlich wird, weshalb wir der Auffassung sind, dass auch die Menschen in unserem Land ein Recht auf Akteneinsicht haben müssen:
Es geht zum Beispiel um Investitionsunterlagen. Es geht um Gutachten, auch auf kommunaler Ebene, die oftmals Grundlage für Investitionsentscheidungen sind und zu denen die Bürgerinnen und Bürger bisher oftmals keinen Zugang zur Überprüfung der Investitionsentscheidungen haben. Es geht zum Beispiel aber auch um den Bereich der Lebensmittelkontrolle – wir haben darüber heute diskutiert –, in dem sich immer wieder die Frage stellt, wer wann was untersucht hat und welche Ergebnisse diese Untersuchungen erbracht haben, wo es um konkrete Betroffenheit der Menschen geht.
Überall dort soll dieses Informationsrecht wirken. Das wird dazu führen, dass die Menschen auf der Grundlage umfassender Informationen auch für ihr konkretes Leben, für ihre konkrete Lebensplanung Entscheidungen treffen können. All diese Möglichkeiten soll dieses Informationsfreiheitsgesetz eröffnen.
Nicht zuletzt wird oft der Einwand erhoben, ein solches Gesetz würde mehr Bürokratie bedeuten, würde dazu führen, dass die Ämter und Behörden mit entsprechenden Anfragen überfordert und überlastet wären. Wir haben uns natürlich auch einmal kundig gemacht, bevor wir unseren Gesetzentwurf eingebracht haben, wie es in den Bundesländern aussieht, in denen solche Gesetze bereits bestehen. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel wurden seit Bestehen des Gesetzes – das sind jetzt immerhin fast drei Jahre – ca. 1 000
Anfragen an entsprechende Behörden und Einrichtungen gerichtet. Es hat sich daher erwiesen, dass Behörden, Kommunen und wer auch immer dafür auskunftspflichtig ist, mit dem Verwaltungsaufwand durch die 1 000 Anfragen, bezogen auf das gesamte Bundesland, wohl fertig werden. Der steht in keiner Relation zu dem Aufwand, der entsteht, wenn Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte gar gerichtlich geltend machen müssen und gerichtliche Auseinandersetzungen führen. Das Gesetz würde also eher bedeuten, dass sich der Verwaltungsaufwand verringert.
Alles in allem will ich zur Begründung des Gesetzentwurfs sagen, dass wir den Menschen im Land mit dem Gesetz mehr Partizipationsmöglichkeiten einräumen. Deswegen sind wir auch der Auffassung, dass wir mit diesem Gesetz infolge der bundesgesetzlichen Regelung auch den Menschen hier im Land die Informationen zubilligen sollten, die sie dann von Landesbehörden und von kommunalen Behörden erhalten können.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mehr Transparenz, lieber Kollege Oelmayer, das klingt gut, und wer würde das nicht unterschreiben?
Erstens: Die Transparenz, die Sie einfordern, haben wir doch schon heute. Bei uns hat heute der Einzelne als Betroffener ein Recht auf Einsicht in die Akten,
Stichwort Persönlichkeitsrecht. Sie aber wollen ja eine Öffnung dieses individuellen Rechts für die Allgemeinheit, und damit öffnen Sie Tür und Tor für Missbrauch. Sie haben vorhin Nordrhein-Westfalen angesprochen. Das ist ein gutes Beispiel. Dort stellt Scientology flächendeckend Informationsanträge. Das kann doch nicht wirklich gewollt sein.
Warum stellt dann der Bund für sein Informationsfreiheitsgesetz zusätzliche Sach- und Personalkosten ein? Weil das Gesetz eben zu zusätzlichen Kosten führt.
Zum Beispiel Nordrhein-Westfalen – da hat man mittlerweile Erfahrung – lese ich Ihnen die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände vor, denn 70 % aller Anfragen betreffen die Kommunen. Die kommunalen Landesver
Es ist nicht zu vernachlässigen, dass es zumindest teilweise zu einer durchaus erheblichen Mehrbelastung gekommen ist. Entweder sind bei einzelnen Kommunen zu bestimmten Themen von herausragender örtlicher Bedeutung eine überproportional große Zahl von Anträgen eingereicht worden, oder die Bearbeitung einzelner Anträge erforderte einen besonders hohen Verwaltungsaufwand. In einigen (wenigen) Fällen trat verschärfend hinzu, dass Anträge mit vorwiegend missbräuchlicher Intention gestellt wurden.
Im Evaluationsbericht des Landes Nordrhein-Westfalen wird ein weiterer Punkt aufgeführt: Vereinzelt wurde von den Kommunen beklagt, dass einzelne Personen durch mehrfache Antragstellung einen hohen Verwaltungsaufwand verursacht haben.
(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das ist ja, als ob Herr Teufel spricht! – Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)
In den §§ 5 und 6 Ihres Gesetzentwurfs – liebe Kollegin Lösch, Sie haben ihn sicher auch gelesen – steht:
Die Behörde stellt zur Verfügung, die Behörde weist hin, die Behörde hat eine Beratungspflicht, die Behörde muss anhören.
Das, was ich vorhin aufgezählt habe, gehört nicht zu den allgemeinen Verwaltungsaufgaben einer Behörde. Es ist nicht mit einer einfachen mündlichen oder einer schnellen Auskunft getan. Diese Anfragen bedürfen einer formellen und auch einer materiellen Prüfung, die mit einer Auslegung des Antragsbegehrens einhergeht. Man muss Betroffene anhören und eine inhaltliche Beantwortung vornehmen. Das ist wie bei einem regulären Verwaltungsakt. Wenn es so wäre, dann müsste man dafür selbstverständlich bezahlen.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: Die Gemeinde muss laut Gemeindeordnung Haushaltsentwürfe öffentlich auslegen.
Diese Regelung wird abgeschafft, weil sie nicht in Anspruch genommen wird, lieber Kollege Oelmayer. Die Leute hat der Haushalt der Kommunen nicht interessiert, obwohl er sie direkt betrifft.