Protocol of the Session on December 1, 2005

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass Studentinnen und Studenten, die Kinder bis zu acht Jahren erziehen und betreuen, von der Studiengebühr befreit sind. Darüber hinaus wird es höhere Gebührenstipendien für junge Leute geben, die an der Universität aktiv sind und die sich im Grunde genommen durch besondere Begabungen hervorgetan haben. Also hier gibt es Chancen. Durch die Erweiterung der Zahl der Tutorenstellen, die es in Zukunft geben wird, können sich junge Leute besser einbringen.

Wir wollten die Gebühren ähnlich wie in Bayern in gewissen Bandbreiten zulassen, haben aber aus Gründen größerer Rechtssicherheit einer Gebührenhöhe von 500 € zugestimmt. Den Stellungnahmen zum Gesetzentwurf haben Sie entnommen, dass das Centrum für Hochschulentwicklung den Entwurf insgesamt lobt und begrüßt, aber vorschlägt, in einem zweiten Schritt den Hochschulen die Möglichkeit zu geben, die Gebührenhöhe selbst festzusetzen. Wir halten diesen Vorschlag für richtig.

Meine Damen und Herren, die Studienfonds sind ein umstrittenes Thema. Das gebe ich zu. Das wird auch bei uns heftig diskutiert. Sie sind aber unverzichtbarer Bestandteil des vorgesetzten, vorgelegten Gebührenmodells, das jedem Studierenden, der dies wünscht – –

(Zurufe von der SPD)

Ich hoffe, dass Sie bald ein Mittagessen vorgesetzt bekommen, Herr Kollege.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Noll FDP/ DVP: Sehr gut!)

Die Studierenden können ein Darlehen ohne Bonitätsprüfung aufnehmen. Es wird garantiert, dass die Aufnahme eines Darlehens völlig unkompliziert abläuft. Dies ist für die jungen Leute wichtig.

Zur Ausgestaltung des Fonds sind viele Stellungnahmen eingegangen. In der weiteren Beratung im Ausschuss wird uns dies sicher noch im Einzelnen beschäftigen. Ich selbst bin mir aber, nachdem ich mich gerade mit diesen Fragen intensiv beschäftigt habe,

(Oh-Rufe von der SPD)

sicher, dass hier eine insgesamt sachgerechte Lösung gefunden wurde.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch einmal auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurückkommen, das den Weg zur Einführung von Studiengebühren frei gemacht hat. Nach der Urteilsbegründung hält das Gericht den Befürwortern eines Verbots von Studiengebühren nach einer Vielzahl konkreter Einzelpunkte schließlich Folgendes entgegen:

Vor allem aber ist davon auszugehen, dass die Länder... bei einer Einführung von Studiengebühren den Belangen einkommensschwacher Bevölkerungskreise angemessen Rechnung tragen werden.

Dies ist unseres Erachtens in vollem Umfang geschehen. Wir werden selbstverständlich die Entwicklung der Studiengebühren begleiten und können dann auch noch entsprechende Weichenstellungen einbringen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Frau Abg. Bauer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Heute ist fast so etwas wie ein historischer Tag, denn mit dem heutigen Tag wird zum ersten Mal in Deutschland von einer Landesregierung ein Gesetzentwurf zur Einführung allgemeiner Studiengebühren vorgelegt.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Gestern schon in Nordrhein-Westfalen!)

Damit ist so etwas wie der Tag X für all diejenigen gekommen, die das Thema Studiengebühren seit Jahren wie eine Monstranz vor sich hertragen. Sie haben Studiengebühren seit Jahren als das Wundermittel zur Heilung aller hochschulpolitischen Probleme angepriesen. Umgekehrt ist es auch der Tag X für diejenigen, die Studiengebühren per se zum Teufelszeug erklärt haben. Ihr Kampf für bessere und gerechtere Hochschulbildung hat sich oft erschöpft im Nein zu jeglicher Form von finanzieller Eigenbeteiligung von Studierenden.

Ich bin überzeugt davon, dass diese regelrecht zum Ritual verkommene Fixierung auf Studiengebühren auf beiden Seiten hochschulpolitisch blockiert hat und insgesamt wenig hilfreich ist. Allgemeine Studiengebühren sind weder der Schlüssel in Sachen Studienqualität noch in Sachen Bildungsgerechtigkeit.

(Beifall bei den Grünen)

Dennoch geht es heute um einen Einschnitt in der Hochschulpolitik in Deutschland. In einer solchen Situation kann es nicht schaden, einen Blick in die Landesverfassung zu werfen. Dort steht in Artikel 11 Abs. 1:

Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung.

Dazu ergänzend ein Blick in Artikel 13 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dem Deutschland schon 1976 beigetreten ist.

(Zuruf von der CDU: Ist England dabei?)

Darin haben sich die Länder unter anderem verpflichtet, dass

der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss.

Das sind Verpflichtungen, die auch für die Landesregierung gelten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer trotzdem allgemeine Studiengebühren einführt, muss schon sehr gute Gründe anführen, warum das richtig ist. Er muss sich auch gefallen lassen, dass seine Gründe einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Die grüne Landtagsfraktion hat das gemacht und kommt dabei zu folgenden Schlüssen:

Erstens: Die bildungspolitische Ausgangslage spricht gegen die Einführung allgemeiner Studiengebühren.

(Abg. Alfred Haas CDU: Sie haben nichts begrif- fen!)

Zweitens: Trotz der sozialen Abfederung wird das geplante Gebührenmodell abschreckende Wirkung entfalten, gerade auf diejenigen Kreise, die wir verstärkt an die Hochschulen führen wollen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das stimmt nicht!)

Drittens: Die versprochene Qualitätsverbesserung für die Lehre wird sich so, wie Sie es geplant haben, nicht einstellen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das sind alles Behaup- tungen!)

Viertens: Mit dem Studiengebührenmodell stoßen Sie die Tür auf für eine Gebührenspirale nach oben.

Jetzt zu der Frage: Wie sieht die bildungspolitische Ausgangslage heute aus? Deutschland und gerade Baden-Würt

temberg – das ist Ihnen wahrscheinlich bekannt – sind noch weit davon entfernt, Bildungschancen entsprechend der persönlichen Befähigung zu eröffnen. Wir haben – das wissen Sie alle – noch einen langen Weg vor uns, bis unser Bildungssystem sozial gerecht wird, liebe Kollegin Fauser. Wenn Sie nicht dieser Meinung sind, lesen Sie die PISAErgebnisse nach.

Die Aufgabe, die sich heute stellt, heißt: Der Hochschulzugang ist weiter zu öffnen, sodass nicht nur Arztkinder, sondern auch der Sohn eines Bäckers und die Tochter einer Putzfrau eine ehrliche Chance auf ein Studium erhalten. Davon sind wir heute noch weit entfernt.

(Abg. Alfred Haas CDU: Sie haben nichts begrif- fen!)

Klar ist: Nicht erst beim Abitur werden dafür die Weichen gestellt, sondern es kommt auf eine frühe Förderung und auf die Überwindung des gegliederten Schulwesens an.

Für die Hochschulen gilt aber auch: Die schon heute ohnehin große soziale Kluft darf nicht noch größer gemacht werden. Mit Ihren allgemeinen Studiengebühren machen Sie jedoch genau diese Kluft größer. Ihre Studiengebühren haben eine abschreckende Wirkung.

Zur Ausgangslage zählt auch die Tatsache, dass zurzeit schon Studienplätze im Land fehlen. Dieser Mangel wird sich in den nächsten Jahren dramatisch verschärfen.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Ich stimme in diesem Punkt mit Frau Bregenzer nicht überein. Auch Kollegin Bregenzer irrt sich da manchmal.

Dennoch: Trotz steigender Abiturientenzahlen ist in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge die Zahl der Studienplätze für Anfänger im Land zurückgegangen. Im letzten Jahr hatten wir bei den Anfängern einen Rückgang an Studienplätzen um 6,9 %.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ohne Studiengebühren!)

Richtig, wir haben einen wachsenden Mangel an Studienplätzen im Land. Ich rede gerade über die Bildungsgerechtigkeit und die bildungspolitischen Herausforderungen in unserem Land.

Letztes Jahr ist die Zahl der Anfängerplätze also um 6,9 % zurückgegangen. Für dieses Jahr kommt ein weiterer Rückgang um 2,8 % hinzu. Weniger Studienanfänger im Land gibt es aber nicht. Es ist nicht so, dass die jungen Leute nicht studieren wollten. Vielmehr melden die Hochschulen – das haben Sie ja sicher alle verfolgt – im Land allesamt Bewerberrekorde. So viele wollten noch nie in die Hochschulen. Aber die Hochschulen nehmen weniger Studienanfänger auf; sie machen angesichts des drohenden Studierendenansturms nämlich „Schotten dicht“.

Das heißt, bei uns im Land bleiben immer mehr junge Menschen vor der Hochschultür. Wenn Studiengebühren in einer solchen Situation hinzukommen, heißt das: Die Auslese wird sich weiter verschärfen.

(Zuruf des Abg. Wacker CDU)