Die Auslese, wer in die Hochschulen darf und wer nicht, wird jetzt um die zusätzliche finanzielle Komponente ergänzt: Wer kann zahlen, und wer kann nicht zahlen?
Deshalb: Zurzeit stellt sich doch gerade die umgekehrte Aufgabe. Wir können es uns nicht leisten, noch mehr in der Bildung auszusortieren. Vielmehr müssen wir mehr junge Menschen dazu gewinnen, in die Hochschulen zu kommen, ein Studium aufzunehmen und dieses erfolgreich zu absolvieren. Wir haben doch schon heute viel zu wenig Studierende.
Es ist die politische Aufgabe, nach Wegen zu suchen, wie wir mehr Studierende ausbilden können und wie wir mehr Studierende besser als heute ausbilden können.
Wir brauchen mehr Quantität und mehr Qualität bei Akademikern. Wir brauchen, um ein Wort von Renate Künast abzuwandeln,
Zur Ausgangslage gehört ein dritter Punkt: Die Studienfinanzierung ist ungenügend. Bei der Finanzierung des Lebensunterhalts werden die meisten Studierenden allein gelassen. Denn der Anteil derjenigen, die BAföG erhalten, ist gering.
Ein Großteil der Studierenden ist darauf angewiesen, neben dem Studium zu jobben oder sich von der Familie finanzieren zu lassen.
Was macht die große Koalition aus CDU/CSU und SPD bei diesem Thema? Die Reform der Weiterentwicklung des BAföG wird von der Tagesordnung genommen.
(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Aha! – Abg. Pfiste- rer CDU: Das waren bisher Ihre Freunde! – Gegen- ruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)
Was heißt denn das? Was heißt „keine Absenkung des Zuschusses“ in einer Zeit, in der die Ausgaben für BAföG seit Jahren gestiegen sind, weil die Zahl der Anspruchsberechtigungen unter Rot-Grün ausgeweitet wurde, und wenn wir zusätzlich noch die Zahl der Studierenden erhöhen müssen? Das heißt im Klartext: Für den einzelnen Studierenden wird der Zuschuss sinken, die Zahlungen für den Einzelnen werden zurückgehen.
Die Absenkung der Leistungen für den Einzelnen ist mit dem, was Sie im Koalitionsvertrag festgelegt haben, vorprogrammiert.
Hinzu kommt ein Zweites, was auch im Koalitionsvertrag steht: Sie haben darin festgelegt, die Gewährung des Kindergelds und des Kinderfreibetrags bis zum 25. Lebensjahr zu verkürzen. Was heißt das? Das heißt, Eltern von Studierenden wird etwas weggenommen, ohne den Studierenden zusätzlich etwas zu geben. Genau dieses Geld hätten wir aber gebraucht, um endlich das anzupacken, was wirklich nötig ist, nämlich eine Reform der Studienfinanzierung und den Einstieg in eine elternunabhängige Studienfinanzierung. Davor drücken Sie sich aber.
Zusammengefasst heißt das: Der Hochschulzugang wird zurzeit erschwert. Die sozialpolitischen Voraussetzungen für mehr Bildungsgerechtigkeit werden nicht geschaffen. So kommt man dem Ziel, zu dem wir uns in der Verfassung und im internationalen Sozialpakt verpflichtet haben, keinen Schritt näher. Auf diesem Weg wird Hochschulunterricht nicht jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht und werden nicht finanzielle Hürden abgebaut. Mit den geplanten Studiengebühren – so, wie Sie es vorhaben – bauen Sie stattdessen eine neue Hürde auf.
Die Landesregierung hat zu dieser Frage ja auch ein interessantes Gutachten bei einem Herrn Professor Riedel von der Universität Mannheim in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten wurde uns trotz wiederholter Anfragen nie vorgelegt. Da das Gutachten inzwischen bundesweit in allen Wissenschaftsministerien kursiert, haben wir es vor ein paar Tagen doch in die Hand bekommen.
Lassen Sie mich das nur am Rande sagen: Diese Missachtung des Parlaments und der Öffentlichkeit ist wirklich kein guter Stil. Das sollten Sie nicht wirklich nötig haben.
Einen Satz noch zu diesem Gutachten: Darin wird der Schluss gezogen: Studiengebühren – also ein Rückschritt auf dem Weg in die Unentgeltlichkeit, zu der wir uns ja verpflichtet haben – seien nur vertretbar, wenn durch diese Mittel die Situation sozial schwacher Studierender gleichzeitig verbessert wird. Das ist ein starker Anspruch, und das ist viel mehr als das, was Sie immer vor sich hertragen, wenn Sie sagen: „Unser Gebührenmodell hat keine sozial abschreckende Wirkung.“ Das Gebührengesetz, das Sie heute dem Parlament vorlegen, genügt diesem Anspruch jedenfalls in keiner Weise.
Zum zweiten Thema, zur Qualität: Kommt es eigentlich mit den allgemeinen Studiengebühren zu einer Verbesserung der Studienbedingungen und der Qualität der Lehre?
Ich weiß, Sie sagen das immer, und Minister Frankenberg winkt in diesem Zusammenhang mit zusätzlichen 180 Millionen € wie mit dem famosen Wurstzipfel. Es waren im Sommer noch 150 Millionen €, jetzt verspricht er 180 Millionen €. Dieser Wurstzipfel ist aber erstens nicht so lang wie behauptet. Die Hochschulen rechnen ganz anders. Sie sagen, und zwar mit gutem Grund: Dabei kommen etwa 50 Millionen € weniger heraus.
Zweitens – auch das muss man heute noch einmal festhalten – werden mit diesem Geld lediglich die Löcher gestopft, die in den vergangenen zwei Jahren im Hochschuletat aufgerissen wurden. Faktisch bringen die Studiengebühren also kein zusätzliches Geld zur Verbesserung der Lehre in den Hochschulen, sondern sie sind nichts anderes als der Ersatz für schon vollzogene Kürzungen.
Noch einmal anders gesagt: Es ist ja toll. Sie haben jahrelang über globale Minderausgaben, über Einsparauflagen die Mittel für Tutorien und für Hiwis de facto platt gemacht.
Wissenschaftliche Hilfskräfte, Kollege Wacker. – Jetzt stellen Sie sich hier hin und sagen: Mit den Studiengebühren machen wir etwas ganz Neues: Wir schaffen Tutorien.
(Abg. Pfisterer CDU: Und warum geben wir mehr Geld aus als der Bund, und warum haben wir die besten Rankings? – Abg. Alfred Haas CDU: Das ist ganz komisch!)
Sicher dadurch, dass Sie in den vergangenen Jahren den ganzen Bereich der Hiwis und der Tutorien abgeschafft haben, um ihn jetzt neu aufzuziehen.
Die Mittel aus Studiengebühren sollen kapazitätsneutral eingesetzt werden. Wir haben im Sommer durch entsprechende Recherchen – ich sagte Ihnen ja, die Dinge kommen ans Tageslicht –
einen Brief an die Öffentlichkeit gebracht, der gezeigt hat, dass Sie keinerlei reguläre feste Stellen schaffen wollen. Sie legen jetzt ein bisschen nach. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch halten Sie im Grundsatz daran fest: Zusätzliche Stellen sollen nur kapazitätsneutral eingerichtet werden können. Ich halte das für völlig unverständlich, und es ist eine schädliche Einschränkung der Möglichkeiten, die Studienbedingungen zu verbessern,
vor allem angesichts des festgestellten Mangels an Studienplätzen. Wir brauchen mehr und besser ausgebildete Studierende. Das, was Sie vorhaben, ist schlicht inakzeptabel.
Wer behauptet, so die Lehre an den Hochschulen aufzuwerten, macht den Leuten etwas vor. Von Ihren Studiengebühren, Herr Minister Frankenberg, geht keinerlei Anreiz aus, die Lehre an den Hochschulen wirklich wichtiger zu machen.
In erster Linie liegt das Fehlen eines Anreizes daran, dass Sie den Studierenden nicht wirklich mehr Einfluss gewähren wollen.
Lehre wird erst dann wichtiger, wenn sich Hochschulen im Wettbewerb um Studierende kümmern müssen – mit attraktiven Angeboten, mit guter Lehre.