Protocol of the Session on November 30, 2005

Im Übrigen – das habe ich schon in der ersten Lesung gesagt – ist Ihr Gegenfinanzierungsvorschlag unrealistisch. Sie wollen die Landesstiftung auflösen und sagen, dass dadurch 1 Milliarde € erlöst werde.

(Abg. Schmiedel SPD: Mindestens!)

Das Finanzministerium hat nachgewiesen –

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

vielleicht wird nachher der Finanzminister noch etwas dazu sagen –, dass höchstens 450 Millionen € für den Landeshaushalt zu erwarten sind.

(Abg. Fischer SPD: Das stimmt nicht!)

Ihre Gegenfinanzierungsvorschläge sind unrealistisch, und deshalb müssen wir Ihre Anträge ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Nun zu den Anträgen der Grünen: Sie wollen einen Verzicht auf die Finanzierung von Messen, von Heilbädern, von Regionalflughäfen. Wir wollen im Rahmen der Strukturpolitik eine gleichmäßige Versorgung und Entwicklung im ganzen Land. Gerade auch im ländlichen Raum und in strukturschwachen Gebieten sind diese Mittel wichtig und richtig. Deshalb behalten wir sie in dem Umfang, wie sie im Haushalt sind, auch bei und können Ihren entsprechenden Anträgen nicht zustimmen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Schade!)

Auch Ihre Gegenfinanzierungsvorschläge, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, sind teilweise ausgesprochen windig.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Windräder?)

Sie schlagen vor, die internen Verwaltungsfachhochschulen zu öffnen, und sagen, das würde im nächsten Jahr Einsparungen von 9 Millionen € erbringen. Abgesehen davon, dass wir eine Öffnung für falsch halten, würden die 9 Milli

onen € im nächsten Jahr gar nicht erbracht werden, weil die Anwärter, die dann diese Fachhochschulen besuchen, bereits alle eingestellt sind. Man kann damit diese behaupteten Einsparungen also gar nicht erreichen.

(Zuruf des Abg. Dr. Schüle CDU)

Dann wollen Sie die Planungsmittel im Straßenbau reduzieren. Wir haben gerade im Nachtrag die Planungsmittel für den Straßenbau erhöht, um die entsprechenden Bundesmittel auch abrufen

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

und die entsprechenden Planungen zeitnah verwirklichen zu können. Dazu sind diese Mittel notwendig. Deshalb ist dieser Antrag der Grünen politisch falsch,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

und wir lehnen ihn, wie auch die anderen Anträge, ab.

Nun noch eine letzte Bemerkung zu Ihrem Entschließungsantrag für das Jahr 2015,

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Der ist doch toll!)

in dem Sie zum wiederholten Mal viele allgemeine Forderungen erheben. Teilweise – das will ich durchaus sagen – sind darin vernünftige Vorschläge enthalten, die wir aber auch bereits umsetzen. Wir bauen Personal in der Landesverwaltung ab: in den letzten Jahren vor der Verwaltungsreform in den Regierungspräsidien ein Drittel, jetzt bei den Ministerien – ich habe die Zahl vorhin genannt – 13 %.

Wir haben eine Verwaltungsreform gemacht. Diese ging zwar politisch in eine andere Richtung, als Sie das wollten, aber wir sind auch eine andere politische Partei. Wir sind jedoch mit einer Einsparrendite von 20 % schon in die richtige Richtung gegangen.

Wir setzen Schwerpunkte bei Arbeit und Wirtschaft und beim Kinderland Baden-Württemberg. Teilweise sind Ihre Forderungen in diesem Entschließungsantrag sehr unkonkret. Da es sich jetzt um einen konkreten Nachtrag handelt, können wir den pauschalen Forderungen in der Form, wie Sie sie hier erhoben haben, nicht zustimmen.

Lassen Sie mich zusammenfassend als Fazit zum Nachtragshaushalt für 2006 sagen: Es ist ein Nachtrag der Nachhaltigkeit. Wir setzen die Einsparungen der letzten Jahre fort. Wir bilden Schwerpunkte in wichtigen Bereichen, und wir senken die Nettoneuverschuldung.

Damit ist der Vorwurf, der von der Opposition erhoben wird, das Land habe mit dem Nachtrag nur unzureichend gehandelt, völlig unbegründet. Wir stimmen diesem Nachtragshaushalt geschlossen zu.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Ursula Haußmann: Jetzt sind wir überrascht! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schmid.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erwartungsgemäß wurde der Entwurf des Nachtragshaushalts durch die Beratung im Finanzausschuss nicht wirklich verbessert. Vielmehr wurde uns das Grunddilemma baden-württembergischer Finanzpolitik einmal mehr nachdrücklich vor Augen geführt: einerseits ein Staatshaushalt, der ausgepresst ist wie eine Zitrone und der auch im Wege des Nachtrags durch eine mutige Opposition nur in wenigen Schwerpunkten verändert werden kann, und andererseits ein üppig ausgestattetes Füllhorn im Nebenhaushalt der Landesstiftung, die zum eigentlichen Gestaltungsfeld der Landespolitik wird und dem Einfluss des Parlaments entzogen ist.

Während die Landesregierung beim Landeshaushalt von einem Schuldenrekord zum nächsten torkelt, haben andere Länder die Gefahr des süßen Gifts der Staatsverschuldung erkannt

(Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

und versuchen gegenzusteuern.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Die Niederlande zum Beispiel!)

So betrug die Zunahme der Pro-Kopf-Verschuldung im Jahr 2005 gegenüber dem Vorjahr in Brandenburg 1,7 %, in Rheinland-Pfalz 3,9 % und in Baden-Württemberg 4,4 %.

(Zuruf von der SPD: Oi! – Abg. Braun SPD: Spit- zenreiter!)

Im Nachtrag ist wieder deutlich geworden, dass die Landesregierung neue politische Akzente nur noch über die Landesstiftung setzen will und kann. Ein Beispiel ist die so genannte Zukunftsoffensive IV. Die Mittel dafür werden zwar im Haushalt veranschlagt, Änderungsanträgen im normalen parlamentarischen Verfahren sind sie jedoch nicht zugänglich. Denn wegen der Bindung der über die Zukunftsoffensive geförderten Projekte an die Gemeinnützigkeit sind Änderungsanträge, beispielsweise aus der Opposition heraus, gar nicht möglich.

Wir halten fest, dass die einzelnen Projekte der Zukunftsoffensive IV in der Sache alle begrüßenswert sind – deshalb werden wir im Endergebnis auch zustimmen –, wollen aber noch einmal darauf hinweisen, dass die Landesstiftung eine Fehlkonstruktion ist und wir es vorziehen würden, in einer Gesamtabwägung im Parlament befinden zu können, welche Prioritäten in einem Landeshaushalt zu setzen sind und was von nachrangiger Bedeutung ist.

(Beifall bei der SPD)

Die Gefahr, die die Landesstiftung mit sich bringt, wird auch an einem konkreten Projekt deutlich, nämlich bei der so genannten Weiterentwicklung des Projekts „Frau im Job“, die jetzt über die Zukunftsoffensive IV abgesichert werden soll, was aber ein klassischer Fall von Anschlussfinanzierung ist. Ein neues Projekt wird zurechtgeschneidert. Es erhält ein neues Gewand, aber im Kern wird ein altes, abgelaufenes Projekt der Landesstiftung weitergeführt. Man musste es aufwendig neu kleiden,

(Zuruf von der SPD: Tricks! – Zuruf der Abg. Ur- sula Haußmann SPD)

damit eine weitere Finanzierung durch das Land überhaupt möglich ist. Damit bestätigen Sie uns in unserer Grundsatzkritik an der Konstruktion der Landesstiftung: Über dieses Instrumentarium ist keine nachhaltige landespolitische Gestaltung möglich.

(Beifall bei der SPD)

Völlig perplex waren wir schließlich, als wir erfuhren, dass der sowieso schon mickrige Landesanteil am Programm zum Ausbau von Ganztagsschulen über die Landesstiftung finanziert wird. Aus unserer Sicht ist auch der Ausbau von Ganztagsschulen mithilfe von Landesmitteln eine Pflichtaufgabe. Wir können nicht recht nachvollziehen, dass dies über die Landesstiftung finanziert werden soll. Es beweist einmal mehr, dass die Landesregierung unfähig ist, im eigentlichen Landeshaushalt neue Akzente zu setzen.

Wir als SPD-Fraktion haben unsere Schwerpunkte im Rahmen der Beratung des Nachtragshaushalts deutlich gemacht und durch Anträge unterfüttert, die zum Teil auch jetzt in der Plenarsitzung wieder gestellt werden. Wir wollen mehr Geld für die Kinderbetreuung einsetzen, damit mehr Krippenplätze entstehen können, und – ganz wichtig – wir wollen die Ganztagsschulen mit zusätzlichem pädagogischem Personal ausstatten.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Sie haben jämmerliche 2 Millionen € für Jugendbegleiter an vielleicht 40 Modellschulen eingesetzt. Das reicht hinten und vorne nicht. Denn eines ist doch klar, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das Projekt Ganztagsschulen hat nur dann Sinn, wenn man es mit Entschlossenheit anpackt. Es reicht nicht aus, immer auf das Ehrenamt zu verweisen. Wir wissen doch ganz genau, dass Ganztagsschulen nur dadurch gewinnen, dass eine neue Form des Unterrichts stattfindet. Selbstverständlich gehören dazu die Erweiterung des klassischen Unterrichtsangebots durch naturräumliche Erkundung, Berufsorientierung, Sport und Spiel sowie den musisch-künstlerischen Bereich. Hier ist es durchaus denkbar, dass Ehrenamtliche ergänzend tätig werden, um an der Schule in der Fläche alle Begabungen zur Geltung kommen zu lassen.

Aber das Entscheidende ist doch – und das haben wir bei den Ganztagsschulen immer als pädagogische Substanz in den Vordergrund gerückt – die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler in Ganztagsschulen.

Es geht darum, Schwächere mitzunehmen und die Schwächen überhaupt erst einmal zu erkennen. Denn das erschreckende Ergebnis der ersten PISA-Studie war ja, dass die Lehrerinnen und Lehrer zum Teil gar nicht genau wussten, wer unter den Schülerinnen und Schülern nun wirklich Schwächen hatte. Dieses, also Schwächen zu erkennen und Schwächere mitzunehmen, kann aber nur ein pädagogisch geschultes Personal leisten, und dies geht auch nur mit einem ausgereiften pädagogischen Konzept.

Sie bringen die Landespolitik insgesamt in die große Gefahr, dass das ganze Vorhaben, die Ganztagsschulen in Baden-Württemberg durchzusetzen, in einer großen Enttäuschung endet. Denn dadurch, dass Sie nur ein bisschen eh

renamtliche Betreuung „drankleben“, diskreditieren Sie den gesamten Ansatz, durch Ganztagsschulen eine bessere Pädagogik an die Schulen zu bringen.