Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst – Pläne der Landesregierung zur Einführung von Studiengebühren an baden-württembergischen Hochschulen – Drucksache 13/4250
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
(Abg. Seimetz CDU: Der Herr Staatssekretär ist doch da! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Bitte da- rüber abstimmen! Vom Wissenschaftsministerium sitzt niemand auf der Ministerbank! – Weitere Zu- rufe, u. a. Abg. Fleischer CDU: Nicht zitieren, son- dern eher bitten! – Minister Dr. Frankenberg betritt den Plenarsaal.)
Herr Minister Dr. Frankenberg betritt gerade den Saal. Damit ist dem Begehren der Antragstellerin Rechnung getragen.
Frau Bauer, Sie haben das Wort! Sie waren noch zu sehr mit dem Erscheinen des Ministers beschäftigt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was hat die Landesregierung im Zusammenhang mit der Einführung von Studiengebühren nicht alles versprochen! Die Lehre an den Hochschulen soll besser werden, die Studierenden sollen mehr Mitspracherechte erhalten, zusätzliche Einnahmen sollen zu 100 % den Hochschulen zugute kommen, und niemand soll aus finanziellen Gründen vom Studieren abgehalten werden.
Jetzt liegen die Pläne auf dem Tisch. Es zeigt sich: Leere Versprechungen, Minister Frankenberg hält sein Wort nicht.
gegenüber Hochschulen, gegenüber der Öffentlichkeit und insbesondere gegenüber den Eltern und den Schülerinnen und Schülern, die künftig an die Hochschulen wollen.
Zur sozialen Abschreckungswirkung: Allgemein ist festzustellen: Jede zusätzliche finanzielle Belastung hat bei der Entscheidung Gewicht, ob sich jemand zutraut, ein Studium aufzunehmen.
Das weiß die Landesregierung auch. Deshalb hat sie in ihren Referentenentwurf ja folgende bemerkenswerte Regelung aufgenommen: Kinder aus kinderreichen Familien dürfen ab dem dritten Kind, sofern sie alle studieren, gebührenfrei an die Hochschulen. Hätte dieses Modell und hätten die Studiengebühren keine abschreckende Wirkung, brauchte man eine solche Regelung nicht zu treffen. Dann könnte das dritte Kind seine Gebühren ja auch nachlaufend zahlen.
An diesem Beispiel erkennt man also: Die Landesregierung weiß durchaus, dass Studiengebühren eine zusätzliche Belastung sind, mit der man hochsensibel umgehen muss.
Tatsache ist, dass schon heute Kinder aus Elternhäusern, die der Mittelschicht angehören, sich verstärkt gegen ein Studium entscheiden. Das sind genau diejenigen, die heute weder vom BAföG profitieren noch von den Kinderfreibeträgen für Besserverdiener. Sie entscheiden sich schon jetzt tendenziell eher gegen ein Studium. Das können wir uns nicht leisten. Genau für diese Gruppe hat das Studiengebührenmodell der Landesregierung keine Antwort.
Zur versprochenen studentischen Mitsprache: Das steht nur im Vorwort des Referentenentwurfs. Schaut man sich das Modell genau an, dann sieht man: Die Entscheidung über die Verwendung zusätzlicher Einnahmen aus Studiengebühren liegt allein beim Rektorat. Da werden Finanzentscheidungen getroffen. Studierende haben keine verbindliche Mitsprache. Es wird nicht einmal eine Rechenschaftslegung gegenüber den Studenten und der Hochschulöffentlichkeit im Gesetz festgelegt. Fazit: Keine Spur davon, dass mit dem Modell der Einfluss von Studierenden erhöht wird.
Drittens, das versprochene frische Geld zu 100 % in den Händen der Hochschulen: Damit hat die Landesregierung die Hochschulleitungen geködert. Auch die sehen sich jetzt getäuscht. Denn die Regelung der Zweckbindung – 100 % der Einnahmen für die Lehre an den Hochschulen – steht nur auf dem Papier. Tatsache ist, die Hochschulen müssen aus eigenen Mitteln die Kosten für das Eintreiben der Schulden und für die ausgefallenen Kredite aufbringen. Sie müssen das aus ihren eigenen Mitteln bestreiten. Die Hochschulen selbst rechnen damit, dass durch dieses Modell am Ende ganze 60 % übrig bleiben, die man in Maßnahmen zur Verbesserung der Lehre stecken kann. Der Grund: Der Minister hat mit den Banken schlecht verhandelt.
mit attraktiven Zinsen, keinerlei Verlustrisiko, ganz wenig Verwaltungsgeschäft und einer attraktiven künftigen Kundschaft. Die Suppe der Lasten auslöffeln, das können die Hochschulen. Fazit: Die Landesregierung bricht ihr Versprechen auch da. Den Hochschulen stehen nicht 100 % der Einnahmen zur Verfügung, sondern es wird nach dem Prinzip „Linke Tasche – rechte Tasche“ agiert: Auf der einen Seite wird den Hochschulen etwas gegeben, auf der anderen Seite wird es ihnen gleich wieder genommen.
Jetzt zur versprochenen Verbesserung der Lehre. Da gibt es tatsächlich Handlungsbedarf. Die Lehre an den Hochschulen muss tatsächlich verbessert werden. Ich rede von überfüllten Vorlesungssälen, davon, dass es zu wenig Laborplätze gibt, dass es zu wenig Betreuungspersonal gibt. Ich erinnere an die Situation der Studierenden, die einen Schein nicht machen können, weil das Seminar voll ist. Dann können sie das Folgeseminar auch nicht besuchen und verlieren ein ganzes Jahr – also zu lange Studienzeiten. Sie kennen das wahrscheinlich alle auch. Da brauchen wir in der Tat Abhilfe. Das hat der Wissenschaftsminister versprochen, zum Beispiel am 22. September in einem Chat bei der „Badischen Zeitung“. Da hat er mit Studierenden über die Studiengebühren diskutiert.
Aber ich glaube, er musste zu diesem Zeitpunkt schon wissen, was er da sagt. Er wurde von Studenten gefragt: „Wie viele neue Arbeitsplätze schaffen Sie durch die Studiengebühren?“ Er antwortete in dem Chat – ich zitiere –:
Die Verwaltungskosten sind gering, sodass dieser Effekt auf dem Arbeitsmarkt gering ist. Auf der anderen Seite entstehen neue Mitarbeiterstellen an den Hochschulen sowie eine große Zahl neuer Tutoren- und Mentorenstellen.
Ein großer Teil der verwendbaren Gebühreneinnahmen von ca. 150 Millionen € wird in zusätzliche Stellen an den Hochschulen fließen.
Das klingt gut, stimmt aber nicht. Schon am 22. August, also einen Monat vorher, ist aus dem Wissenschaftsministerium ein Brief an die Hochschulen in Baden-Württemberg gegangen – er war nicht für die Öffentlichkeit gedacht, ist jetzt aber trotzdem in der Öffentlichkeit –, ein Brief über die geplante Verwendung der Einnahmen aus Studiengebühren. In dem Brief warnt das Ministerium die Häuser. Ich zitiere:
Das Ministerium warnt, durch zusätzliche Professoren oder andere Wissenschaftler die Betreuungsrelation zu verbessern. Vielmehr müssten dann aufgrund zusätzlicher Stellen entsprechend mehr Studienanfänger aufgenommen werden.
Weiter warnt das Ministerium davor, zusätzliches Personal einzustellen, zum Beispiel für Übungsklausuren, für Examenskurse, sofern es sich um hauptamtliches Personal handelt. Auch Lehrbeauftragte können aus diesen Mitteln nur dann eingestellt werden, wenn es um Angelegenheiten geht, die gerade außerhalb des regulären Studienplans liegen und sozusagen freiwillige Zusatzleistungen sind.
Also im Klartext: Alle regulären Stellen und professionellen Personalmaßnahmen zur Verbesserung der Lehre werden explizit ausgeschlossen: kein zusätzlicher Übungsleiter,
keine Entlastung des Laborpersonals, keine Entlastung bei Klausuren, Examina und Hausarbeiten, keine Ausweitung des wissenschaftlichen Mittelbaus zur Verbesserung der Lehre, und zwar deshalb, weil die Landesregierung partout den Preis nicht zahlen will, dafür zusätzliche Studienanfänger aufzunehmen. Genau das ist doch bitter nötig, wie wir auch heute Morgen schon besprochen haben, um dem so genannten Studentenansturm zu begegnen, dem eine sinkende Anzahl von Studienanfängerplätzen gegenübersteht. Aber das Ministerium macht an dieser Stelle Schotten dicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, von zusätzlichen Stellen, die gezielt zur Verbesserung der Lehre eingesetzt werden, würden sowohl Studierende profitieren, die schon an der Universität sind, als auch diejenigen, die noch dorthin wollen. Nur mit solchen zusätzlichen Stellen ist den Studierenden geholfen, die jetzt keinen Platz im Seminarraum bekommen. Stattdessen bekommen sie nach dem vorgesehenen Plan erneuerte Sitzkissen, frisch tapezierte Bibliotheken oder eine Verbesserung bei der psychosozialen Betreuung. Es kann sein, dass sie diese auch in Anspruch nehmen müssen, wenn sie merken, dass mit ihren Mitteln aus den Studiengebühren die Lehre nicht tatsächlich verbessert wird.
Herr Minister Frankenberg, Sie haben alle Ihre Versprechungen bezüglich der Studiengebühren nicht eingelöst. Sie haben versucht, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen.
(Abg. Rückert CDU: Ha no! – Abg. Kübler CDU: Das ist ja eine Frechheit! – Gegenruf des Abg. Walter GRÜNE: Stimmt, das ist eine Frechheit! So etwas macht man nicht!)