Protocol of the Session on November 10, 2005

Meine Damen und Herren, mittlerweile hat selbst der noch amtierende Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement in mehreren Schreiben festgestellt, dass es sich bei der Wohngeldentlastung nur um das Nettoprinzip handeln kann. Der Herr Sozialminister hat das auch schon angesprochen. Die Sozialministerkonferenz, die 2004 in Baden-Württemberg am Bodensee getagt hat,

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

ist zu derselben Erkenntnis gelangt. Alle anderen Bundesländer sehen das auch so. Ich gebe zu, Nordrhein-Westfalen geht einen etwas anderen Weg, kommt aber im Ergebnis zum selben Schluss.

Meine Damen und Herren, festzuhalten ist, dass wir als Land Baden-Württemberg nur das weitergeben können, was wir per Saldo auch durch Hartz IV in der Tasche behalten.

Festzuhalten ist ferner, dass die Umsatzsteuerbelastung zugunsten der Kommunen im Osten genauso Teil von Hartz IV ist wie die Wohngeldentlastung und deswegen mit berücksichtigt werden muss. Fakt ist: Das Land gibt jeden Cent der ihm verbleibenden Entlastung voll an die Kommunen weiter. Aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion ist das Nettoverfahren sachgerecht.

Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Weckenmann.

(Abg. Rückert CDU: Genauso kurz und knapp!)

Das hätten Sie gern.

(Abg. Rüeck CDU: Auch ein schwarzes Top! – Ge- genruf des Abg. Schmiedel SPD: Wo hat der seine Augen?)

Lieber Kollege Rüeck, extra wegen Ihnen. Aber Sie sehen: Rot überwiegt.

(Abg. Rüeck CDU: Das hätte mich auch gewun- dert! Aber ich stehe zur Koalition! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Er hat es nur mit den SPD-Frauen! Ich bin heute ganz schwarz!)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, Sie haben einen Problembereich angesprochen, nämlich die Entlastung, die der Bund mit den 2,5 Milliarden € geregelt hatte. Das war ein Vorschlag der alten Bundesregierung. Die neue Regierung wird sich in dieser

Frage darüber einigen müssen, ob die Entlastung in dieser Form kommt oder nicht. Das werden wir nach Vorlage aller Zahlen gemeinsam verantworten müssen.

Ich denke, ein anderer Bereich müsste heute im Mittelpunkt stehen. Herr Minister Renner, Sie haben auch bei der „Pro Arbeit“ gesagt: „An der Zusammenlegung von Arbeits- und Sozialhilfe wollen wir nicht rütteln.“ Das halten wir alle für richtig. Damit ist natürlich auch eine neue Finanzierungsverantwortung verbunden. Bislang hatten sich Bund und Land die Ausgaben für die Wohngeldempfänger bei Arbeitslosen- und Sozialhilfe geteilt. Jetzt wird das den Stadtund Landkreisen übertragen. Die werden durch den Wegfall der Sozialhilfe entlastet, werden aber mit den Kosten für Unterkunft und Heizung belastet.

Der Bund verlangt jetzt durch die Neuregelung, dass die Länder ihrerseits die Einsparung, die sie ja tatsächlich erhalten haben, an die Stadt- und Landkreise weitergeben. Nach Ihren eigenen Berechnungen spart das Land BadenWürttemberg durch die Hartz-IV-Regelungen im Wohngeldbereich im Jahr 2005 132 Millionen € ein, die das Land für diesen Bereich nicht mehr ausgeben muss. Die Kommunen sagen, es sei sogar mehr. Das heißt, dass Baden-Württemberg ohne das Hartz-IV-Gesetz im Jahr 2005 mindestens die Summe von 132 Millionen € für Wohngeld hätte ausgeben müssen. Ich glaube, da sind wir uns einig.

Die Frage ist, was das Land jetzt tut. Da haben wir nach wie vor eine unterschiedliche Bewertung. Das Land verrechnet die Umsatzsteuerverteilung mit den Ersparnissen und gibt eben nur 33 Millionen € weiter. Das bezeichnet das Land als Nettoweitergabe. Die Stadt- und Landkreise müssen aber die Kosten für Unterkunft und Heizung, die das Land jetzt nicht mehr bezahlt, tragen. Denen ist mit der Weitergabe also nicht geholfen. Deswegen wehren sich die Vertreter der kommunalen Landesverbände. Die haben das in folgender Weise salopp formuliert – ich bitte das Zitat einfach so zu nehmen, wie es gefallen ist –: „An den Händen des Landes klebt das Geld der Kommunen.“ Auf Kosten der Kommunen – es ist eine Aufgabe, die das Land nicht mehr leisten muss; das gebe ich zu – wird jetzt der Landeshaushalt saniert. Da drängt sich schon der Verdacht auf, ob das ähnlich wie bei der Schulsozialarbeit ist, nämlich dass das Land eine Aufgabe, die es nicht finanzieren will, einfach an die Kommunen delegiert.

Vor diesem Hintergrund sind wir der Meinung, dass es nicht richtig ist, den Kommunen dieses Geld vorzuenthalten, weil sie diese Kosten ja wirklich tragen müssen. Deswegen können wir als Landtagsfraktion dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Wort Hartz IV ist ja ein Reizwort geworden, weil die Idee – das sagen alle –, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenzulegen und damit eine zielgenauere Leistung an die Betroffenen zu ermöglichen,

schlicht und einfach handwerklich falsch umgesetzt worden ist. Ich beginne mit dem, was auch Sozialminister Renner gesagt hat: Wir hätten uns vorgestellt, dass man das sehr viel stärker auf die kommunale Ebene herunterzoomt. Denn dabei ist klar geworden, was Dirk Niebel im Bundestagswahlkampf immer wieder gesagt hat:

(Abg. Schmiedel SPD: Wer ist Dirk Niebel?)

Diese Mammutbehörde Bundesagentur mit fast 100 000 Beschäftigten ist schlicht nicht reformierbar. Deswegen hoffe ich sehr, dass das, was von den beiden großen Fraktionen gemeinsam handwerklich schlecht gemacht worden ist, jetzt beim Korrekturversuch, insbesondere auch bei dem angesprochenen Thema Bedarfsgemeinschaften, überdacht wird und hinterfragt wird, ob das alles so bleiben kann, wie es ursprünglich war. Da muss man zu vernünftigen Lösungen kommen. Da wollen wir auch überhaupt keine Blockade betreiben, sondern ich glaube, das ist richtig.

Zum zweiten Punkt: Es war ja Revision angekündigt. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Die Revision, die Herr Clement dann angekündigt hat, wonach man entgegen vorliegenden Zahlen statt der in Aussicht gestellten 29-prozentigen nun eine 0-prozentige Entlastung will,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist ein starkes Stück!)

obwohl der Landkreistag sagt: „Wir haben 34 % Mehrbelastung bei den Kosten für Unterkunft und Heizung“, zeigt, glaube ich, dass man auch das Thema Revisionsklausel wirklich zur Farce macht. Ich rufe also Sie, die jetzt wohl in Berlin gemeinsam in Regierungsverantwortung stehen werden, dazu auf, sich im Interesse der Kommunen dieses Thema noch einmal gründlich anzuschauen und auf der Basis der Daten, die dann vorliegen, endlich zu einer fairen Lösung zu kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Eine kleine Anmerkung am Rande: Die Sonderergänzungszuweisungen Ost werden als von Gott gegeben hingenommen. Aber es wird ja auch darüber diskutiert – gerade auch jetzt in den Koalitionsverhandlungen –, ob die Leistungen für ALG-II-Bezieher in den östlichen Bundesländern überhaupt verändert, sprich angehoben werden müssen. Das hätte unserer Meinung nach dann auch Auswirkungen auf die Gesamtsumme und auf die Frage, ob diese 1 Milliarde € Ergänzungszuweisungen überhaupt noch in dieser Höhe und in dieser Form notwendig sind. Sie sehen: Wenn man da zu einer vernünftigen Regelung kommt, wird vielleicht tatsächlich auch im Land netto mehr weiterzugeben sein.

Jetzt zum Streitpunkt: Es ist in der Tat nicht schön, aber als Land können wir in der derzeitigen Situation tatsächlich nur die Nettoentlastung sehen. Da können wir schon zwischen brutto und netto unterscheiden. Es geht um das, was wir einerseits an Entlastung beim Wohngeld haben und was die Kommunen andererseits an Belastungen für Unterkunft und Heizung haben. Wir werden tatsächlich nur diese 33 Millionen €, die nach Abzug der 99 Millionen € Sonderergänzungszuweisungen an die östlichen Bundesländer netto übrig bleiben, weitergeben können – genau wie alle anderen Länder. Da klebt überhaupt kein Geld, sondern ich denke,

das ist ein fairer Kompromiss, weil diese Sonderergänzungszuweisung ja praktisch die Solidarität der Kommunen im Westen mit den Kommunen im Osten ausdrücken sollte. Also ist es auch sachgerecht, dass wir diesen Teil der Sonderergänzungszuweisungen tatsächlich nicht als Land schultern können, sondern dass wir die Entlastung nur netto an die Kommunen werden weitergeben können.

Lassen Sie mich abschließend sagen, dass wir nach meiner Einschätzung auch bei dem Thema Tagesbetreuungsausbaugesetz – das haben wir den Kommunen ja auch in diesen Diskussionen versprochen, Herr Kollege Renner – genauso darauf hinweisen werden, dass auch hier eine Luftbuchung an Entlastungen eingestellt worden ist, mit der der Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten für unter Dreijährige geleistet werden soll. Diese Entlastungen sind nicht gekommen. Nun will ich überhaupt nicht bestreiten, dass man vielleicht nicht alles wirklich auf den Cent genau schätzen kann. Aber wenn man so grob daneben gelegen hat, dann muss man halt auch zugeben, dass man von falschen Datenbasen ausgegangen ist.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Dann muss man sich gemeinsam überlegen, wie wir da künftig Korrekturen setzen können, um eine faire Lastenverteilung zu bekommen und im Prinzip das, was wir in Sonntagsreden immer fordern, nämlich die Konnexität, herzustellen und die Kommunen nicht mit den zusätzlichen Belastungen allein zu lassen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Trotzdem stimmen wir diesem Ausführungsgesetz – es handelt sich ja nur um ein Ausführungsgesetz – in dieser Form zu, damit wenigstens das, was verteilt werden kann, jetzt bei den Kommunen ankommt.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Sitzmann.

(Zuruf des Abg. Seimetz CDU)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf regelt vor allem Finanzfragen zu Hartz IV, bei denen das Land als Vermittlungsebene zwischen dem Bund und den Kommunen steht. Genauso wie bei der Aushandlung von Gesetzen auf Bundesebene, wo das Land die Interessen der Kommunen vertritt, sind unsere Kommunen jetzt natürlich auch bei diesem Gesetz darauf angewiesen, dass das Land sie fair behandelt.

Jetzt hat dieser vorliegende Gesetzentwurf keinen sehr großen Regelungsumfang, und in weiten Teilen können wir ihm zustimmen. Wir haben allerdings einen Kritikpunkt, den ich heute in der ersten Lesung einbringen und bei dem ich an die Landesregierung appellieren möchte, ihn zu prüfen. Es geht darum, wer die Wohngeldentlastung in den nächsten Jahren festsetzt, also um die Frage, wie viel Geld an die Kommunen weitergeleitet wird.

Wir sind der Ansicht, dass das nicht einseitig von der Landesregierung festgesetzt werden darf, sondern dass die Kommunen, die das auch schon in der Anhörung eingebracht haben, Recht haben, wenn sie sagen, dass das nicht eine einfache buchhalterische Rechnung ist, sondern dass es Verhandlungsmasse gibt.

Für uns heißt das, dass ein Anhörungsrecht der Kommunen nicht ausreicht. Wir fordern vielmehr, dass die Wohngeldentlastung auch im Einvernehmen mit den Kommunen vorgenommen wird. In der ablehnenden Begründung der Landesregierung wird die Frage aufgeworfen, was man macht, wenn man sich nicht einigen kann. In Bayern gibt es ein Konsultationsverfahren

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

mit eingebauter Schlichtung zwischen Land und Kommunen. Das könnte hier ein gutes, faires und sachgerechtes Verfahren rechtfertigen. Insofern bitte ich Sie, das zu prüfen.

Für uns ist klar, dass Hartz IV nicht zu einer Kostenfalle für die Kommunen werden darf. Die versprochene Entlastung von 2,5 Milliarden € muss kommen. Daran hängt auch die Kinderbetreuung. Wir alle in diesem Haus sind uns mittlerweile einig, dass in diesem Bereich etwas passieren muss. Damit die Arbeitsmarktreformen erfolgreicher werden, als sie bislang sind, brauchen wir das Engagement der Kommunen. Deshalb können wir auf diese 2,5 Milliarden € Entlastung nicht verzichten. Dieser Anspruch hat für die alte Bundesregierung gegolten, und er gilt selbstverständlich auch für die neue Bundesregierung.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Richtig! – Beifall der Abg. Dr. Noll und Beate Fauser FDP/DVP sowie Brigitte Lösch GRÜNE)

Genau, genau.

Wir wissen jetzt noch nicht genau, was in der großen Koalition zum Thema Arbeitsmarktpolitik beschlossen wird. Man hört immer wieder einzelne Teile. Klar ist: Die Mehrwertsteuer soll wohl um drei Prozentpunkte erhöht werden. Aber die Lohnnebenkosten sollen nicht im gleichen Umfang gesenkt werden. Ich habe in der vorherigen Debatte gesagt, dass auch der Ministerpräsident versprochen hat, dass die Mehreinnahmen aus einer Erhöhung der Mehrwertsteuer in die Senkung der Lohnnebenkosten gehen müssen.