Trotzdem ist richtig, dass man die Zustimmungsrechte des Bundesrats zurücknimmt, weil der Anteil der zustimmungspflichtigen Gesetze auf bis zu 60 bis 70 % angewachsen ist. Wir wissen: Wir geben damit zwar ein Stück weit die Möglichkeit zur Einwirkung auf die materielle Gesetzgebung
des Bundes auf. Das nehmen wir aber hin, weil wir gleichzeitig originäre Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder zurückholen.
Kurzum: Das ist gut so, wird sich aber in der Praxis bewähren müssen. Wir werden sehen, wie sich jetzt dieses System von „Checks and Balances“ zwischen Ländern und Bund konkret auswirkt.
Das Zweite kann wohl nicht hoch genug eingeschätzt werden: die Stabilisierung der Situation der kommunalen Finanzen. Künftig darf der Bund – das ist angesprochen worden – nicht mehr einfach nur Aufgaben an Landkreise, Gemeinden und Städte vergeben, ohne die Finanzauswirkungen zu bedenken und zu berücksichtigen. Es ist jetzt vielmehr Sache der Länder, zu entscheiden, was sie den Gemeinden, Städten und Landkreisen aufbürden.
Daraus entsteht aber ganz klar eine neue Verantwortung der Länder. Denn jetzt gilt ausschließlich das, was in unserer Länderverfassung geschrieben steht, glasklar, dass man nämlich eine Aufgabe nur dann an Gemeinden und Städte abgeben darf, wenn man auch die Finanzierung sicherstellt. Das wird natürlich in der Gesamtheit all dessen, was an öffentlicher Aufgabentätigkeit an die kommunale Basis geht, wirksam. Das bedeutet also Klarheit und Wahrheit.
Ich denke – und das sollten die Kommunen wissen –, damit haben die Länder gezeigt, dass sie die Anliegen der Kommunen ernst nehmen. Denn die Klage der Kommunen war doch immer die: Die auf Landes- und Bundesebene denken nicht daran, wie es sich auswirkt und was es kostet, und die Letzten beißen die Hunde.
Sprich die Letzten, die Kommunen, bezahlen und löffeln es aus. Das ist jetzt geändert. Das heißt, die Bereitschaft zur Stabilisierung der Situation der kommunalen Finanzen ist kein Lippenbekenntnis mehr, sondern verfassungsrechtlich, sage ich einmal, in Beton gegossen.
Ich habe es angesprochen: Abweichungskompetenz als neues Gesetzgebungsinstitut. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das wird sich bewähren müssen. Das ist ein interessantes Instrumentarium des Wettbewerbsföderalismus. Es gab ein Beispiel, an dem man exemplarisch aufzeigen konnte, dass das wohl der einzig sinnvolle Weg ist: Das war die Umweltgesetzgebung.
In der Umweltgesetzgebung hat der Bund ja in der Tat die Möglichkeit, ein Umweltgesetzbuch zu schaffen, und die Länder, die der Auffassung sind, dass eine Abweichung vonnöten ist, können von dieser Abweichungskompetenz künftig Gebrauch machen. Ich glaube, an diesem Beispiel wird eindeutig klar: Es muss in Sachen Umwelt zunächst ein Bundesgesetz geben. Das kann man nicht partikular machen, da darf man keine Fragmentierung zulassen. Aber wenn Länder sagen, in einzelnen Bereichen gebe es regionale Besonderheiten und besondere regionale Interessen – das geht in den Anforderungen nach oben und nach unten –,
ermöglicht es die Abweichungskompetenz den Ländern, ihren eigenen politischen Willen durchzusetzen. Ich bin gespannt, wie sich das in diesem Bereich bewährt. Denn zum Schaden dessen, was wir vernünftige Umweltpolitik nennen, darf es ja nicht gehen. Aber die Freiheit, die ich gewähre, heißt: Man kann die Standards nach oben wie nach unten anpassen und auch die Finanzierung bei der Umweltpolitik nach oben und nach unten befördern. Das soll sich jetzt in der konkreten Praxis erweisen.
Finanzverfassungsrecht: Ich denke, das Wichtigste ist, dass sich die große Koalition vornimmt – am besten im Koalitionsvertrag; so ist es wohl auch vorgesehen –, in den nächsten Jahren, die überschaubar sind, das Finanzsystem neu zu ordnen. Ich glaube, es wäre gefährlich gewesen, das schon jetzt, in diesen wenigen Tagen der Koalitionsverhandlungen, zu versuchen. Das ist zu diffizil.
Dazu gehört eine Aufgabenkritik, gleichzeitig damit die Frage der Privatisierung und im Ergebnis die Entscheidung: Was muss ich finanzieren, und wem ist die Finanzierung anzulasten, weil ganz konkret bei ihm die entsprechende Aufgabe ansteht? Das ist ein Prozess, der sofort beginnen sollte. Aber er braucht seine Zeit.
Ich denke, das ist eine Chance. Ich sehe in der Diskussion, wenn sie gründlich geführt wird, nämlich zur Aufgabendeklinierung, Aufgabenbeschreibung und Finanzbeschreibung, auch die Hoffnung, die wir alle haben: dass am Ende des Tunnels vielleicht doch noch eine Länderneugliederung stehen könnte. Denn wenn ich mich über die Aufgabe unterhalte und beschreibe, was das Produkt kostet, dann komme ich wirklich auf den Punkt der Wahrheit, dass kleine Länder und Stadtstaaten finanzwirtschaftlich kaum eine Zukunft haben. Ich könnte mir wirklich vorstellen, dass in diesem Prozess auch die Chance begründet ist, anschließend zu einer Länderneugliederung zu kommen.
Kurzum: Die Situation ist gut. Ich nehme an, dass die Scharmützel von früheren Bundesministern und noch aktiven Sprechern von Fraktionen bald zu Ende sind; denn man wird sich jetzt dem Ganzen unterordnen müssen.
Ich gebe zu: In dem Verfahren war die Diskussion auf der Bundesebene und auf der Landesebene hie und da sicherlich nicht immer ganz intensiv. Aber solche Prozesse brauchen auch einen Akt der Beschleunigung, brauchen die Kraft der geschaffenen Fakten. Deswegen bin ich sicher, dass dies Teil einer erfolgreichen großen Koalition sein wird. Wenn da alle zustimmen, dann ist es geradezu eine übergroße fraktionsübergreifende große Koalition. Dafür möchte ich danken.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aktuelle Debatte und Tagesordnungspunkt 1 sind damit erledigt.
a) Aktuelle Debatte – Die Wirtschaftspolitik der Landesregierung verhindert Investitionen und neue Arbeitsplätze in Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion der SPD
b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Umweltministeriums – Industriestandort BadenWürttemberg sichern: Gute Rahmenbedingungen für industrielle Arbeitsplätze in Mannheim – Drucksache 13/4271
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat die üblichen Redezeiten für die Aktuelle Debatte festgelegt: für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen fünf Minuten und für die Redner in der zweiten Runde ebenfalls fünf Minuten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Wirtschaftspolitik der Landesregierung verhindert Investitionen und neue Arbeitsplätze in Baden-Württemberg. Wahnsinn! Bei einem Haushalt, der die geringste Investitionsquote aller Länderhaushalte in Deutschland aufweist, verhindert die Landesregierung private Investitionen in diesem Land. Wahnsinn!
Beispiel 1: Großkraftwerk Mannheim. Nicht, dass Sie nicht wüssten, worum es geht! Der Ministerpräsident, damals noch Fraktionsvorsitzender, hat am 18. Februar hier im Landtag gesagt:
Die Frage ist, … ob dort ein neues Kraftwerk gebaut wird oder ob Mannheim – unser Sorgenkind auf dem Arbeitsmarkt – weitere Arbeitsplätze verliert.
Ich bin zur Sicherung des Energiestandorts BadenWürttemberg auch bereit, mit den Energieversorgern über den Wasserpfennig zu verhandeln.
Was passiert? Die Akte „Großkraftwerk Mannheim“ wandert von der Stadt zum Regierungspräsidium und dann zum Ministerium und wieder zurück. Keine Entscheidung für die Vergangenheit, keine Lösung für die Zukunft, keine Investition in Mannheim und keine neuen Arbeitsplätze.
Sie vergrämt Investoren, sie macht aus jeder Windkraftanlage eine Staatsaffäre. Deshalb wird hier nicht investiert.
Auch hier könnte die Regierung wissen, welche Chancen in dieser Technologie liegen, wenn sie nicht ideologische Scheuklappen tragen würde.