Protocol of the Session on November 10, 2005

sondern wieder verschoben hat.

(Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Ein Grund dafür ist natürlich, dass die Länderneugliederung fehlt.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Da sind wir völlig beiei- nander!)

Ich möchte noch einmal an den Artikel 29 des Grundgesetzes erinnern. Da heißt es nämlich:

Das Bundesgebiet kann neu gegliedert werden, um zu gewährleisten, dass die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können.

Dass dies viele Länder nicht können, liegt auf der Hand. Also der Grund für die Länderneugliederung ist schon in der Verfassung klar angegeben.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: So ist es!)

Wenn es zu dieser Länderneugliederung kommt, dann werden die vielen Nehmerländer, die nicht in der Lage sind, zum Beispiel Hochschule und Bildung wirklich selbstständig zu organisieren, immer gegen eine Reform der Länderfinanzverfassung sein. Dass das nun Gestaltungsföderalismus nicht ermöglicht, sieht jeder. Also wäre es auch hier einmal richtig gewesen, von der großen Koalition ein Signal zu bekommen, dass wir hier weiter vorankommen und damit auch die Finanzverfassung zwischen Bund und Ländern modernisieren und die Zuständigkeiten klarer trennen können.

Denn wir sehen: Bis auf die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau und die alleinige Zuständigkeit der Länder für die Bestimmung des Grunderwerbsteuersatzes hat in den Finanzbeziehungen so gut wie keine Änderung stattgefunden. Aber letztlich braucht die Länderseite auch Möglichkeiten, auch auf der Einnahmenseite tätig zu werden.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Genau!)

Wir können ja bislang immer nur ausschließlich auf der Ausgabenseite tätig werden.

Für einen Staat – der wir als Land ja sind – ist es natürlich merkwürdig, auf der Einnahmenseite überhaupt nichts machen zu können. Es ist deshalb auch zu kritisieren – darüber gab es in der Kommission, in der Abteilung Finanzen, in der der Kollege Drexler mitgearbeitet hat, ja Einigkeit –, dass zum Beispiel nicht wenigstens ein Steuertausch von Kfz-Steuer und Versicherungsteuer stattfindet, damit die Kfz-Steuer abgeschafft werden kann. Nicht einmal das ist geschehen. Die Länder haben auch keine Hebesatzrechte auf die Lohn- und Einkommensteuer.

Hier hoffen wir, dass es dann auch wirklich zu dem von der FDP/DVP dankenswerterweise gemachten Vorschlag, das noch aufzugreifen, kommt und die allgemeine Finanzverfassung weiterentwickelt wird.

Ich möchte aber zum Schluss noch einen weiteren massiven Kritikpunkt anbringen: Artikel 33 Abs. 5 des Grundgesetzes, wonach das öffentliche Dienstrecht nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zu regeln ist, wird nach wie vor so gut wie nicht geändert.

(Zuruf des Abg. Schmid SPD)

Wir haben jetzt leider nur die winzige Zusatzformulierung in Artikel 33 Abs. 5, dass das Beamtentum zu regeln „und fortzuentwickeln“ ist. Ob das in der Substanz irgendetwas bringt, möchte ich bezweifeln. Ich finde, dass dieser Artikel 33 Abs. 5 ersatzlos gestrichen gehört.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Artikel 33 Abs. 4 lautet:

Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

Daher reicht es vollkommen aus, einfach gesetzlich zu regeln, wie der öffentliche Dienst zu organisieren ist. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, die aus der Weimarer Republik stammen, sind uns ein unglaublicher Klotz am Bein bei der Aufgabe, die eigene Verwaltung im Land durchgreifend zu reformieren. Wir haben es x-mal im Finanzausschuss erlebt, wie auch bescheidene Reformansätze durch Artikel 33 Abs. 5 und die entsprechende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingeschränkt werden und wir wegen dieses Artikels kaum reformfähig sind. Wer aber die Haushaltslage der Länder kennt, weiß, dass hier Reformbedarf besteht.

Aber wir haben natürlich auch die Möglichkeit – das sei noch einmal an die Adresse der Landesregierung gesagt –, den Beamtenstatus für Lehrer vollkommen abzuschaffen. Dieser ist unnötig. Er wälzt die Pensionslasten nur auf die Zukunft ab. Es ist nur dann billiger, wenn wir die Lehrer einstellen. Spätere Generationen müssen die Zeche dafür zahlen. So etwas brauchen wir nicht. Deswegen muss, wenn die große Koalition diesen Artikel schon nicht ändert, wenigstens auf Länderseite überprüft werden, wo wir im öffentlichen Dienst wirklich Beamte brauchen und wo das überflüssig ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Beate Fau- ser und Dr. Noll FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Stächele.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Reform des Föderalismus in Deutschland scheint ja zu einem ersten guten Ende zu kom

men – ich betone ausdrücklich: zu einem ersten guten Ende. Aber ich möchte, dass ein bisschen Freude aufkommt.

(Heiterkeit der Abg. Klenk CDU und Dr. Döring FDP/DVP – Abg. Klenk CDU: Sei so gut!)

Wenn man die Politikfelder von A bis Z betrachtet, kann man sagen: In diesem Bereich geht es wirklich voran.

Vorab möchte ich denen, die daran mitgewirkt haben, danken: unserem früheren Ministerpräsidenten Erwin Teufel, der mit großem Engagement dabei war – ein Dank dafür.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der SPD und des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Ich möchte aber auch den Kollegen aus dem Landtag danken. Kollege Drexler und Kollege Kretschmann haben in der Kommission mitgewirkt. Da wurden viele Stunden eingebracht. Deswegen möchte ich auch, dass jetzt ein bisschen Freude aufkommt. Es ist Erfolg da, und den kann man auch feiern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD, der FDP/DVP und der Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Döring FDP/DVP)

Denn zweimal mussten wir den Atem schon anhalten: Das erste Mal im Dezember – damals ging es um Bildungskompetenzen; interessanterweise ein Thema, das immer wieder strittig behandelt wird – und das zweite Mal nach dem politischen Erdbeben vom Mai dieses Jahres, als die Wahl in Nordrhein-Westfalen nicht ganz so ausging, wie sich das manche vorgestellt hatten.

Endlich kann es klappen. Ich sage ganz einfach: Es gibt da keine „Kriegsgewinnler“ der großen Koalition. Gewinner sind wir, das Land. Gewinner sind die Länder, Gewinner ist der Bund insgesamt. Das ist gut für Deutschland.

Allerdings – und das würde ich angesichts dieser Reform auch neidlos zugestehen, lieber Herr Kretschmann – hat die große Koalition einen guten Einstieg. Sie kann Handlungsfähigkeit beweisen. Und wenn sie darauf hinweist, dass die Vorarbeiten ja fraktionsübergreifend gelaufen sind, dann kann man wirklich sagen: Sie ist in der Lage, das, was vorgearbeitet wurde, auch in einen konkreten Erfolg umzusetzen.

Was war und ist gut an dem, was jetzt vorliegt? Zum einen – das ist angesprochen worden – werden die Verflechtungen zwischen Bund und Ländern aufgebrochen, insbesondere beim Zustimmungsrecht des Bundesrats, aber auch dort, wo es um Mischfinanzierung geht.

Wir stärken die Gesetzgebungsrechte der Länder – das Hochschulrecht wurde angesprochen, aber auch das Recht des öffentlichen Dienstes. Ich komme nachher noch einmal darauf zu sprechen, Herr Kretschmann.

Dann etwas anderes, was bisher vielleicht zu wenig angesprochen wurde: das so genannte Abweichungsrecht. Das ist in der Tat ein neues Rechtsinstrumentarium, das da angewendet werden kann. Wer dazu Ja sagt, der sagt natürlich

(Minister Stächele)

auch Ja zu einer neuen Verantwortung der Länder – aller Länder, jedes Landes für sich.

Da kommt für mich zum ersten Mal das zum Vorschein, was wir in vielen Reden immer wieder als Wettbewerbsföderalismus gefordert haben. Wenn jetzt in der Tat eine Abweichungsmöglichkeit besteht, wenn die ganze Diskussion über die Rahmengesetzgebung wegfällt – „Was ist der Rahmen?“ „Wie weit darf er gehen?“ – und wenn die Länder für sich entscheiden müssen, ob sie den Gestaltungsauftrag annehmen und ausführen, dann kann Freude aufkommen, denn dann können die Länder, 16 an der Zahl, zeigen, was sie können.

Insofern ist das Abweichungsrecht interessant. Man muss es in den weiteren Jahren in der Praxis anschauen und prüfen, ob es das bringt, was man sich erhofft, oder ob es in der Zukunft da und dort noch einmal einer Korrektur bedarf.

Es gibt Anliegen, die wir nicht durchsetzen konnten. Wir hätten die Gesetzgebungskompetenz im Bereich der öffentlichen Fürsorge gerne erweitert. Ich gebe zu, bei der Mischfinanzierung wäre da und dort vielleicht noch mehr möglich gewesen, etwa bei der Gemeinschaftsaufgabe Wirtschaftsstruktur. Und schließlich – damit sind wir nicht ganz zufrieden – ist die ganze Geschichte mit dem nationalen Stabilitätspakt zu nennen.

Aber eine solche Reform, von der viele Interessen betroffen sind, beinhaltet im Ergebnis auch Kompromisse, die man im Interesse des Ganzen schlucken muss.

Ich möchte nur noch ein paar Sätze zu einigen Dingen verlieren, ohne zu wiederholen, was hier gesagt wurde.

Zunächst zum Zustimmungsrecht: Ich habe mich über die ganzen Jahre hinweg immer gegen den Vorwurf „Blockadeinstrument Bundesrat“ gewehrt. Dass das kein einstimmiger Männergesangverein ist, muss jedem klar sein, der weiß, dass es da um ein Bundesorgan geht, in dem Verfassungsrechte ausgeübt werden, und dass es da um politischen Disput und um politische Auseinandersetzung geht.

(Abg. Fischer SPD: Es gab aber auch einen ge- mischten Chor!)

Es gab auch gemischte Chöre. Die gemischten Chöre waren manchmal in interessanter Weise intoniert, je nachdem, wo die Finanzzuweisung hingegangen ist.

Mir geht es darum: Ich habe mich immer dagegen gewehrt, automatisch zu sagen: „Bundesrat – Blockade der Länder“, weil dort im Grunde von den Ländern ein verfassungsmäßiges Recht ausgeübt wird. Denn ich habe es schon zu oft erlebt, dass mir die Gleichen, die erst über eine „Blockadehaltung des Bundesrats“ geklagt haben, am Tag danach geschrieben haben: Aber wenn das Ganze morgen in den Bundesrat kommt, nehmt diese notwendigen Korrekturen an der Gesetzesvorlage des Bundes doch bitte schön vor!

Trotzdem ist richtig, dass man die Zustimmungsrechte des Bundesrats zurücknimmt, weil der Anteil der zustimmungspflichtigen Gesetze auf bis zu 60 bis 70 % angewachsen ist. Wir wissen: Wir geben damit zwar ein Stück weit die Möglichkeit zur Einwirkung auf die materielle Gesetzgebung