Protocol of the Session on October 6, 2005

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Auch unsere Europaminister Palmer, nicht „Macho-Müller“, sondern Ulrich Müller

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: „Macho-Müller“! – Heiterkeit der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

und Willi Stächele leisten hervorragende Arbeit in Europa, genauso wie unsere Landesvertretung mit Richard Arnold. Dafür herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wenn wir Europa richtig bauen, können wir in BadenWürttemberg optimistisch in die Zukunft sehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Walter GRÜNE: „Big Mac“, hast du das selber geschrieben?)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Rust.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung kommt mit diesem Bericht ihrem in unserer Landesverfassung verankerten Auftrag nach, uns, das heißt dem Parlament, über ihre Aktivitäten in der Europapolitik zu berichten. Dieser Bericht wurde zum zehnten Mal vorgelegt. Wir können deswegen auch von einem kleinen Jubiläum, von einem Geburtstag dieses Europaberichts sprechen.

Pünktlich zum Jubiläum hat der Bericht auch einen veränderten Umfang und eine andere Form erhalten. Ich meine damit weniger das Konterfei des Ministers, das den Bericht neuerdings ziert

(Abg. Rückert CDU: Das ist aber auch schön!)

und ihm dadurch zweifelsohne optisch eine neue Qualität verleiht

(Heiterkeit – Abg. Mack CDU: Kein falscher Neid!)

ich habe nicht gesagt, welche Qualität, ich habe nur gesagt: eine neue Qualität –; ich meine damit vielmehr die Informationstiefe, die sich mit diesem neuen Bericht drastisch verändert hat.

(Abg. Mack CDU: Da zeigt sich der Wille nicht nur grafisch, sondern auch im Bild!)

Ich möchte darum, bevor ich zum Inhalt komme, zunächst ganz kurz auf den Umfang und den Informationsgehalt des Berichts eingehen.

Ich glaube, wir werden bei der Bewertung des Berichts kein Pauschalurteil fällen können, da die unterschiedlichen Teile des Berichts auch in Qualität und Informationstiefe sehr stark differieren. Dementsprechend waren auch die Aussprachen über den Bericht in den verschiedenen Ausschüssen sehr unterschiedlich.

Die Teile A und B, wo es um die allgemeinen Schwerpunkte der Europapolitik der Landesregierung geht, sind aus unserer Sicht im Umfang ausreichend und geben einen guten Überblick darüber, wo die Landesregierung ihre europapolitischen Schwerpunkte setzt, aber auch darüber, wo sie sie nicht setzt.

Sehr viel schwieriger wird es beim Teil C, Herr Minister Stächele, wo im letzten Bericht Informationen sehr umfangreich dargestellt wurden und wo man jetzt den Eindruck hat, dass das Ganze in das andere Extrem umgeschlagen ist und die Informationen nur noch bruchstückhaft die Aktivitäten der Landesregierung auf europäischer Ebene darstellen. Ich möchte anhand einiger Beispiele aufzeigen, wo aus unserer Sicht die Defizite in Teil C vorhanden sind.

Beispiel eins: III. Kultus, Jugend und Sport. Gerade einmal eine einzige Seite bleibt für dieses wichtige Thema in diesem neuen Europabericht übrig.

(Abg. Mack CDU: Hat das nichts mit Europa zu tun?)

Die Einzelaktivitäten im letzten Europabericht haben annähernd 25 Seiten umfasst. Wichtige Informationen zu den Themen berufliche Bildung und Anerkennung von Berufsqualifikationen und vor allem Informationen zu den Aktivitäten und Bildungsinitiativen des Oberrheinrats fehlen gänzlich. Dieses Defizit wurde im Übrigen im Ausschuss nicht nur von SPD-Abgeordneten bemängelt, sondern auch von CDU-Abgeordneten eingestanden. Auch der jetzige Kultusminister – damals noch Staatssekretär – hat eingeräumt, dass es da Nachholbedarf gibt. Wir möchten die Landesregierung deswegen ausdrücklich bitten, in diesem Bereich im nächsten Bericht, falls diese Landesregierung diesen Bericht noch vorlegen wird, nachzulegen und diesen Bereich ausführlicher zu behandeln.

Beispiel zwei: IX. Umweltpolitik. Auch in diesem wichtigen Bereich auf europäischer Ebene wurde die Darstellung massiv gekürzt, und die Aufzählungen der einzelnen Bereiche haben nicht annähernd die Informationstiefe, die für diesen wichtigen Bereich notwendig wäre.

(Abg. Scheuermann CDU: Absicht!)

Drittes und letztes Beispiel: VII. Agrarpolitik. In Anbetracht dessen, dass das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum fast 80 % der Rückflüsse aus der Europäischen Union nach Baden-Württemberg in seinem Zuständigkeitsbereich bekommt, sind eineinhalb Seiten in diesem Bericht eher beschämend. Bei einem Europaminister, der aus seiner vorherigen Tätigkeit eigentlich Kenntnisse über diesen Bereich haben müsste, hätte ich erwartet, dass etwas mehr zu diesem wichtigen, auch finanziell sehr wichtigen Bereich des Landes berichtet wird.

(Beifall bei der SPD)

Was mich wirklich massiv erstaunt hat, war – das kann man ressortübergreifend sagen –, dass die tabellarische Zusammenstellung der Rückflüsse, die bisher am Ende des Berichts angehängt war, jetzt gänzlich fehlt.

(Abg. Walter GRÜNE: Nur noch eine Gesamt- liste!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir sind uns in diesem Hause einig, dass wir täglich bei den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land für die europäische Sache werben müssen. Zum Werben für Europa gehört auch, dass wir den Menschen zeigen, wo in unserem Land positive Akzente von Europa gesetzt werden, wo die Europäische Union wichtige Projekte im Land unterstützt und finanziert. Dazu brauchen wir, Herr Minister, die Aufstellung der Rückflüsse en détail, damit wir im Werben für Europa den Menschen zeigen können, was Europa für Baden-Württemberg ganz konkret vor Ort bringt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Ich möchte darum die Landesregierung und Sie, Herr Minister Stächele, dringend bitten, dort, wo in den Ausschüssen Nachholbedarf angemeldet wurde, diese Informationen nachzulegen und im Interesse Europas vor allem die Liste der Rückflüsse wieder in die zukünftigen Berichte einzusetzen bzw. diesen anzuhängen. Das war in der Vergangenheit ein wichtiger Aspekt. Das hat den örtlichen Abgeordneten geholfen, zu sehen, was in den einzelnen Wahlkreisen gemacht wird. Es hat für das Werben für Europa geholfen. Deswegen muss diese Liste wieder in den Bericht aufgenommen werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte nun zu einigen Inhalten des Berichts kommen. Ich will mit der Verfassung beginnen. Einig sind wir uns, Herr Kollege Mack, darüber, dass wir mit den negativen Referenden in Frankreich und in den Niederlanden nicht am Ende des Verfassungsprozesses sind. Es muss weitergehen, und ich bin zuversichtlich, dass es weitergehen wird. Wir begrüßen die Haltung der Landesregierung, die auf Seite 12 des Berichts bekräftigt, dass sie weiter zum Verfassungsvertrag steht.

Wir begrüßen auch, dass die Landesregierung im Rahmen des in der Verfassung verankerten Frühwarnsystems den Landtag mit einbeziehen will. Was ich allerdings gänzlich vermisst habe, ist die Mitteilung, wie sie das konkret zu tun gedenkt. Da wird über mehr als eine Seite sehr ausführlich berichtet, wie sich die Landesregierung ihre Einbindung über Bundesrat und andere Gremien in diesen Prozess, in dieses Frühwarnsystem vorstellt; wo aber der Landtag, also wir, eingebunden werden soll, steht mit keinem Wort drin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Haltung dazu kennen Sie. Der SPD-Fraktion ist das Thema Europa so wichtig, dass wir es für dringend geboten halten, auch in BadenWürttemberg wie in den meisten anderen Bundesländern einen Europaausschuss einzuführen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, haben dieses Ansinnen mehrfach abgelehnt, aber wir hoffen, dass Sie irgendwann dem Thema den Stellenwert einräumen, den Europa auch in diesem Hause verdient hat.

Mit großem Erstaunen habe ich beim Lesen des Berichts zur Kenntnis genommen, dass auch die Landesregierung er

kannt hat, dass wir die Menschen in Baden-Württemberg auf dem Weg nach Europa mitnehmen müssen. Auf Seite 7 des Berichts steht zu diesem Thema – ich zitiere –:

Dies muss im Dialog mit den Bürgern aufgegriffen werden.

Oder auf Seite 9 heißt es, es müssten

diese Vorteile auch deutlich von der EU, den Mitgliedsstaaten, den Ländern und den gesellschaftlichen Gruppen transportiert werden.

Das ist schön zu lesen; ich frage mich nur, wo das passiert. Meine Damen und Herren, Herr Minister, es genügt leider nicht, bei Sekt und Häppchen in Brüssel für Baden-Württemberg zu werben. Wir müssen auch in Baden-Württemberg für Europa werben. Dazu fehlt in diesem Bericht jegliches Konzept.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Es kommt noch schlimmer: Die Landesregierung lehnt jede Diskussion über die Zukunft Europas ab. Auf Seite 9 des Berichts steht nämlich:

Dagegen erscheint es wenig zielführend, theoretisch darüber zu philosophieren, ob die Union zu einer „Freihandelszone de luxe“ oder zu einem „sozialen Wohlfahrtsgebilde“ werden soll.

Meine Damen und Herren, genau darüber müssen wir jetzt diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen darüber reden, wie wir uns Europa in Zukunft vorstellen. Soll es ein loser Staatenbund sein, in dem nur die Wirtschaft liberalisiert wird, oder wollen wir in Richtung eines Bundesstaats mit weitgehender Harmonisierung im Bildungsbereich, im Steuerbereich und in Umweltfragen gehen? Darüber müssen wir jetzt mit den Menschen diskutieren. Wir sind mitten in diesem Prozess. Deswegen, meine Damen und Herren, hat ein so abfällig formulierter Satz im Europabericht einer Landesregierung nichts zu suchen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Walter GRÜ- NE)