Das afghanische Volk ist seit langer Zeit selbst Opfer von Terror, Unterdrückung und Armut. Die internationale Staatengemeinschaft muss ein umfassendes Hilfsprogramm für das afghanische Volk entwickeln. Für die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Gemeinschaft sehe ich eine besondere Aufgabe. Ich plädiere ausdrücklich dafür, dass sich hieran auch die Bundesländer beteiligen, dass sich auch das Land Baden-Württemberg beteiligt. Deshalb ist es gut, dass in dem Antiterrorprogramm ein Betrag von 1 Million DM für Sofortmaßnahmen für strukturelle Hilfen zur Verfügung gestellt worden ist.
Meine Damen und Herren, es ist Aufgabe des Bundes und der Länder, alles zu tun, um in der gegenwärtigen Zeit die innere Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu gewährleisten. Übrigens: Wir stehen dabei nicht bei null. Niemand sollte versuchen, den Eindruck zu erwecken, als sei die innere Sicherheit bei uns in der Vergangenheit sträflich vernachlässigt worden. Im Gegenteil, Baden-Württemberg steht gut da.
Herr Drexler kann so viele Rechnungen aufmachen, wie er will: Er kommt nicht an der Tatsache vorbei, dass das Land Baden-Württemberg die geringste Kriminalitäts- und die höchste Aufklärungsquote hat – dank einer funktionierenden Justiz und dank einer funktionierenden Polizei, meine Damen und Herren.
Aber natürlich sind neue Gefährdungen vorhanden, und sie erfordern erneute Prüfungen, ob das Instrumentarium, das uns bisher zur Verfügung stand, auch in der gegebenen neuen Situation noch ausreicht. Neue Gefährdungen erfordern es auch, die personelle und die sächliche Ausstattung aller Behörden, die für den Schutz der Bevölkerung, die Aufklärung der Strukturen des Terrorismus und die Strafverfolgung notwendig sind, an die vorhandene neue Lage anzupassen.
Die Landesregierung hat deshalb vor zwei Wochen eine Bundesratsinitiative vorgelegt, die vor diesem Hintergrund zusätzliche Maßnahmen im Bereich der Strafverfolgung und der Datenübermittlung vorsieht, zum Beispiel eine neue und verbesserte Kronzeugenregelung, und die ein besonderes Schwergewicht – das ist besonders wichtig – auf Maßnahmen auf der Ebene der Europäischen Union legt.
Europäischer Haftbefehl, erweiterte Zuständigkeit von Europol und selbstverständlich der Aufbau einer europäischen Staatsanwaltschaft, das alles ist richtig, weil der Kampf gegen den Terrorismus nicht isoliert, nicht national, sondern nur international gewonnen werden kann.
Die Bundesratsinitiative umfasst weiter zusätzliche ausländerpolitische und ausländerrechtliche Maßnahmen, zum Beispiel die Regelanfrage beim Verfassungsschutz vor einer Einbürgerung und eine restriktivere Visaerteilung. Dabei heißt „restriktiv“ für mich nicht, grundsätzlich weniger Gäste einreisen zu lassen. „Restriktiv“ heißt vielmehr, genauer hinzuschauen, wer bei uns einreisen will.
Die Bundesratsinitiative will außerdem die Verfassungsschutzbehörden und die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Bereich der Polizei stärken. Schließlich umfasst sie auch den Bereich des Katastrophenschutzes ebenso wie die Bekämpfung bioterroristischer Anschläge und den Schutz wichtiger Versorgungseinrichtungen.
Meine Damen und Herren, wer sich die Bundesratsdebatte vom vergangenen Freitag vor Augen führt, erkennt, dass es bei allen Diskussionen im Detail einen breiten Bereich der Übereinstimmung zwischen den Bundesländern sowie zwischen dem Bund und den Ländern gibt. Dies ist gut so. Denn wir brauchen diese Gemeinsamkeit für eine wirksame Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Wir brauchen sie auf der Ebene der Europäischen Union, und wir brauchen sie, wann immer möglich, auch im internationalen Maßstab.
Vor diesem Hintergrund halte ich die Kritik der Grünen an der Bundesratsinitiative der Landesregierung – Herr Kollege Oelmayer hat hier von einem Griff in die Mottenkiste alter Überwachungsstaatskonzepte gesprochen –
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Sie haben die falsche Presseerklärung dabei!)
Detaillierte Kritik an Einzelmaßnahmen: völlig in Ordnung. Ich will Ihnen aber sagen, was nicht in Ordnung ist.
Es ist nicht in Ordnung, Herr Oelmayer, wenn Sie sich auf Bundesebene und in den Ländern, wo Sie mit die Regierung tragen, an einer sachlichen Diskussion beteiligen und die Maßnahmen auch wesentlich mittragen, Ihnen aber hier im Landtag von Baden-Württemberg nichts anderes einfällt als eine pauschale Verunglimpfung. Dies ist nicht in Ordnung, und das weise ich entschieden zurück.
Gestern hat die Landesregierung den Entwurf des badenwürttembergischen Antiterrorpakets beschlossen, den wir zusammen mit dem Doppelhaushalt beraten werden.
Meine Damen und Herren, dieses Paket ist ein Sofortprogramm. Dieses Paket ist ein Schwerpunktprogramm, mit dem das unabdingbar Notwendige getan werden soll, um Polizei, Verfassungsschutz und Justiz zu stärken, und es enthält neben diesen Schwerpunkten Justiz, Polizei und Verfassungsschutz zusätzliche Maßnahmen im Bereich des Katastrophenschutzes, der Gesundheitsvorsorge, der Ernährungsvorsorge und des verbesserten Schutzes entsprechender Anlagen.
Meine Damen und Herren, wie wichtig es ist – das möchte ich Ihnen wirklich sagen –, die jederzeitige Handlungsfähigkeit von Polizei und Justiz sicherzustellen, zeigt der Fall eines Trittbrettfahrers, der in der letzten Woche in Mosbach vor Gericht stand. Der Urheber einer Bombendrohung wurde gefasst und innerhalb eines Tages im beschleunigten Verfahren zu sieben Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.
Nur so, meine Damen und Herren, nur mit einer raschen, kompetenten und konsequenten Reaktion der Justiz kann dieses widerwärtige Trittbrettfahrertum bekämpft werden.
Dies ist ein maßvolles Programm, dies ist ein finanzierbares Programm, ein Programm, das nicht durch zusätzliche Schuldenaufnahme finanziert werden soll, das aber dennoch der realen Situation in Baden-Württemberg Rechnung trägt. Ich behaupte ja gar nicht, dass es in Baden-Württemberg vor dem Hintergrund der jetzigen Gefährdung keine Defizite im Bereich der inneren Sicherheit gäbe. Das Ausmaß von Vollzugsdefiziten – ich sage: an Vollzugsdefiziten – aber, das anderswo festzustellen ist, gibt es in BadenWürttemberg nicht.
Wenn im Land Berlin zum Beispiel 2 000 genetische Fingerabdrücke aus Personalmangel nicht bearbeitet werden können und – auch in Berlin – 60 richterlich angeordnete Telefonüberwachungen aus Personalmangel nicht durchgeführt werden können,
wird deutlich, dass auch weitere gesetzgeberische Maßnahmen überhaupt nichts bewirken können, wenn sich die personelle und sächliche Ausstattung nicht ändert.
Dasselbe gilt selbstverständlich, wenn beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen gerade einmal 16 Beschäftigte versuchen, die Geldwäscheaufsicht über rund 3 000 Banken und 1 700 Finanzdienstleistungsunternehmen wahrzunehmen. Auch die Zahlen über Verdachtsanzeigen, über polizeiliche Verfolgungen und über Verurteilungen in diesem Bereich deuten darauf hin, dass es erhebliche Vollzugsdefizite gibt.
Meine Damen und Herren, es gilt auch in dieser schwierigen Situation, nach folgendem Grundsatz zu handeln: Bevor neue Gesetze gemacht werden, müssen erst einmal Vollzugsdefizite abgebaut werden.
ja –, ich betone das ausdrücklich an dieser Stelle, weil es in dieser Debatte um eine wirksame Bekämpfung des Terrorismus natürlich auch immer wieder Vorschläge gibt, die bei näherem Hinschauen ihre Tauglichkeit nicht gerade unter Beweis stellen können.
Es macht zum Beispiel keinen Sinn, die Zuwanderungsdebatte mit der Terrorismusbekämpfung in einer Weise zu verknüpfen,
als wäre alles falsch, was in der Vergangenheit zur Notwendigkeit von Zuwanderung gesagt worden ist.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Dr. Salomon GRÜ- NE: Sehr gut, Herr Kollege!)
Wir müssen Zuwanderung ermöglichen, kontrollieren und steuern. Dies war richtig, dies bleibt richtig, auch nach dem 11. September.