Protocol of the Session on November 23, 2000

(Abg. Haas CDU: Zu Recht!)

weil es zu einer weiteren Bürokratisierung führt und weil das Recht auf Teilzeitarbeit mit Sicherheit – auch gerade in kleineren Betrieben – gar nicht durchsetzbar und durchführbar ist. Das kann so nicht gemacht werden. Bürokratisierung ist vor allen Dingen auch mittelstandsschädigend. Im Übrigen erwarte ich eine Flut von Klagen vor den Arbeitsgerichten bei der Ablehnung eines Antrags auf Teilzeitarbeit.

Jetzt sollen auch noch die Mitbestimmungsrechte erweitert werden. Ich glaube, die Mitbestimmung hat sich bewährt und muss auch neuen Strukturen angepasst werden. Aber eine Erweiterung der Mitbestimmung brauchen wir mit Sicherheit nicht.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Kipfer?

Nein, jetzt nicht.

Auch die Herabsetzung des Schwellenwertes auf die Betriebsgröße ist so nicht tragbar und hinnehmbar. Herr Riester sagte zwar in einem Gespräch mit Herrn Hundt öffentlich: Das, was in der Zeitung stand, ist so überhaupt nicht geplant. Aber Herr Riester hat schon oft Dinge gesagt, die sich hinterher ganz anders angehört haben.

Sie dürfen jetzt eine kurze Zwischenfrage stellen.

Herr Minister, Sie haben eben geschildert, wie viele Arbeitsplätze durch die 650-DM-Regelung entfallen seien. Können Sie mir auch sagen, wie viele Arbeitsplätze neu geschaffen wurden, die sozialversicherungspflichtig sind?

Ich habe die Nettozahl genannt. Danach sind 700 000 Arbeitsplätze schlichtweg weggefallen.

Inzwischen ist ja alles sozialversicherungspflichtig.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Halten Sie das nicht für einen Fortschritt?)

Ich weiß nicht, ob Sie es für einen Fortschritt halten, Sozialversicherungspflicht einzuführen, nur um Versprechungen von Rot-Grün einzuhalten. Der eine Teil geht in die Krankenkasse, weil Sie gesagt haben: „Wir senken die Preise“, und der andere Teil geht in die Rentenkasse, und Sie sagen: „Wir senken auch da.“ Das ist überhaupt kein Fortschritt. Betroffen durch das 630-DM-Gesetz sind Familien, Frauen, übrigens auch die Länder. Allein BadenWürttemberg hat das 114 Millionen DM gekostet. Das kann kein Fortschritt sein. Mit dieser Sozialversicherung im Rentenbereich kann sich keine Frau eine Rente aufbauen, außer wenn sie zuzahlt. Das bedeutet pro Jahr und Rentenmonat dann 7 DM. Dieses ist mit Sicherheit kein Fortschritt in die richtige Richtung. Es war zu nichts anderem da, als um die Löcher im Krankenversicherungs- und Rentenversicherungsbereich, die Sie selbst aufgemacht haben, zu stopfen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Baden-Württemberg liegt im Ländervergleich ganz vorne. Wir hoffen auch im nächsten Jahr auf einen Rückgang der Zahl von Arbeitslosen. Ich möchte aber auch sagen: Ich hoffe, dass sich der Bund seiner Verantwortung nicht entzieht. Der Bund plant schon wieder einen Verschiebebahnhof. Er schleicht sich aus seiner Verantwortung. Er ist verantwortlich für den Arbeitsmarkt. Das ist Bundesangelegenheit.

(Zuruf des Abg. Rudolf Hausmann SPD)

Ja, er ist verantwortlich. Was wir machen, ist flankierend, Herr Hausmann. Das ist nun mal so.

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Der Bund ist ver- antwortlich, haben Sie gerade gesagt?)

Der Bund und die Bundesanstalt für Arbeit sind verantwortlich für die Rahmenbedingungen auf diesem Arbeitsmarkt.

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Aber nicht für Er- folg oder Misserfolg! – Abg. Wieser CDU: Zwei arbeitslose Minister diese Woche in Berlin! – Ge- genruf des Abg. Rudolf Hausmann SPD: Warum regen Sie sich auf? – Gegenruf des Abg. Haas CDU: Weil Sie den Balken im Auge nicht sehen! – Unruhe)

Moment! – Er schleicht sich jetzt aus seiner Verantwortung.

(Anhaltende Unruhe – Zuruf des Abg. Bebber SPD)

Herr Bebber, ich kann noch eine halbe Stunde länger reden. Aber Sie haben wahrscheinlich Hunger und ich auch.

(Abg. Bebber SPD: Der Bund ist die Mutter des Erfolgs! Sie haben selber gesagt, die Verantwor- tung habe der Bund!)

Ja, für die Bundesanstalt für Arbeit. – Er schleicht sich jetzt aus seiner Verantwortung, indem er die Steuerfinanzierung zurückfährt. Er stellt keine Steuerfinanzierung mehr für das Sofortprogramm „Jugendarbeitslosigkeit“ zur Verfügung, keine Steuerfinanzierung mehr für „Hilfen für Langzeitarbeitslose“ und keine Steuerfinanzierung mehr für Strukturanpassung, für Arbeitslosenhilfeempfänger. Dies wird jetzt voll getragen und soll voll getragen werden von der Arbeitslosenversicherung. Der Bund zieht sich da ganz zurück. Er entzieht sich seiner Verantwortung.

Nachdem die Arbeitslosenversicherung schon Geld hat, haben wir CDU-Länder vorgeschlagen, man könnte den Beitrag um 0,5 Prozentpunkte senken.

(Abg. Wieser CDU: Jawohl!)

Dann hätten nämlich die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer in der Tat auch einmal ein bisschen was davon.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch des Abg. Ru- dolf Hausmann SPD – Abg. Wieser CDU zur SPD und zum Bündnis 90/Die Grünen: Ihr habt doch die Ökosteuer genommen, damit ihr die Beiträge senkt! Ihr schwätzt jeden Tag anders! – Zuruf des Abg. Bebber SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns auf diesem Weg in Baden-Württemberg weiterfahren: Vertrauen in die Wirtschaft, gute Rahmenbedingungen. Ich hoffe, dass in Berlin nicht die falschen Signale auf den Weg gebracht werden.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Hausmann?

(Abg. Wieser CDU: Das würde ich machen, das nützt uns!)

Ja, natürlich.

Herr Abg. Hausmann.

Herr Minister, würden Sie mir Recht geben,

(Abg. Haas CDU: Nein!)

dass der Bundeshaushalt der BfA, der Bundesanstalt für Arbeit, deutlich dadurch entlastet wurde, dass die Arbeitslosenzahlen deutlich gesunken sind?

Wo er Recht hat, hat er Recht.

(Abg. Wieser CDU zu Abg. Rudolf Hausmann SPD: Da brauchst du doch keine Frage zu stellen! – Abg. Ingrid Blank CDU: Das hätte er auch selbst beantworten können!)

Wenn Sie das mit Ja beantworten – vielen Dank; er hat es schon mit Ja beantwortet –,...

Ja, natürlich.

... würden Sie mir dann zustimmen, dass der Bund gut daran tut, Querfinanzierungen, die nicht notwendig sind, um aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, da zu belassen, wo sie normalerweise hingehören, nämlich bei der BfA?

(Abg. Ingrid Blank CDU: Was? Das verstehe ich wieder nicht!)

Wenn Sie auch das bestätigen, würden Sie mir dann bestätigen, dass die Kürzung, die Sie beim BfA-Beitrag vorschlagen, am Schluss tatsächlich an die Substanz der aktiven Arbeitsmarktpolitik gehen würde? Denn dann wären Maßnahmen betroffen, nicht aber durch das Finanzgebaren, das gerade auf Bundesebene stattfindet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Wieser CDU: Das gibt einen Vortrag! – Abg. Ingrid Blank CDU: Ich hätte gern die Kurzform dieser Frage! – Abg. Wieser CDU: Herr Präsident, war das eine Frage?)

Herr Hausmann, das war natürlich keine Frage. Das war ein Gegenstatement. Aber eines ist doch klar: Diese Gelder der Arbeitsverwaltung bei der BfA sind Gelder der Versicherten.

(Abg. Wieser CDU: Eben! Ihr Eigentum! – Abg. Rudolf Hausmann SPD: Und wem kommen sie zu- gute?)

Wir könnten uns schon darauf einigen, dass der Bund sagt: „Dies wird in dem Bereich auch getan und gemacht.“ Dafür sind Versicherungen auch da. Aber wer sich dann permanent damit schmückt, dass diese Programme Bundesprogramme seien, und die Regierung in Berlin stellt sich hin und sagt: „Wir haben das gerichtet“,

(Abg. Bebber SPD: Das hat der Kohl auch immer gemacht! – Zuruf des Abg. Dr. Hildebrandt Bünd- nis 90/Die Grünen)

der hat er sich in der Tat mit falschen Federn geschmückt. Wenn man das schon sagt, muss man bereit sein, Geld in die Hand zu nehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass auch die Besorgnis da ist, dass uns in der Tat nicht weiterhin die richtigen Rahmenbedingungen von Berlin gestellt werden,