weil er immer ein neutrales Deutschland abgelehnt hat. Diese Verankerung in das westliche Bündnis hat entscheidend zu dem beigetragen, was in diesen Jahrzehnten gewachsen ist. Dazu gehören – jetzt kann ich alles unterstreichen, was vorhin zu unserer deutschen Leitkultur gesagt worden ist – die Wertordnung unseres Grundgesetzes, die Grundrechte.
Übrigens: Dass wir bei dem Thema Integration keine Assimilierung wollen, ist im Grundgesetz und damit in der deutschen Leitkultur genau so angelegt, weil das Grundgesetz eine pluralistische Ordnung vorsieht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: So ist es! – Abg. Dr. Birk CDU zur SPD: Das Besuchs- recht nicht so verausgaben! Sie interpretieren et- was hinein, was gar nicht ist!)
Das ist ein Teil der deutschen Leitkultur. Wir wollen auch das entsprechende Menschenbild, wir wollen die Gleichberechtigung von Mann und Frau, wir wollen keinen Fundamentalismus, wir wollen nicht ein Frauenbild, wie es in Teilen des Islam vorherrscht,
(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Sie waren ja Vorkämpfer für die Gleichberechtigung der Frauen!)
und wir wollen auch nicht, Herr Kollege Salomon, dass politische Auseinandersetzungen bei uns mit Gewalt, Intoleranz und Fanatismus ausgetragen werden. All das gehört zu unserer gewachsenen deutschen Leitkultur.
Wenn Sie – das war ein ganz entscheidender Satz in Ihrem zweiten Beitrag, den ich dankbar aufgreife, Herr Kollege Salomon – von „Anerkennung unserer Spielregeln“ sprechen, ist das auch eine Selbstverständlichkeit.
In meiner Heimatzeitung – das ist das „Badische Tagblatt“ – kann man in der Ausgabe vom 11. November folgenden Beitrag nachlesen: Ein Angehöriger des großen Unternehmens Daimler-Chrysler, mittleres Management, ging in eine gewisse Führungsposition nach Singapur. Jetzt war er gerade auf Heimaturlaub. Da ist er gefragt worden, wie es ihm in Singapur so gefällt. Da sagte er: Wunderbar, er könne sich sogar vorstellen, dass er sein ganzes Leben dort verbringen wolle. Danach hat ihn der Reporter gefragt: Aber die Strafen in Singapur – ich bin selbst Zigarettenraucher – sind ja sehr drakonisch und liegen, etwa wenn Sie einmal eine Kippe wegwerfen, gleich bei 2 000 Dollar, glaube ich. Da sagte er: „Ich bin hier nach Singapur gekommen. Ich bin mir bewusst, dass ich als Gast gekommen bin, und es ist selbstverständlich, dass ich die Gesellschaftsordnung und die Spielregeln hier dann auch beachte.“ So einfach ist das, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Deshalb glaube ich: Das Problem besteht in der ideologischen Überfrachtung, darin, etwas in den Begriff „deutsche Leitkultur“ hineinzuinterpretieren,
was an den Haaren herbeigezogen ist. Das hat auch etwas mit unserem Selbstbewusstsein als Deutsche zu tun.
Da will ich einfach sagen: In über 50 Jahren haben wir, basierend auf – wie es in der Debatte ja mit Recht gesagt worden ist – der christlich-abendländischen und auch jüdischen Tradition – die Juden haben einen ganz großen Anteil an dieser gewachsenen Kultur, die bei uns entstanden ist – das Glück, eine Bundesrepublik Deutschland zu haben, in der Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und Freiheit so groß sind, wie es niemals in unserer Geschichte zuvor der Fall war. Ich bin persönlich all denjenigen dankbar, die als unsere Vorfahren einen ganz wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben, dass es so gekommen ist.
Ich sage auch: Für das, was im Dritten Reich an Entsetzlichem geschehen ist, werden wir weiterhin die Verantwortung haben und sie auch an folgende Generationen weitergeben. Auch dies gehört zu unserer Leitkultur. Aber zu unserer Leitkultur gehört auch, dass die deutsche Geschichte eine wesentlich größere Tradition hat als nur diese unsägliche Epoche im Dritten Reich.
Wie gesagt: Ohne Überheblichkeit und ohne Anmaßung stelle ich für meine Person fest: Ich bin stolz darauf, dass ich Bürger dieser Bundesrepublik Deutschland mit dieser deutschen Leitkultur sein darf.
Aktuelle Debatte – Reichen die Regelungen zur Sicherungsverwahrung rückfallgefährdeter Straftäter aus? – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP
Auch hier gelten die üblichen Redezeiten: 50 Minuten Gesamtdauer ohne Anrechnung der Redezeit der Regierung, fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben hier ein sehr wichtiges Thema und ein Thema, das wir emotionslos diskutieren können. Es geht um den Schutz der Allgemeinheit. Es geht um den Schutz vor Gewaltverbrechern und Sittlichkeitsverbrechern in unserer Gesellschaft. Wir meinen und ich bin überzeugt davon, dass wir dieses Problem hier parteiübergreifend lösen können, sodass wir hier keinen Parteienstreit benötigen.
Es geht nur um einen ganz speziellen Teil, über den wir heute diskutieren. Es geht um die Täter, die lange in Haft waren und bei denen sich herausstellt, dass sie nicht bereit sind, sich anschließend zu resozialisieren, sondern bereit sind und dies auch kundtun, wieder Gewaltverbrechen zu begehen. Um diesen Bereich geht es.
Wir haben in unserem Gesetz jetzt die Möglichkeit, bei einer Verurteilung Sicherungsverwahrung anzuordnen. Das ist eine Sicherungsverwahrung, die der Richter aufgrund der Tat, aufgrund des Vorlebens und aufgrund einer weiteren Vortat verhängen kann. Meistens geschieht das in Verbindung mit langjährigen Haftstrafen. Er muss, weil die Haft bei solchen Gewaltverbrechern sowieso meistens sehr lang ist, eine Prognose treffen, wie sich diese Personen nach zehn Jahren verhalten werden. Es ist klar, dass sich Richter sehr oft scheuen, die Sicherungsverwahrung bereits zum Zeitpunkt der Verurteilung auszusprechen; denn was in zehn Jahren sein wird, kann man am Tag der Verurteilung nur sehr begrenzt feststellen.
Wir haben nach unserem Gesetz – §§ 63 und 64 StGB – die Möglichkeit, kranke Täter in den Maßregelvollzug oder in psychiatrische Krankenanstalten zu bringen. Wir haben nach dem Unterbringungsgesetz in Baden-Württemberg auch die Möglichkeit, Täter, die krank sind und die aufgrund ihrer Krankheit gefährlich sind, unterzubringen. Diese Regelung haben wir.
Aber wir haben – das betone ich nochmals – keine Regelung für die Situation, dass der Staat oder die Vollzugsanstalt erkennen, dass eine Person gewaltbereit ist und nach Verbüßung ihrer Strafe wieder Verbrechen begehen wird. Dafür haben wir keine Regelung. Solche Leute muss der Staat sehenden Auges in die Freiheit entlassen, und dieser Zustand ist nicht tragbar.
Hier muss der Staat handeln. Der Justizminister ist verantwortlich; er ist aber nicht in der Lage, der Bevölkerung klar zu machen, dass der Staat den Gefangenen, obwohl er erkennt, dass von ihm eine Gefahr ausgeht, in die Freiheit entlassen muss. Um diesen schmalen Bereich geht es heute.
Deshalb war es begrüßenswert, dass hier eine Bundesratsinitiative gestartet werden sollte, um die Bundesjustizministerin zu bewegen, ein entsprechendes Bundesgesetz vorzulegen, das eine nachträgliche Sicherungsverwahrung im Rahmen des StGB ermöglicht. Die Bundesjustizministerin hat sich geweigert, hier überhaupt tätig zu werden. Sie hat die Situation nicht geregelt und wollte sie, aus welchen Gründen auch immer, nicht regeln – wahrscheinlich, weil der Vorschlag von einem FDP-Minister kam. Da hat sie lieber den Schutz der Bevölkerung vernachlässigt.
Sicher ist eine nachträgliche Sicherungsverwahrung im StGB zu regeln. Aber wir haben nun ein Gutachten, wonach es die Möglichkeit gibt, die Angelegenheit im Polizeirecht – leider nur hier, weil das Strafgesetzbuch Bundesgesetz und nicht Landesgesetz ist – zu regeln. Vielleicht können wir im Polizeigesetz eine Regelung finden, wonach bei Schwerstkriminellen, bei denen eine Gefährdung der allgemeinen Öffentlichkeit zu befürchten ist, noch nachträglich entschieden werden kann, dass sie weiter in Haft bleiben. Es ist, meine ich, ein Verdienst unseres Justizministers, dass er den Vorschlag unterbreitet hat, den Schutz vor Gewaltverbrechern und Gewalttätern, die bekannt sind, wenigstens in unserem Lande zu regeln. Es wird unsere Aufgabe sein, die einzelnen Regelungen zu finden.
Über die Einzelheiten des Gesetzentwurfs werde ich in der zweiten Runde sprechen. Ich meine, es war einmal notwendig aufzuzeigen, worum es eigentlich geht, damit wir die Angelegenheit emotionslos diskutieren können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Frage der Aktuellen Debatte – „Reichen die Regelungen zur Sicherungsverwahrung rückfallgefährdeter Straftäter aus?“ – will ich gleich zu Beginn meiner Ausführungen wie folgt beantworten: Nein, sie reichen nicht aus!
Die derzeitige Rechtslage – sie ist in § 66 des Strafgesetzbuches enthalten – sieht so aus, dass die Sicherungsverwahrung eines rückfallgefährdeten Sexual- oder Gewaltstraftäters vom Gericht nur im Zeitpunkt der Verurteilung angeordnet werden kann. Hinterher, also nach der Verurteilung und während der Zeit der Strafverbüßung, des Strafvollzugs, ist die Anordnung einer Sicherungsverwahrung nach heutiger Rechtslage nicht möglich.
Meine Damen und Herren, weshalb reichen die bisherigen Regelungen nicht aus? Wir hatten in der Vergangenheit immer wieder traurige Beispiele, bei denen die vorhandene Lücke leider allzu deutlich wurde, so etwa jüngst den Fall eines Straftäters, der wegen mehrfacher Vergewaltigung zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war, nach dem Verbüßen dieser zehnjährigen Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Mannheim entlassen worden ist und wenige Tage darauf wegen des dringenden Tatverdachts einer versuchten Vergewaltigung, also einer versuchten Rückfalltat, wieder in Haft genommen werden musste. Dies ist die Lücke. Denn es hätte die Möglichkeit bestehen müssen, diesen Straftäter während des Strafvollzugs, während der Zeit der Strafverbüßung darauf zu überprüfen, ob er das Ziel des Strafvollzugs, nämlich die Resozialisierung, den Ausschluss einer Rückfallgefährdung, erreichen kann.
Meine Damen und Herren, wenn wir diese Lücke nicht schließen, dann – darüber müssen wir uns im Klaren sein – müssen wir akzeptieren, dass wir jedesmal warten müssen, bis ein solcher rückfallgefährdeter Täter ein weiteres Verbrechen begangen hat, bis beispielsweise eine weitere Frau vergewaltigt worden ist.
Das kann nicht sein. Der Schutz des Lebens, der körperlichen Integrität und der sexuellen Selbstbestimmung, der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Sexual- und Gewaltstraftätern ist und bleibt die vornehmliche Aufgabe unseres Rechtsstaates. Folglich sind wir alle miteinander gehalten, wenn wir es mit unserem Rechtsstaat ernst meinen, diese Lücke zu schließen.
Hier hat nun ein vom Justizministerium in Auftrag gegebenes Gutachten des Freiburger Verfassungsrechtlers und Polizeirechtsexperten Professor Würtenberger uns einen gangbaren Weg aufgezeigt, wie die Sicherungsverwahrung nicht als Maßregel der Besserung und Sicherung, sondern als Maßnahme der Strafvorbeugung über das Polizeirecht verankert werden kann.
Meine Damen und Herren, aus verfassungsrechtlichen Gründen müssen natürlich für den Fall einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung – es bleibt der schwerwiegendste Eingriff des Staates in die Grundrechte des Menschen – sehr hohe Verfahrenssicherungen, rechtsstaatliche Kautelen vorgesehen werden, um eine solche nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu ermöglichen. Darauf will ich jedenfalls in der ersten Runde im Einzelnen nicht eingehen. Es ist aber keine Frage, dass schon ein sehr hoher Standard dieser Kautelen eingehalten werden muss.
Als Nächstes stellt sich die Frage – man kann darüber unterschiedlicher Auffassung sein –: Hat denn das Land die Gesetzgebungskompetenz für eine landesgesetzliche Regelung einer solchen nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung? Eines ist klar, und hier kann ich, können wir im Grunde mit dem Ergebnis des Gutachtens von Professor Würtenberger leben, der zu Recht sagt: Es ist, wenn wir als Land die Gesetzgebungskompetenz für diesen Fall in Anspruch nehmen, allerdings erforderlich, uns deutlich von der bundesgesetzlichen Regelung in § 66 des Strafgesetzbuchs abzugrenzen. Das heißt: keine Anknüpfung an die Straftat des Inhaftierten, sondern Anknüpfung