Ich will niemandem etwas unterstellen. Das Problem liegt ganz woanders. Das Problem liegt darin, dass dieser Begriff eine leere Hülse ist, dass dieser Begriff – bewusst oder unbewusst – zu Missverständnissen geradezu einlädt.
Ich möchte jedenfalls vermeiden, lieber Kollege Birk, damit wir uns da einig sind, dass mit der Nennung dieses Begriffs gewissermaßen ein falscher Zungenschlag mitgeliefert wird, der da heißen könnte: dominante Kultur, Hegemonialanspruch oder deutscher Überlegenheitsanspruch. Ich schiebe das niemandem in die Schuhe. Ich warne nur davor, dass mit solchen Begrifflichkeiten der Weg zu einer konsensfähigen Zuwanderung letzten Endes erschwert wird, meine Damen und Herren.
Deshalb kann ich von meiner Seite aus nur appellieren, solchen Entwicklungen und solchen falschen Zungenschlägen in der Sache, aber auch in der Sprache entgegenzutreten.
Meine Damen und Herren, die Kultusministerin dieses Landes, Frau Schavan, hat es genau dadurch auf den Punkt gebracht, dass sie darum bittet und dazu auffordert, zu einer sprachlichen Abrüstung zu kommen. Das ist genau der Punkt: Wir müssen zu einer sprachlichen Abrüstung kommen.
(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Dann hätten Sie dafür sorgen sollen, dass der Begriff nicht drinsteht!)
Wir müssen zur Vermeidung von Begriffen kommen, die missverständlich sind. Das ist der Punkt, um den es geht, meine Damen und Herren.
Wenn Sie aber nach einem Begriff suchen, mit dem künftige Anforderungen an Zuwanderung besetzt werden sollen – das kann man ja tun –, schlage ich vor, dass wir nicht von deutscher Leitkultur, sondern von einer Integrationskultur sprechen.
(Zuruf von den Republikanern – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das wird schon richtig sein, wenn die Republikaner so aufstöhnen!)
Bei Integration muss man sich überlegen, was man will. Was ist politisch notwendig, um den Weg einer Zuwanderung zu begleiten? Was ist auch unter den demokratischen Parteien konsensfähig? Darauf müssen wir uns besinnen, und ich denke, wir Demokraten müssen uns auf zwei Dinge konzentrieren. Wir müssen uns darüber klar sein, dass nur diese zwei Dinge auf dem Weg zu einem Zuwanderungsgesetz letzten Endes entscheidend sind.
Das Erste ist – deshalb spreche ich von Integrationskultur – der Erwerb der deutschen Sprache. Ohne Sprachkenntnisse, meine Damen und Herren, ist Integration nicht möglich. Ohne Sprachkenntnisse gibt es keine Teilhabe am öffentlichen Leben. Deshalb ist die Sprachkenntnis eine unabdingbare Voraussetzung für Integration und für Zuwanderung.
Das Bekenntnis zum deutschen Grundgesetz ist deshalb notwendig, weil es ohne ein solches Bekenntnis Multikulti gäbe. Kein Land in der Welt hält aber ein unvermitteltes Nebeneinander verschiedener Kulturen aus. Was wir nicht wollen, ist Multikulti.
ist ein klares Bekenntnis zum deutschen Grundgesetz. Dies ist neben der Sprache eine Voraussetzung für die Integration.
(Abg. Dr. Birk CDU: Aber Sie besetzen den Be- griff „Integrationskultur“ in dieser Richtung! – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das ist Quatsch, Herr Birk! Kümmern Sie sich um andere Sachen!)
Ich will zwei Dinge erreichen, meine Damen und Herren. Ich will, dass wir Klarheit in der Sache und auch in der Sprache haben. Klarheit in der Sache heißt Integrationsbemühungen bestärken. Das heißt deutscher Spracherwerb, und das heißt Bekenntnis zum deutschen Grundgesetz. Das sind die Voraussetzungen für eine sinnvolle Zuwanderung, und das sind die Voraussetzungen für eine Integration, ohne die Zuwanderung nicht möglich ist.
Wenn wir uns als Demokraten auf diese Begriffe – deutsches Grundgesetz und deutsche Sprache – einigen können, dann allerdings glaube ich, dass solche missverständlichen Begriffe wie diejenigen, über die wir heute sprechen, unnötig sind. Deshalb sollten wir auf sie lieber verzichten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zunächst einmal auf die künstliche Aufregung der Grünen und der Ökostammtische eingehen, die seit der Verwendung des Begriffs der Leitkultur eingesetzt hat.
Herr Salomon, Sie haben vorhin wieder ein Paradebeispiel für eine Argumentationsfigur geboten, die man sich an diesem Beispiel besonders schön ansehen kann. Sie haben nämlich sinngemäß gesagt, dieser Begriff sei ja wohl im Dritten Reich erfunden worden.
Das Interessante daran ist, dass die Debatte in der letzten Zeit genau auf dieser Schiene geführt wird, und zwar gerade auch aus den Reihen der Grünen, weil man alles, was hier nicht in einen ganz bestimmten Bereich – in einen ganz engen Korridor, den man als politischen Diskurs versteht –, der als politisch korrekt bezeichnet wird, hineinpasst, sofort denunziert,
Sie haben sich nicht die Mühe gemacht, Herr Salomon, einmal nachzusehen, wo und von wem dieser Begriff bisher verwendet wurde. Denn sonst wüssten Sie, dass es der amerikanische Sozialethiker Herbert Kelman war, der diesen Begriff 1939 zum ersten Mal verwendet hat,
Herr Salomon, hören Sie doch erst einmal zu! – Ich frage mich eigentlich: Warum haben Sie sich nicht darüber aufgeregt, als wir Republikaner 1997 hier in Debatten diesen Begriff verwendet haben? Da war überhaupt nichts von Ihnen zu hören.