Jetzt haben wir eine ganz andere Situation. Herr Wintruff, jetzt haben wir nicht die Situation – das wissen Sie –, dass Leute in der Wirtschaft keine Perspektive sehen. Früher war es andersherum. Früher standen viele vor der Tür, viele, die die Wirtschaft hinausgeworfen hat oder die dort keine Aufnahme gefunden haben. Die Zeiten haben sich geändert. Darauf müssen wir uns einstellen. Jetzt müssen wir dieses Ungleichgewicht in Ordnung bringen.
Meine Damen, meine Herren, ich wollte eigentlich noch einiges zu dem Thema sagen, auf das sich momentan alle Augen richten, nämlich auf den Bereich der IT-Berufe. Ich mache das so kurz wie irgend möglich. Auch da haben wir wirklich im doppelten Sinn des Wortes den Anschluss nicht verpasst. Man sollte sich einmal vier oder fünf Jahre zurückerinnern. Da musste man ja manchmal grundsätzliche ideologische Auseinandersetzungen in der Frage führen, welchen Stellenwert der Computer an der Schule hat. Gehört er da überhaupt hin? Es gab auch Signale aus der Wirtschaft mit der Frage: Ist das nicht alles zu viel, was ihr tut? Sie kennen die entsprechenden Reaktionen in Niedersachsen oder bei uns, wie man dann mit der Einrichtung von Hochschulausbildungsplätzen umgeht.
Wir haben massiv in eine Medienoffensive investiert. Eine zweite Medienoffensive steht an. Wir haben richtigerweise nicht 1 Milliarde DM – Frau Rastätter, das war Ihr Vorschlag – auf einen Schlag verteilt, sondern das muss alles auch verarbeitet werden. Wir haben in drei Bereiche investiert, und alle drei Bereiche gleichzeitig im Auge zu behalten ist wichtig. Wenn wir nur einen Bereich vernachlässigen, ist jede Investition nur halb so viel wert. Wir haben in die Technik, in die Geräte und in die Anschlüsse investiert. Alle beruflichen Schulen haben einen Internetzugang. Wir haben weiter in die Lehrerqualifizierung investiert. Das Lehrerqualifizierungsprogramm, das momentan bei uns läuft, ist das größte Qualifizierungsprogramm, das es je irgendwo gegeben hat: 30 000 Lehrer und Lehrerinnen in der Grundlagenausbildung, 4 500 Multiplikatoren, 1 500 Netzwerkberater waren geplant, jetzt sind wir bei 2 900. Das ist eine Investition, die erst einmal geleistet werden muss. Das muss auch der anerkennen, der jede ausgefallene Unterrichtsstunde zählt und entsprechend öffentlich kommentiert und kritisiert.
Der dritte Bereich ist genauso wichtig: Anwendung der ITTechnik. Da sind wir wirklich auch in einer Situation, in der wir sagen können: Jawohl, da tut sich etwas; da stimmen die Ausstattung mit Geräten und der sinnvolle Einsatz im Unterricht wirklich miteinander überein.
Wenn man fragt: „Stimmen dann im beruflichen Schulsystem die Ausbildungsangebote, die wir haben?“, müssen Sie sich auch ein paar Zahlen anhören, die bestätigen, dass wir den Anschluss nicht verpasst haben. Jetzt kann ich die Schülerzahlen oder die Fachklassen nennen. Ich nehme nur die Fachklassen in den letzten vier Jahren: 1997 für die ITBerufe 25 Fachklassen in Baden-Württemberg, 1998 118, 1999 235, im Jahr 2000 313, also eine Verzwölffachung innerhalb von vier Jahren – 40 % mehr Schüler in diesen Ausbildungsangeboten, als es im vergangenen Jahr der Fall war.
Probleme – auch die gibt es, auch die möchten wir nicht unter den Tisch kehren und vor uns her schieben – sind genannt worden. Wir sind in Gesprächen in einer Arbeitsgruppe, die intensiv an der Frage einer gerechten Lastenverteilung zwischen Land und Kommunen arbeitet, also an der Frage der Sachkostenbeiträge. Es ist vorhin richtig kommentiert worden: Die aktuellen Sachkostenbeiträge beziehen sich auf ganz konkrete Finanzbelastungen der Kommunen. Das sind keine politisch gegriffenen Beträge, sondern sie beziehen sich immer auf Erfahrungswerte der vergangenen Jahre. Aber das muss neu ausgelotet werden.
Ein weiterer Punkt: Die Betreuung dieser vielen Technik, die wir inzwischen an der Schule haben, ist nicht Aufgabe der Lehrerschaft, sondern dafür müssen wir neue Formen finden.
Wir haben im Kabinett Initiativen ergriffen, wir haben gemeinsam mit Hessen eine entsprechende Initiative in Berlin eingebracht, und auch hierzu habe ich wirklich die Bitte – das ist nicht ironisch gemeint, sondern wirklich eine Bitte –: Nutzen Sie jede Möglichkeit, mit Ihren Beziehungen auf die Bundesebene einzuwirken, damit wir in dieser Frage wirklich eine neue und der Problematik angemessene Regelung erreichen können.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Wintruff SPD: Sie müssen aber auch Ihre Möglichkeiten nutzen!)
Meine Damen und Herren, richtig ist, dass wir mit großer Aufmerksamkeit, mit hohen Erwartungen und auch mit massiven Forderungen weiter über den IT-Bereich diskutieren. Davon hängt vieles ab, und davon werden in Zukunft alle Bereiche der Wirtschaft, der Gesellschaft und des Privatlebens betroffen sein.
Wir sind aber auch weiterhin verantwortlich – ich will das nur mit zwei Anmerkungen erwähnen – für alle anderen Berufe, die diese Gesellschaft und unsere Wirtschaft brauchen. Ich befürchte manchmal, dass wir alle mit allen Augen auf den IT-Bereich starren und alle Ressourcen dafür mobilisieren, dabei aber vergessen, dass es viele, viele traditionelle Berufe gibt, die genauso wichtig sind.
Wenn wir das vergessen, laufen wir Gefahr, in drei oder fünf Jahren über Pflegenotstand oder dieses oder jenes diskutieren zu müssen. Deshalb ist eine ausgewogene Entwicklung wichtig. Wenn gefordert wird, weitere berufliche Gymnasien einzurichten, sage ich: Ja, aber nicht generell. Vor allem bei Technischen Gymnasien, vor allem für den IT-Bereich, setzen wir einen Schwerpunkt. Da sind aber auch die Kapazitäten und die Möglichkeiten, weitere Klassen zu schaffen, vorhanden.
Wir hatten noch nie eine absolute Deckelung bei Standorten, sondern wir sind immer flexibel verfahren bei der Einrichtung von neuen Klassen.
Es geht vor allem darum, jetzt auch im kaufmännischen Bereich einen Deckel draufzulassen, weil wir die Kräfte dringend im gewerblichen Bereich und im Medienbereich brauchen.
Wir sollten – ich freue mich darüber, dass das mehrfach angesprochen worden ist – wirklich die Leistungsschwächeren nicht vergessen. Es ist nicht so, wie es in einem Zwischenruf von, wie ich meine, Herrn Zeller zum Ausdruck kam, dass wir die Schulsozialarbeit überhaupt nicht wollten. Lieber Herr Zeller, ich frage mich, was das heißt, nachdem der Sozialminister vor wenigen Wochen 91 Standorte für Schulsozialarbeit verkündet hat. Wollen wir sie dann, oder wollen wir sie nicht? Und was bedeutet es, wenn das Land zum ersten Mal in die Mitfinanzierung der Schulsozialarbeit einsteigt? Heißt das, dass wir sie wollen, oder heißt das, dass wir sie nicht wollen?
Gehen wir doch mal in Bundesländer, in denen die SPD mit gutem Recht, weil der Wähler sich so entschieden hat, die politische Verantwortung trägt. Ich frage mich: Wo gibt es da Modelle, die man in Baden-Württemberg übernehmen könnte? Wir sind in dieser Frage Exportland, wenn es um neue Ideen geht. Ich nenne Ihnen die Beispiele. Sie werden sehen, dass andere Länder uns das nachmachen, was Jugendberufshelfer an den Schulen betrifft und was die kooperative Hauptschule betrifft. Es kommt nicht von ungefähr, dass der Bundesverband der deutschen Arbeitgeber den anderen 15 Bundesländern empfiehlt, für Hauptschüler und leistungsschwache Schüler das zu tun, was wir hier in Baden-Württemberg tun.
Herr Zeller, ich kann es Ihnen nicht ersparen, die Wahrheit zu sagen. Dazu sind wir als Politiker verpflichtet. Deshalb sollten wir auch über die Stärken unserer beruflichen Schulen in Baden-Württemberg reden.
Aber eine zusammenfassende Bemerkung, lieber Herr Zeller, müssen Sie und alle anderen noch ertragen.
Wer in Bildung investiert, der investiert in den Wirtschaftsstandort und in die Zukunft Baden-Württembergs. So werden – ich sage: zu Recht – Forderungen an die Politik, mehr für Bildung zu tun, begründet. Und wenn das so ist, wenn wirtschaftlicher Standard mit Bildungspolitik zu tun hat, dann muss auch der Umkehrschluss erlaubt sein. Da sind die Zahlen bekannt. Wir können nicht darüber diskutieren, was Arbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit, was Hochtechnologie
Wenn ein Land wirtschaftlich so erfolgreich ist wie BadenWürttemberg, dann kann die Bildungspolitik in diesem Land bei weitem nicht so schlecht sein, wie Sie es tagtäglich herbeizureden versuchen. Das glaubt Ihnen der Bürger nicht, weil das Gegenteil richtig ist. Dafür sorgen wir in der Politik und jeden Tag viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums – Modernisierung der Bildungsstätten des Handwerks – Drucksache 12/4708
Das Präsidium hat für die Begründung eine Redezeit von fünf Minuten und für die Aussprache gestaffelte Redezeiten bei fünf Minuten Grundredezeit je Fraktion festgelegt.