Protocol of the Session on October 26, 2000

Der Kollege Rau hätte ja vorhin auch einmal ein paar klare Worte zu dem sagen können, was hier sicherlich auch noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt werden soll, nämlich zum „Fall Filbinger“, den wir jetzt auch einmal als „Fall Hochhuth“ hier behandeln müssen.

Wir bewerten das heute ja aus einem gewissen zeitlichen Abstand. Wir müssen jetzt nicht die Debatte von Ende der Siebzigerjahre führen, sondern wir sollten eine Debatte mit dem Erkenntnisstand aus dem Jahr 2000 führen. Dazu gehört, dass man sich die im Rückblick sicher wichtigen Bewertungen dessen, was damals passiert ist, vor Augen führt. Wenn ein Mann wie Golo Mann klar und deutlich sagt, dass es damals eine „meisterhaft konzertierte Hetze gegen Filbinger“ gegeben habe – –

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Sie sind doch sein Zögling!)

Wenn Sie Golo Mann hier angreifen wollen, fällt das auf Sie selbst zurück.

(Beifall bei den Republikanern)

Wenn beispielsweise der frühere Berliner FU-Präsident Ernst Hirsch als Ergebnis einer Untersuchung festhält – ich zitiere ihn mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten –: „Es fehlt der Geist eines Emile Zola, der das Unrecht, das Filbinger geschehen ist, auf die Gassen schreit“,

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Jes- ses!)

wenn dann, meine Damen und Herren, von der linken Seite bezeichnenderweise kein Wort darüber gesprochen wird, dass zwei Oberstleutnante der Hauptabteilung Aufklärung der ehemaligen Stasi, Dr. Brehmer und Bohnsack, klar und deutlich nach der Wende offen gelegt haben, worum es damals ging, dann zeigt das, was in dieser Debatte wirklich abläuft. Das, was damals geschehen ist, war wesentlicher Bestandteil der so genannten „Aktion Schwarz“ der Stasi, die gegen Konservative, gegen die Unionsparteien, gegen so genannte Faschisten und alles, was rechts stand, geführt wurde. Davon von Ihnen kein Wort!

(Abg. Wintruff SPD: Weil es nicht stimmt!)

Kein Wort von dem, was Bohnsack später in seinem Buch klar und deutlich offen gelegt hat!

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Sa- gen Sie ein Wort zu Filbinger!)

An dieser Stelle muss man sich einmal bewusst machen, was mit einer solchen Debatte wirklich bewirkt werden soll.

(Unruhe bei der SPD)

Die Aufregung links außen verstehe ich; denn Sie von der SPD sind ja diejenigen, die jetzt mit der Mauermörderpartei PDS koalieren, kungeln und zusammenarbeiten,

(Beifall bei den Republikanern)

also mit der unmittelbaren Nachfolgepartei jener, die für das ganze SED-Unrecht verantwortlich sind und auch für diese Stasiaktionen verantwortlich waren.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Sie sind es, die nach meiner Meinung jetzt die Aktion der Stasi hier im Landtag konsequent fortsetzen wollen. Das finde ich ungeheuerlich.

(Beifall bei den Republikanern)

Aber das hat natürlich Methode. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den wirklich lesenswerten Leitartikel in der FAZ vom 24. Oktober dieses Jahres, wo Berthold Kohler unter der Überschrift „Linke Leitkultur“ etwas sehr Wichtiges festgehalten hat. Er hat nämlich klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass mit diesen Aktionen alle Positionen rechts von der Regierungskoalition entsprechend gebrandmarkt werden sollen. Jeder, der eine solche Position vertritt, wird in eine schwarz-braune Ecke gestellt – so nach dem Motto: Entweder ist er Populist, der den Extremisten fahrlässig Argumentationshilfe leistet, oder er ist natürlich ein zweifelhafter Demokrat, der in trüben Gewässern fischt.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Das ist die Methode!

(Abg. Drexler SPD: Sie lesen doch alles ab!)

Ich? Entschuldigen Sie einmal! Ich habe kein Manuskript. Ich habe nicht abgelesen wie Herr Reinelt. Das ist der große Unterschied zwischen uns.

(Beifall bei den Republikanern)

Und wenn ich Ihnen hier die FAZ vorhalte, dann tue ich das, weil ich zum Schluss noch ein Zitat bringen will.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Der zum Aufstand aufgerufene „anständige“ Deutsche

so schreibt Berthold Kohler –

darf seither keine rechten Demokraten mehr kennen, sondern nur noch Demokraten und Rechtsextremisten.

Das ist der Kern Ihrer Verleumdungsstrategie, die Sie hier betreiben wollen, nichts anderes.

(Anhaltender Beifall bei den Republikanern – Abg. Drexler SPD: Kein Wort zu den Todesurteilen! Kein Wort zu den Todesurteilen!)

Das Wort erteile ich der Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, Frau Dr. Schavan.

(Abg. Drexler SPD: Weikersheim!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden heute über zwei Themen: Wir reden über den Vorgang „Pflichtlektüre, Abitur, schriftliches Abitur an beruflichen Gymnasien“, und wir reden über Aussagen von Herrn Hochhuth, seine Kernaussage und eine Fülle nachfolgender Zeitungsberichte und Kommentare, wonach ein politischer Roman zugunsten eines ganz und gar unpolitischen Romans aus dem Verkehr gezogen worden sei. Zu beiden Themen werde ich Stellung nehmen.

Erstens zum Thema Pflichtlektüre. Vor elf Jahren, 1989, hat die Kommission, bestehend aus neun Mitgliedern, die heute gültige Lektüreliste für die beruflichen Gymnasien zusammengestellt. Auf dieser Lektüreliste, die ich gerne jedem Mitglied des Hauses zur Verfügung stelle, finden Sie „Eine Liebe in Deutschland“ von Hochhuth, und Sie finden genauso den „Stellvertreter“ von Hochhuth.

(Abg. Wieser CDU: Das ist ein Gefälle!)

1995/96, also zu der Zeit, als ich bereits Kultusministerin war, hat die Kommission Vorschläge für die Jahre ab 2000 gemacht, wobei für das Abitur immer gilt: Es gibt zwei Lektüren, die aus dem Lektürekanon zur Pflichtlektüre erklärt werden. Der Vorschlag lautete erstens „Faust“ von Goethe und zweitens „Eine Liebe in Deutschland“ von Hochhuth, und zwar – das muss ich hinzufügen – für das Abitur 2002.

Bereits damals hat es – so ist es in einem gestrigen, übrigens sehr guten und ausgiebigen Gespräch zwischen dem Ministerialdirektor meines Hauses und den Mitgliedern der Kommission beschrieben worden – in der Kommission Überlegungen gegeben, ob dieses Zusammenspiel eigentlich gehe, weil nur in dem einen Fall – „Faust“ – das zur Verfügung steht, was für Pflichtlektüren in der Regel zur Verfügung steht, nämlich die so genannten Lektürehilfen. Ich kann Ihnen das gerne mal zeigen. Die Vorstellung, dass das gleichsam eine Folie sei, die von den Schülern aufgenommen und nur noch rezipiert werde, ist wiederum eine massive Fehldeutung dessen, was mit einer solchen Lektü

rehilfe verbunden ist. Man hat das damals diskutiert und hat gesagt, wir glauben dieses Risiko eingehen zu können.

Das ist – das schiebe ich dazwischen – ein ganz analoger Vorgang zum Mathematikabitur 1998, das ich auch noch sehr gut in Erinnerung habe. Damals war vor diesem Abitur eine TIMSS-Studie erschienen. In dieser TIMSS-Studie hat es geheißen, der Mathematikunterricht in Deutschland sei zu theoretisch, zu abstrakt, er enthalte zu wenig anwendungsorientierte Aufgaben. Also hat die Kommission vorgeschlagen, man möge im übernächsten Abiturjahrgang – das war zwei Jahre vorher, sodass eine Vorbereitungszeit war – einen neuen Aufgabentyp aufnehmen, nämlich anwendungsorientierte Aufgaben.

Dann kam das Abitur. Da das noch nicht so lange her ist, können sich manche von Ihnen noch erinnern, wer alles sich in der Zeitung aufgeregt hat über diese unglaubliche Erschwerung des Abiturs, das Vorkommen von Aufgaben, die es so bislang nicht gegeben hat. Wir haben damals eine eingehende Analyse an den Schulen gemacht mit der Feststellung, dass es Schulen gab, in denen diese anwendungsorientierten Aufgaben eigentlich schon ganz breit im Unterricht vorkamen und deshalb das Abitur gut geklappt hat, und in anderen Bereichen die Aufgaben noch nicht so eingeführt waren und für Schüler zu Schwierigkeiten geführt haben. Ich will jetzt die Debatte über dieses Thema nicht vertiefen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Keine Ablenkungs- manöver!)

Ich lenke überhaupt nicht ab, ich rede jetzt mal zum Thema.

(Beifall bei der CDU – Abg. Zeller SPD: Sie len- ken ab!)

Damals haben wir in den entsprechenden Kommissionen gesagt, sei es für Mathematikunterricht oder Deutschunterricht – übrigens in enger Zusammenarbeit mit unserem Wettbewerb über Deutsch –, wir können schon im Laufe der Jahre einmal darüber nachdenken, wie wir bestimmte Weiterentwicklungen auch mit Blick auf Prüfungskultur auf den Weg bringen, sodass es – wie man so schön sagt – einen kreativeren Umgang sowohl in dem einen wie in dem anderen Bereich geben kann.

(Zuruf von der SPD: Außer heißer Luft nichts!)

Aber in der ganzen Debatte damals wurde klar und deutlich gesagt: Wenn es ums Abitur geht, dann müssen Prüfungskommissionen, dann müssen die Aufgaben sensibel ausgewählt werden, und – jetzt komme ich zum entscheidenden Punkt – es darf nicht im Angebot dessen, was vorkommt, ein Ungleichgewicht geben, das eine Chancenungleichheit bei Schülern und Schülerinnen schafft.

(Unruhe bei der SPD)

Jawohl, genau so ist das. – Insofern sind nicht nur Kommissionen, sondern ist auch die Fachabteilung meines Hauses,

(Zurufe der Abg. Carla Bregenzer, Zeller und Win- truff SPD)