Auch entspricht das bundesdeutsche MammographieScreening bisher leider nicht den Qualitätsrichtlinien der Europäischen Union und wird von den Kassen nur dann bezahlt, wenn eine so genannte kurative Mammographie vorliegt.
Ob allerdings ein qualitativ hochwertiges Screeningprogramm – gesetzt den Fall, es wäre finanzierbar und man hätte dafür auch das notwendige ausgebildete Personal – die darin gesetzten Hoffnungen auf eine spürbare Reduzierung der Sterblichkeitsrate erfüllen würde, ist unter Experten strittig.
Eine Auswertung von vier schwedischen Mammographiestudien bei einem Beobachtungszeitraum von zehn Jahren, bezogen auf 100 000 Frauen im Alter von 40 bis 74 Jahren, ergab eine Brustkrebssterblichkeit von 360 Frauen bei keiner Mammographie und von 290 Frauen, die eine Mammographie durchführen ließen. Dank Mammographie starben also 70 Frauen weniger. Bezogen auf 100 000 Frauen sind das bei einer absoluten Risikoreduzierung 0,07 %. Da dies wenig berauschend klingt, wird in wissenschaftlichen Ver
öffentlichungen von der relativen Risikoreduzierung ausgegangen. Da erhält man dann bei 70 Frauen eine Reduzierung der Sterblichkeit um 19 %, ein Prozentsatz, der selbstverständlich wesentlich beeindruckender ist. Es gibt auch Untersuchungen, bei denen ein relativer Prozentsatz von 30 % vorliegt; aber auch diese sind umstritten.
Ein weiteres Problem ist die Effizienz der Mammographie als Screeningmethode. Bei einer Untersuchung von rund 26 000 Frauen im Alter von 30 bis über 70 Jahren war bei 1 850 Frauen der Befund positiv. Wirklich Brustkrebs hatten allerdings nur 179. Verbarg sich bei älteren Frauen hinter jeder sechsten positiv gewerteten Mammographie tatsächlich Brustkrebs, so traf dies bei jüngeren Frauen nur auf jede 20. zu. Die schlechte Testeffizienz bei Frauen unter 40 liegt am unterschiedlichen Brustaufbau. Die Brust junger Frauen enthält mehr Drüsengewebe und weniger Fettgewebe, welches die Mammographie erschwert. Im Übrigen ist für junge Frauen die Strahlenbelastung nicht völlig ohne Risiko. Auch ist festzuhalten, dass eine positive Mammographie, die ja weitere diagnostische Untersuchungen und Eingriffe nach sich zieht, für die Betroffenen äußerst belastend ist, und zwar auch dann, wenn letztlich kein Brustkrebs vorliegt.
Des Weiteren gibt es Frauen, bei denen der Brustkrebs durch die Früherkennungsuntersuchung zwar früh diagnostiziert und behandelt wird, aber es nicht gleichzeitig gelingt, ihre Lebenserwartung zu verlängern. Für diese Frauen bedeutet die frühe Diagnose eine Verlängerung der Lebensspanne mit Brustkrebs, das heißt eine erhebliche Minderung ihrer Lebensqualität.
Es gilt also hier der Grundsatz: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Auf der einen Seite stehen nach der von mir herangezogenen Untersuchung – nachzulesen im „arznei-telegramm“ 10/1999 – 70 gerettete Frauen; auf der anderen Seite steht eine nicht unerhebliche Anzahl von Frauen, die durch eine Früherkennungsuntersuchung unnötig in Angst und Pein versetzt wurden, oder Frauen, deren positiver Befund nur zu einer frühen Reduzierung ihrer Lebensqualität führte, ohne dass ihr eine Verlängerung der Lebenszeit gegenübergestanden hätte. Auch sind die psychischen und sozialen Auswirkungen von Mammographie-Früherkennungsuntersuchungen noch unzureichend untersucht. An dem Spruch „Angst vor Krebs ist der sicherste Weg, Krebs zu bekommen“ ist sicherlich etwas Wahres.
Alles in allem erachten wir nach dem jetzigen Erkenntnisstand eine Mammographie als Früherkennungsmethode für Frauen ab 40 Jahren für sinnvoll. Allerdings sollten auch die Erkenntnisse der jetzt anlaufenden Pilotprojekte in eine endgültige Entscheidungsfindung mit einfließen.
In der Diskussion um eine bessere Früherkennung bei Brustkrebs dürfen wir die Augen nicht davor verschließen...
... – ich weiß, Herr Präsident, ich komme zum Schluss –, dass Krebs mit hoher Wahrscheinlichkeit immer eine Erkrankung des gesamten Organismus und nicht eines einzelnen Organs darstellt. Es müssen hier
also Wege gefunden werden, die eine ganzheitliche Sicht der Dinge ermöglichen. Dazu gehört meines Erachtens auch, dass die durch das Krebsgeschehen entmutigten und deprimierten Frauen durch geeignete psychologische Hilfe zur aktiven Mitarbeit am Gesundungsprozess gewonnen werden; denn der alte Spruch, dass gesund nur der wird, der auch gesund werden will, hat immer noch seine Gültigkeit.
Herr Präsident, ich glaube, das ist ein so wichtiges Thema, dass man die Redezeit ruhig einmal ein bisschen überziehen kann.
Entschuldigung, Herr Deuschle, Sie sind doch im Präsidium dabei. Dann beantragen Sie doch andere Redezeiten.
Was die Union und die FDP/DVP angeht, muss ich sagen: Brustkrebs gibt es nicht erst, seit Rot-Grün an der Macht ist. Sie hatten 16 Jahre Zeit, etwas zu machen.
Und zum Retourkutschenantrag der rot-grünen Fraktionen möchte ich feststellen: Sie sind in Berlin an der Macht. Handeln Sie da, und unterlassen Sie diese Profilierungsspielchen auf dem Rücken unserer Frauen hier im Land.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Alle Redebeiträge waren, denke ich, gekennzeichnet von einem großen, ernsthaften Bemühen um dieses Thema; denn es ist ein Thema, das alle Betroffenen belastet, wenn man eine Diagnose „Brustkrebs“ oder „Verdacht auf Brustkrebs“ gestellt bekommt. Ich möchte mit großer Ernsthaftigkeit auf die einzelnen Standpunkte und auch auf das, was zu diesem Thema gesagt wurde, eingehen.
Derzeit wird auch in der Öffentlichkeit sehr viel über das Thema Brustkrebsvorsorge allgemein und auch das angesprochene Mammographie-Screening speziell, gerade in der Form einer Reihenuntersuchung, diskutiert. In den letzten Monaten hat dieses Thema ein ungeheures Medieninteresse hervorgerufen.
Lassen Sie mich auch dieses eingangs feststellen: Ich habe den Eindruck, dass durch diese ganzen Diskussionen und Berichte leider mehr Fragen offen geblieben sind, als dass wir Antworten geben können. Es hat auch bei diesen Berichten manches sicher nicht zur größeren Versachlichung beigetragen, sondern es sind mehr Fragen offen geblieben. Frau Bender, Sie haben eine andere Ausgabe des „Ärzteblatts“ zitiert. Aber auch die aktuellste, die neueste Ausgabe des „Ärzteblatts“ vom 20. Oktober hat sich mit diesem Thema befasst. Das Titelblatt wurde unter der Frage „Ist Reihen-Mammographie sinnvoll?“ gestaltet. Der entsprechende Artikel wird dann auch mit dem Titel „Kontroverse um das Screening“ überschrieben.
Ich möchte vorweg feststellen: Sinnvoll ist Brustkrebsvorsorge in meinen Augen nur dann, wenn dadurch auch die Brustkrebssterblichkeit nachweislich verringert werden kann.
Da gebe ich Ihnen Recht. An diesem Kriterium muss sich auch die Brustkrebsvorsorge messen lassen. Wir müssen uns aber auch darüber im Klaren sein, dass das nicht heißen kann, dass, wenn sich einfach alle Frauen von 20 bis 80 Jahren beispielsweise jedes Jahr einer Mammographie unterziehen müssten, schon die Sterblichkeitsrate gesenkt würde. Ich glaube, das ist auch aus Ihren Beiträgen klar geworden. Da könnte falsche Vorsorge mehr Schaden anrichten als nutzen. Deshalb müssen wir – auch das kam ganz klar zum Ausdruck – dieses Thema vor dem Hintergrund einer umfassenden Qualitätssicherung beraten, und die Qualitätsstandards, die es ja einzuhalten gilt, müssen natürlich auch überwacht werden. Schon zum jetzigen Zeitpunkt sind bestimmte Formen der Qualitätssicherung sowohl im SGB V als auch im Kammergesetz und in der Berufsordnung der Ärzte rechtlich verankert. Aber offensichtlich reichen diese Instrumente noch nicht aus. Das ist auch nicht ein spezielles baden-württembergisches, sondern ein allgemeines Problem. Aber die Richtlinien gibt es.
Deshalb möchte ich auch sagen: Ich unterstütze den vorliegenden Entschließungsantrag, der eine gesetzliche Regelung der Qualitätsverbesserung zum Ziel hat. Aber ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen, dass es nicht nur um die Qualität der Mammographien selbst gehen darf. Einzelmaßnahmen sind zwar wichtig, sie müssen aber in ein Qualitätssicherungskonzept insgesamt integriert sein. Das heißt eben, dass das schon die Auswahl der zu untersuchenden Frauen betrifft und bis hin zur Nachbetreuung reichen muss. Bei der Frage, ob wir dann dieses Konzept in Screening-Zentren realisieren oder andere Wege gefunden werden, bin ich doch nach wie vor der Meinung, dass man das sinnvollerweise erst einschätzen kann, wenn wir die Ergebnisse aus den Modellprojekten kennen.
Es gibt bis heute – das möchte ich einfach, weil das auch in den Wortbeiträgen ganz deutlich wurde, sagen – im Wesentlichen drei unterschiedliche Standpunkte. Die müssen bis jetzt aus meiner Sicht alle sehr ernst genommen werden.
Es ist, glaube ich, hier klar geworden, was die Mammographie-Screenings bedeuten, dass sie Röntgenreihenuntersu
chungen sein sollen. Dabei unterzieht sich eine große Anzahl von Normalpersonen einer Röntgenuntersuchung, damit wenige Erkrankte gefunden werden können. Wir können jetzt über einzelne Evaluierungen streiten, aber es sind ca. 5 Promille, also bei 1 000 Personen fünf Fälle.
In Deutschland wird noch kein Mammographie-Screening durchgeführt, sondern eine mammographische Diagnostik, und die dient, wie schon gesagt wurde, der Abklärung eines klinischen Befunds im Einzelfall.
Die Einführung eines Mammographie-Screenings liegt ausschließlich in der Zuständigkeit der Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen und würde nach dem jetzigen Stand nur Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren betreffen.
Die Befürworter des Screenings setzen, wie hier schon angeführt wurde, auf die Ergebnisse großer Studien aus den Niederlanden, aus Schweden und aus Großbritannien. Sie sagen, die hätten gezeigt, dass sich die Mortalität um 30 % senken ließe.
Ja. – Diese guten Ergebnisse seien jedoch nur dann zu erzielen, wenn sich die Qualitätssicherung auf allerhöchstem Niveau befinde und sich über die ganze Screeningkette erstrecke, das heißt von der Auswahl der Frauen, die diese Untersuchung machen sollen, über den technischen Untersuchungsteil bis zur Folgediagnostik und zur Therapie.
Dann gibt es die Kritiker des Screenings, und die argumentieren vor allem mit den Statistiken zur Häufigkeit von Brustkrebs und zur Sterberate. Sie gehen davon aus, dass von 1 000 Frauen im Alter zwischen 50 und 70 Jahren, die alle zwei Jahre zur Mammographie gehen, in den nächsten zehn Jahren nach der Statistik drei an Brustkrebs sterben würden und ohne Mammographie vier, und sie sagen, dass es angesichts dieser Überzahl gesunder Frauen nicht angemessen sei, die Frauen ständig diesen Röntgenuntersuchungen zu unterziehen.
Dann gibt es die dritte Gruppe, die auch der Autor des „Ärzteblatts“ nennt. Ich möchte sie jetzt einfach als die Zweifler und Skeptiker bezeichnen. Diese Gruppe ist klein, und laut Aussage des „Ärzteblatts“ sei es noch offen und noch nicht zu beziffern, ob sich die Kritiker durchsetzen. Ihre Kritik beziehe sich hauptsächlich auf die Zuverlässigkeit und Aussagekraft aller Studien und Statistiken.
Erstens eignet sich dieses Thema nicht zu einer partei- oder standespolitischen Diskussion. Deshalb finde ich es sehr gut und wichtig, dass dieses Thema von allen Fraktionen mit großer Ernsthaftigkeit diskutiert wurde.
Es ist aber auch zu ernst, als dass die Anstrengungen, die bisher im Kampf gegen den Brustkrebs unternommen wurden, leichtfertig wieder aufs Spiel gesetzt werden sollten.
Dazu möchte ich auch sagen, dass es ja nicht so ist, dass wir hier in Baden-Württemberg oder in der Bundesrepublik insgesamt im europäischen Vergleich schlechter dastünden oder irgendwo medizinisch hinterherhinkten. Das betrifft sowohl die Qualität der Patientenversorgung bei der Früherkennung und auch bei der Therapie als auch die Rate der Neuerkrankungen und Todesfälle. Diese Fälle sind sehr schlimm, und ihre Zahl ist in den letzten Jahren sicher auch gewachsen. Es sind gewisse Zivilisationskrankheiten, die zunehmen. Aber es ist nicht so, dass wir schlechtere Daten hätten als andere europäische Länder.
Außerdem ist natürlich nach wie vor das oberste und allerwichtigste Gebot – und das steht außer Frage –, dass die Früherkennung von Brustkrebs Leben retten kann. Ich erhoffe mir dazu neue Erkenntnisse aus den derzeit auf Bundesebene laufenden Modellprojekten; es sind drei Projekte, Frau Kollegin Bender.
Parallel dazu möchte ich meinen Appell aber auch an die ärztliche Selbstverwaltung richten. Herr Dr. Müller, es ist ja auch nicht so, dass wir nicht ständig mit den Ärzten und der Selbstverwaltung im Dialog stünden, aber die ärztliche Selbstverwaltung hat es in der Hand, wie konsequent eine Arztpraxis oder Klinik den Empfehlungen und auch den wissenschaftlich gesicherten Leitlinien – und die gibt es ja, und zwar von den jeweiligen Fachgesellschaften und von der Bundesärztekammer – folgt. Dabei geht es nicht nur darum, Empfehlungen und Leitlinien intern umzusetzen, sondern die Strukturen, die Abläufe und die Ergebnisse müssen auch extern überprüfbar sein. Deswegen setzt da das öffentliche Handeln an. Das muss transparent gemacht werden. Abweichungen vom Standard müssen erkennbar werden. Nur dann wird es uns gelingen, eine bestmögliche Behandlungsqualität zu erreichen, sodass die Frauen davon den größtmöglichen Nutzen haben.