Protocol of the Session on October 25, 2000

Sie wissen, welchen Ausdruck ich meinte.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Nur keine Zu- rückhaltung, Herr Minister! Nennen Sie das Kind beim Namen! – Abg. Eigenthaler REP: Ein hartes Wort gebrauchen!)

(Minister Ulrich Müller)

Wenn das die neuen Konzepte der DB sind, dass sie sozusagen ihre Züge laufen lässt, dies als Fernverkehr benennt, aber als Nahverkehr bezahlen lässt, muss ich sagen: Das ist keine Gesprächsgrundlage!

Wie gesagt, wir können über die Finanzierung der Differenz für zwei Jahre reden, unter der Voraussetzung, dass wir dann später verbesserte Regionalisierungsmittel bekommen. Aber wenn das nicht ist, dann ist es nicht, und dann werden die die Konsequenzen zu tragen haben, die diesen Schlamassel angerichtet haben. Wir können den nicht ausbügeln.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der Republikaner)

Meine Damen und Herren, wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der vorliegenden Anträge. Ich gehe davon aus, dass der Antrag Drucksache 12/5594 durch die Aussprache erledigt ist. – Sie stimmen dem zu.

Ich lasse nunmehr über den Entschließungsantrag Drucksache 12/5643 abstimmen und weise zuvor nochmals darauf hin, dass in der zweiten Zeile der Ziffer 2 das Wort „Schienenpersonennahverkehr“ durch das Wort „Schienenpersonenfernverkehr“ ersetzt wird. Wer dem Entschließungsantrag mit dieser Änderung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Einstimmig so beschlossen.

Ich unterbreche die Sitzung bis 15:00 Uhr und mache nochmals darauf aufmerksam, dass Sie jetzt ein Ständchen der Parforcehornbläsergruppe aus Schömberg hören können.

(Unterbrechung der Sitzung: 13:42 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 15:01 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses zu der Mitteilung der Landesregierung vom 24. Mai 2000 – Bericht über die Europapolitik der Landesregierung im Jahre 1999/2000 – Drucksachen 12/5223, 12/5545

Berichterstatter: Abg. Dr. Reinhart

b) Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Stellungnahme des Staatsministeriums – Europapolitik in Baden-Württemberg – Drucksache 12/5132

Das Präsidium hat für die Aussprache zu den Tagesordnungspunkten 4 a und 4 b gestaffelte Redezeiten bei einer Grundredezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt.

Wem darf ich das Wort erteilen? – Herr Abg. Dr. Reinhart, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei diesem überwältigenden Interesse zu dem Thema Europa und bei diesem „überfüllten“ Plenum möchte ich in der Historie beginnen, nämlich mit Konrad Adenauer.

Konrad Adenauer hat einmal gesagt:

Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen. Sie wurde eine Hoffnung für viele. Sie ist... eine Notwendigkeit für uns alle.

Was Adenauer damals mit begonnen hat, hat er auch als Vorsitzender des Parlamentarischen Rats in der Verfassung niedergeschrieben, nämlich als Ziel in der Präambel: ein wiedervereinigtes Deutschland in einem geeinten Europa. Aus diesem Europa der sechs ist ein Europa der 15 geworden, und weitere zwölf Beitrittskandidaten stehen vor der Tür. Wir sehen dadurch die Dimension und auch die Bedeutung Europas.

Wenige Tage nach der Feier zum zehnten Jahrestag der deutschen Einheit sollten wir uns auch darauf besinnen, dass wir in der längsten Friedenszeit der modernen Geschichte leben. Dies bedeutet auch die längste Zeit von Frieden und Freiheit, und Europa bedeutet Frieden, und Europa bedeutet Freiheit.

(Beifall bei der CDU)

Das sollte man immer in diesem Zusammenhang sehen, auch wenn wir uns die Bedeutung dieses Europaberichts bewusst machen.

Die Landesregierung hat den fünften Bericht über die Europapolitik der Landesregierung vorgelegt. Er umfasst das Berichtsjahr 1999.

Ich will vorab zum Verfahren etwas sagen. Wir sollten uns darüber Gedanken machen, ob wir tatsächlich immer so zeitverzögert, erst zehn Monate später, über das Berichtsjahr diskutieren wollen, über das der Europabericht verfasst wird; denn wir sind im Grunde genommen dann nicht mehr aktuell. Das Jahr 1999 ist längst vorbei. Wir sollten vielleicht beim sechsten, siebten und achten Bericht nachdenken, auch parlamentarisch, wie wir erstens Europa die ihm gemäße Bedeutung beimessen und wie wir zweitens diesen Bericht zeitnäher diskutieren können, damit wir uns auch die aktuelle davon erfasste Problematik vor Augen halten können.

Sehr gut bei diesem Bericht ist, dass er zunächst mit einer aktuellen europapolitischen Lage im Vorspann beginnt. Dort geht es um wesentliche Fragen wie die Stimmengewichtung im EU-Ministerrat, die Größe der EU-Kommission, den Übergang zu Mehrheitsentscheidungen und die Erleichterung der verstärkten Zusammenarbeit.

Die aktuellen europapolitischen Themen sind die Regierungskonferenzen, vor allem aber auch die Grundrechtecharta und die Erweiterung nach Osten. Diese Themen werden angesprochen, darüber hinaus aber auch zahlreiche Aktivitäten des Landes, vor allem in der grenzüberschreitenden und interregionalen Zusammenarbeit.

Vor diesem Hintergrund hatten wir gerade gestern die Meldung in der „Stuttgarter Zeitung“, dass Bundeskanzler

Schröder gesagt hat, die Slowakei sei ganz vorne und im Jahr 2003 dabei. Ich möchte hier auch vor einer zu großen Euphorie warnen,

(Abg. Döpper CDU: Richtig!)

denn – wir hatten bei unserer Tagung des Ständigen Ausschusses in Berlin vor wenigen Wochen den polnischen Botschafter zu Gast – diese Länder haben alle große Hoffnung. Es geht um die Beitrittswilligkeit, aber auch um die Beitrittsfähigkeit.

(Abg. Döpper CDU: Jawohl!)

Mit diesem Thema müssen wir sehr sensibel umgehen. Deshalb müssen sicherlich zuvor einige Punkte geklärt werden, etwa die Größe und die Zusammensetzung der Kommission, die Stimmengewichtung im Ministerrat und auch die mögliche Ausweitung von Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit.

In diesem Zusammenhang muss auch die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung gesehen werden. Diese wollen wir nicht bedroht sehen. Der Städte- und der Gemeindetag haben darauf hingewiesen, dass es hier die Angst gebe, in der Zuständigkeitsfrage zwischen Bund, Ländern und Europa mit der kommunalen Selbstverwaltung unterzugehen. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch dieser Bedrohung Rechnung tragen und dies mit einbringen.

Wir sehen auch die Bedeutung des Euros. Das war im Jahr 1999 das zentrale Thema. Der Euro wurde

(Abg. König REP: Schwächer und schwächer!)

eingeführt. – Lieber Kollege König, wir dürfen gerade auch nicht mit Äußerungen wie den Ihren den Euro zerreden.

(Abg. Rapp REP: Den kann kein Mensch mehr zerreden!)

Es darf aber auch nicht ein Kanzler oder ein Herr Duisenberg unbedachte Äußerungen machen.

Die Währungsunion ist ein wichtiger Schritt in ein gemeinsames Europa. Sie war richtig. Wenn der Euro derzeit Probleme hat, müssen wir immer bedenken: Allein auf Deutschland und Frankreich entfallen 50 % im Korb des Euro. Gerade die deutsche Wirtschaft ist auf diesem Zug im Vergleich zu den USA am langsamsten.

Aber auch die Agrarpolitik, die noch unter Kanzler Schmidt völlig europäisiert worden ist, wirft Probleme auf, die gelöst werden müssen, wenn wir über das Beitrittsthema sprechen.

Bei der Stimmengewichtung im Ministerrat treten die großen Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und auch Spanien für eine stärkere Orientierung an der Bevölkerungszahl ein. Ich denke, die Regierung wird nachher dazu Stellung nehmen. Sicherlich ist es wichtig, dass das Stimmengewicht hierbei erhöht werden kann.

Bei der Kommission wollen natürlich auch die kleineren Mitgliedsstaaten berücksichtigt werden und treten für weiterhin einen Kommissar pro Mitgliedsstaat ein. Aber hier

wird eine Lösung nötig sein, sei es durch die Einführung von Vizepräsidenten oder auch die Stärkung des Kommissionspräsidenten, damit nicht mehr das passiert, was im Jahr 1999 der Fall war, als eine innere Problematik in der Kommission entstanden ist, die dann zur Auflösung geführt hat.

Uneinheitlich ist auch das Bild hinsichtlich der Mehrheitsentscheidungen. Insoweit ist es wichtig, dass bei vielen Kompetenzfragen eine Übergangszeit gefunden wird. So gibt es Themen, die miteinander zusammenhängen: Bei einer stärkeren Stimmengewichtung akzeptieren vor allem die großen Mitgliedsstaaten eher den Übergang zu Mehrheitsentscheidungen.

Von dieser Seite her denke ich, es ist auch wichtig, dass die Kompetenzabgrenzungsfragen vorher gelöst sind, bevor wir zu schnell in die Erweiterungslösung gehen. Wir haben hierbei einen großen Reformprozess zum Ziel, nämlich eine Vereinfachung der Verträge, die Aufnahme der Grundrechtecharta in den EG-Vertrag sowie die Kompetenzabgrenzung.

Damit komme ich zu einem wichtigen Teil, nämlich zur Grundrechtecharta. Ganz im Gegensatz zur Regierungskonferenz kann der Konvent, der die Grundrechtecharta vorbereiten sollte, als Erfolg angesehen werden. Professor Herzog hat diese Kommission geleitet. Es waren äußerst schwierige Vorbedingungen. Es war problematisch, aber es ist ein guter Wurf gelungen.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Aha!)

Die 52 Artikel gliedern sich in verschiedene Kapitel, nämlich: Würde des Menschen, Freiheiten, Gleichheit, Solidarität, Bürgerrechte, Justizielle Rechte und Allgemeine Bestimmungen. Wichtig ist, dass diese Grundrechte sich nur im Rahmen der EU-vertraglich eingeräumten Kompetenz bewegen dürfen, also keine Grundlage für weiterführende EU-Aktivitäten sind.