Protocol of the Session on October 25, 2000

Das Letztere haben Sie nicht gesagt.

Dritte Bemerkung: Wir brauchen in Zukunft aus allgemeinen verkehrspolitischen Gründen mehr Bahn und nicht weniger.

Viertens: Der ÖPNV in Baden-Württemberg wird nicht nur mit 1,2 Milliarden DM Regionalisierungsmitteln getragen, die wir vom Bund bekommen, sondern auch mit mindestens gleich hohen Mitteln, die aus dem Landeshaushalt kommen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Verkehrsminister Müller.

(Abg. Haas CDU: Der Stolz war noch nie so schlecht wie heute! – Gegenruf des Abg. Stolz Bündnis 90/Die Grünen: Dich einzuholen, ist eine große Kunst!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem kurzen Auftritt des Kollegen Scheuermann muss ich feststellen: Es wäre manchmal gut, man hätte immer nur 27 Sekunden Redezeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Heiterkeit)

Da könnte man manchmal wirklich in komprimierter Form etwas zum Ausdruck bringen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie können dem Bei- spiel folgen, Herr Minister!)

Sie können jetzt ja ein Beispiel setzen.

(Heiterkeit)

Jawohl. – Ich habe übrigens meinen geplanten Flug heute zeitlich etwas verschoben, sodass ich jetzt etwas mehr Luft habe.

Meine Damen und Herren, selten war eine Debatte so berechtigt und so aktuell wie diese. Hier ist der Ort, an dem wir über die Benachteiligung des Landes Baden-Württemberg sowie seiner Regionen und die Fehlentscheidungen, die sich in diesem Zusammenhang abzeichnen, sprechen können. Das ist jetzt aktuell, und hier ist auch der richtige Ort, an dem wir überprüfen können, ob wir über alle politischen Kräfte hinweg Konsens in dieser Frage haben.

Ich stelle als Ergebnis dieser Debatte schon jetzt eines fest – – In Bezug auf die Position der Grünen bin ich mir nicht ganz im Klaren. Ich weiß beispielsweise nicht, ob sie dem Antrag von CDU und FDP/DVP zustimmen.

(Zurufe von der CDU)

Was aber die Position der SPD anbelangt, so kann ich quittieren: Das ist unsere Position. Sie lautet ganz einfach – das ist die Botschaft, die von dieser Debatte ausgehen muss –: Es wäre ein Fehler, Nahverkehrsmittel für Fernverkehrsleistungen in Anspruch zu nehmen. Dies wäre ein Fehler!

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Göschel SPD und Kleinmann FDP/DVP)

Wenn dies das Ergebnis der Debatte sein wird, hat sich die ganze Geschichte schon gelohnt.

Herr Stolz, ich kann mir nicht verkneifen, Ihnen das zu sagen: Sie kritisieren den Antrag von CDU und FDP/DVP. Wissen Sie, was Sie da kritisieren? Einen einstimmigen Beschluss der Verkehrsministerkonferenz. Überlegen Sie es sich; da waren auch ein paar Grüne dabei, die dem zugestimmt haben.

(Zurufe von der CDU: Aha!)

Jetzt kann ich es ja sagen; es war ein kleiner Trick. Sie sind darauf hereingefallen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Ich schlage Ihnen vor: Stimmen Sie zu.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Stolz?

Jawohl.

Bitte schön, Herr Abg. Stolz.

Ich muss das Mittel der Zwischenfrage benutzen, um klarzustellen, dass ich dem ersten Antrag nicht zugestimmt habe. Dem zweiten Antrag stimmt aber meine Fraktion zu.

Sie dürfen gerne zustimmen. Dann sind wir uns in einem wesentlichen Punkt einig, der heißt: Es gibt eine Verantwortung der Bahn, und es gibt eine Verantwortung des Bundes. Ich will das noch einmal deutlich machen.

Wie ist die Lage? Die Lage ist auf der einen Seite sehr ärgerlich, auf der anderen Seite eigentlich sehr einfach. Man muss es schlicht einmal darstellen.

Erstens: Nahverkehr. Für den Nahverkehr tragen die Länder die Verantwortung, auch wir in Baden-Württemberg. Im Nahverkehr haben wir eine glänzende Bilanz. In den letzten fünf Jahren haben wir das Schienenverkehrsangebot um ein Drittel und die Zahl der Fahrgäste um ein Viertel ausgeweitet. Das soll uns mal einer nachmachen. Wir haben für genau diesen Zweck auch eine Menge Geld vom Bund bekommen. Dafür setzen wir dieses Geld auch ein. Einverstanden.

Zweitens: Fernverkehr. Im Fernverkehr gilt die Verantwortung der Bahn und des Bundes; das muss man noch einmal deutlich machen. Die Bahn soll im Fernverkehr zunächst einmal eigenwirtschaftlich fahren. Der Bund ist in dreifacher Hinsicht verantwortlich.

Zum einen ist er Veranstalter der Bahnreform. Der Bund hat seinerzeit gemeinsam mit den Ländern festgelegt, wo die Grenze zwischen Nah- und Fernverkehr liegt: Wenn die Mehrzahl der Fahrgäste eines Zuges nur maximal 50 Kilometer oder eine Stunde lang unterwegs sind, zählt dies zum Nahverkehr, der Rest gilt als Fernverkehr. Die Mittel wurden entlang dieser Grenze zugeteilt. Wenn der Bund die Grenze heute verschieben will, kann man darüber reden, aber dann müssen auch die Gelder mit verschoben werden. Das ist klar. Dies ist die erste Verantwortung des Bundes. Wenn sich zwischen Nahverkehr und Fernverkehr etwas tun soll, dann ist der Bund mit einer Novelle der Bahnreform gefordert.

Zweitens: Der Bund ist Alleineigentümer der DB AG. Ein Alleineigentümer kann natürlich die Grundsätze der Geschäftspolitik mitbestimmen, ob es in einem Aufsichtsrat oder woanders geschieht. Ich möchte keine falsche parteipolitische Schärfe in die Debatte bringen, aber mich stört am Bundesverkehrsminister, dass er so tut, als hätte das Thema nichts mit ihm zu tun.

(Minister Ulrich Müller)

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Er ist ja auch nur Verkehrsminister!)

Natürlich hat es etwas mit ihm zu tun, klar.

Es hat – drittens – aus einem ganz konkreten Grund mit ihm zu tun, denn im Grundgesetz steht genau der Fall, über den wir jetzt sprechen. In Artikel 87 e Abs. 4 des Grundgesetzes steht es so klar – zumindest für Juristen –, dass ich ihn hier vorlesen muss. Man muss zwar nicht immer mit dem Grundgesetz operieren, aber hier gibt es eine Regelung, die genau unseren Fall erfasst.

Der Bund gewährleistet,

der Bund; da ist nicht von der DB AG die Rede –

dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen,

jetzt werden zwei Punkte unterschieden –

beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes

das ist klar, es ist die Verantwortung des Bundes für die Infrastruktur –

sowie bei deren Verkehrsangeboten

dass ist das, was auf den Schienen stattfindet, das sind die Züge –

auf diesem Schienennetz,

(Abg. Stephanie Günther Bündnis 90/Die Grünen: Das ist aber keine Bestandsgarantie!)

schön langsam, ich zitiere nur das Grundgesetz; das wird man ja noch ohne Zwischenruf tun dürfen –