Protocol of the Session on October 5, 2000

Gegenüber diesen Argumenten waren die Standpunkte der kommunalen Landesverbände abzuwägen, die die kommunale Wirtschaft und deren Ausgestaltung als wesentlichen Bestandteil ihrer kommunalen Selbstverwaltung ansehen, die sich in Zeiten knapper öffentlicher Kassen einem erhöhten Zwang zu wirtschaftlichem Handeln ausgesetzt sieht und sich in ihrer Tätigkeit, zum Beispiel beim Wohnungsbau, gegenüber privatwirtschaftlicher Konkurrenz behaupten muss. Deshalb dürfe das öffentliche Vergaberecht gerade nicht auf privatrechtliche Unternehmen der Kommunen ausgedehnt werden.

Nach Abwägung aller Argumente – ich kann Ihnen versichern, wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht – hat sich die Kommission für den Wettbewerb entschieden und empfiehlt einstimmig die Ausdehnung des öffentlichen Vergaberechts auf die öffentlichen Unternehmen in privater Rechtsform. Konkret bedeutet dies die Anwendung des funktionalen Auftraggeberbegriffs von § 98 GWB für kommunale und landeseigene Unternehmen auch unterhalb der EU-Schwellenwerte bis zu einem Schwellenwert von 30 000 Euro. Dabei werden die Ausnahmeregelungen des Bundes- und des Landesgesetzgebers übernommen.

Dies bedeutet: Nicht die Rechtsform eines Unternehmens ist für die Bindung an das öffentliche Vergaberecht entscheidend, sondern sein Aufgabenzweck. Dies heißt konkret:

(Abg. Deuschle REP: Sie nehmen uns den ganzen Text weg, Frau Kollegin! Das ist unfair!)

Rothaus und die Sparkassen fallen nicht unter das Vergaberecht, die technische Betriebs-GmbH, in der eine Kommune Tiefbauamt, Bauhof, Grünflächenamt, Müllabfuhr etc. auslagert, dagegen sehr wohl.

Die beste Vergabeordnung nützt nichts, wenn sie nicht konsequent umgesetzt wird. Beanstandet wurden in den Anhörungen vonseiten der Mittelstandsvertreter die Anzahl der Generalunternehmervergaben durch das Land sowie Verstöße in der Vergabepraxis, zum Beispiel in der Wahl der Vergabeverfahren oder einer fehlerhaften Wertung der Angebote.

Deshalb empfiehlt die Kommission, dass die Anwendung und die Einhaltung der Grundsätze der Vergabeordnung konsequent durchgesetzt und überwacht werden, die Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose konsequent gehandhabt wird und die Vergabe an Generalunternehmen nur bei wirtschaftlichen und technischen Erfordernissen zulässig sein soll.

Die Kommission hat sich auch intensiv mit den so genannten vergabefremden Kriterien befasst, das heißt mit der Verknüpfung der öffentlichen Auftragsvergabe mit sozialen oder gesellschaftspolitisch motivierten Zielen, und hierzu bewusst auch die Bewertung von Sachverständigen ein

geholt. Selbstverständlich sind Ausbildungsförderung und Frauenförderung Ziele, die richtig und unterstützenswert sind. Die Einhaltung von Tarifverträgen ist sicher für viele Menschen wünschenswert, allein, das öffentliche Vergaberecht ist als Instrument ungeeignet, um diese Ziele zu erreichen. Bis auf den DGB sprachen sich alle, das heißt Sachverständige, Wirtschaftsverbände und kommunale Landesverbände, unisono gegen die Aufnahme weiterer Kriterien aus. Die Mehrheit der Enquetemitglieder sah daher sowohl aus praktischen als auch aus rechtlichen Gründen keinen Spielraum für die Aufnahme so genannter vergabefremder Kriterien.

Die Beteiligung an öffentlichen Auftragsverfahren ist bereits jetzt mit Aufwand und Kosten verbunden und führt dazu, dass sich manches mittelständische Unternehmen nicht an einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren beteiligt. Zusätzliche Entscheidungskriterien sind im Einzelfall schwer überprüfbar und erhöhen die Bürokratiebelastung, über die bereits heute alle Unternehmer klagen. Im Endeffekt werden gerade kleine und mittlere Unternehmen, denen wir doch eigentlich helfen wollen, von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen abgeschreckt.

Noch schwerer aber wiegen die rechtlichen Zweifel. Der BGH hat in seinem Urteil vom 18. Januar die Praxis des Landes Berlin, öffentliche Straßenbauaufträge nur an tariftreue Unternehmen zu vergeben, für verfassungswidrig erklärt. Das Berliner Vergabegesetz liegt jetzt beim Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung. Meinrad Dreher, Professor für Europarecht, meint sogar, dass die Aufnahme von vergabefremden Kriterien auch mit dem Europarecht nicht vereinbar sei, da dieses weder bei der Eignung eines Bieters noch bei den Kriterien für den Zuschlag andere als rein wirtschaftliche Erwägungen erlaube.

Die Gewährung der unbeschränkten Marktfreiheit und das Diskriminierungsverbot setzen enge Grenzen. Wie wollen Sie die Ausbildungsbereitschaft in einem Land bewerten, das die duale Ausbildung nicht kennt? Wollen Sie die Unternehmer dieser Länder grundsätzlich von öffentlichen Aufträgen ausschließen? Wir sollten uns als Parlament davor hüten, Gesetze zu beschließen, von denen wir bereits zum Zeitpunkt des Entwurfs wissen, dass sie vor einem höheren Gericht keinen Bestand haben. Die Kommission hat sich deshalb in ihrer Mehrheit gegen die Aufnahme so genannter vergabefremder Kriterien ausgesprochen.

In der Anwendung der Stammpersonalklausel folgte die Enquete der Argumentation, dass sich diese Klausel unmittelbar auf die Qualität der Leistung beziehe und damit ein vergabeimmanentes Kriterium sei, und empfiehlt deshalb die Anwendung.

Bezüglich der Erweiterung des subjektiven Rechtsschutzes, das heißt, dem Unternehmen ein subjektiv einklagbares Recht auf Einhaltung der Vergabevorschriften zu geben, empfiehlt die Kommission, den Erfahrungsbericht der Bundesregierung im Jahr 2002 abzuwarten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Abschluss meiner Ausführungen möchte ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen in der Enquetekommission bedanken für die offene, sachliche und konstruktive Zusammenar

beit. Danken möchte ich auch den vielen Verbandsvertretern, Unternehmern, Wirtschaftsförderern, Vertretern der Ministerien und Sachverständigen, die uns bereitwillig und unentgeltlich ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihren Rat zur Verfügung stellten und damit ganz wesentlich den Inhalt unserer Berichte bestimmten.

Ganz besonders danken möchte ich auch unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin, Frau Dr. Buschmann, die durch ihr überdurchschnittliches Engagement und profunde Sachkenntnis Umfang und Tiefe der Enquetearbeit ermöglicht.

Last, but not least möchte ich auch der Landtagsverwaltung ein herzliches Dankeschön aussprechen, die unsere Arbeit großzügig und unbürokratisch unterstützt und auch unvorhergesehene Wünsche immer erfüllt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort erteile, will ich darauf hinweisen, dass Herr Berichterstatter Ulrich Brinkmann, wie einige von Ihnen wissen, seit längerem krank ist und deshalb heute nicht da sein kann. Ihm gelten unsere besten Genesungswünsche.

(Beifall bei der CDU, der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Scheffold.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Zwischenbericht der Enquetekommission bezieht sich ja auf einen Zusatzauftrag, den die Enquetekommission bekommen hat, nachdem sie eingesetzt worden war. Mir ist von Vertretern des Handwerks in den letzten Wochen mehrfach gesagt worden, die Einsetzung dieser Enquete habe sich bereits jetzt gelohnt, da wir hier eine Handlungsempfehlung zum Thema Vergaberecht vorlegen könnten. Dies war nicht einfach; die Frau Vorsitzende hat dies ausgeführt. Es gab viele, viele Abstimmungsgespräche und viele Verhandlungen zu führen. Es war eine schwierige Aufgabe. Aber wir haben sie gelöst. Ich möchte mich bei allen Beteiligten ganz herzlich dafür bedanken, dass dies so gelungen ist.

Was wir vorlegen, ist ein Kompromiss zwischen den Belangen des Handwerks und des Mittelstands einerseits und der Kommunen andererseits. Die Kommunen sollen auf schnelle Entwicklungen reagieren können.

Was wollen wir beim Handwerk? Es soll bei Kommunen oder Land keine Möglichkeiten für Aufträge verlieren, indem Aufgaben in GmbHs, mehrheitlich in der öffentlichen Hand, oder in Aktiengesellschaften überführt werden. Darauf gründet sich die Einführung des funktionalen Auftraggeberbegriffs auch unterhalb des Schwellenwerts der Europäischen Union.

Wir wollen zweitens eine Stärkung und Bekräftigung der Ausschreibung in Teillosen, damit sich kleine Betriebe besser bewerben können.

Drittens: Nur in Ausnahmefällen sollen Vergaben an Generalunternehmer und ABC-Ausschreibungen erfolgen. Generalübernehmer sind ganz ausgeschlossen.

Wir wollen viertens kein kompliziertes und teureres Verfahren. Damit bin ich bei dem einzigen Punkt, über den in der Enquetekommission nicht gänzlich Einvernehmen bestand. Damit nicht alles komplizierter wird, hat sich die Mehrheit der Kommission gegen die Aufnahme so genannter vergabefremder Kriterien entschieden.

Natürlich sind Tariftreue, Frauenförderung oder Ausbildung diskussionswürdige Kriterien. Aber wir sollten zunächst einmal darüber nachdenken: Was ist der Sinn und Zweck des Vergabeverfahrens? Es bezweckt zunächst einmal einen fairen Wettbewerb auch für den Mittelstand. Es bezweckt den Ausschluss von Korruption, und es bezweckt angemessene Preise.

Diese Ziele, meine Damen und Herren, könnten konterkariert werden, wenn wir alle möglichen weiteren Kriterien aufnehmen würden. Dies ginge ins Uferlose. Es gibt ja nicht nur die drei genannten Kriterien. Vielmehr würden ihnen im Laufe der Zeit wahrscheinlich 10 oder 20 nachfolgen. Man müsste alle diese politischen Ziele, auch wenn sie durchaus löblich wären, beachten und bliebe am Schluss nicht mehr bei den eigentlichen Kriterien, nämlich zum Beispiel dem angemessenen Preis für die öffentliche Hand, der ja auch im Interesse des Steuerzahlers liegt.

Wenn man das ausweitet – ich glaube, das kann man an unserem Steuerrecht verfolgen –, wenn man damit immer mehr lenken will, wird das immer komplizierter. Inzwischen ist unser Steuerrecht, das als warnendes Beispiel dient, schon unzumutbar kompliziert.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Sehr richtig!)

Der Erfindungsreichtum bei der Findung neuer Kriterien wäre endlos.

Meine Damen und Herren, wir wollen die schnelle Umsetzung des vorliegenden Beschlusses der Enquetekommission. Ich bedanke mich daher beim Wirtschaftsminister und beim Innenminister, die den Enquetevorschlag bereits in vollem Umfang in Entwürfe zur Änderung des Mittelstandsförderungsgesetzes und des Gemeindewirtschaftsrechts übernommen haben. Wir werden diese Gesetzentwürfe meines Wissens in der nächsten oder übernächsten Plenarwoche vorgelegt bekommen.

Lassen Sie mich abschließend eines bemerken. Ich glaube – das sagen mir auch viele der Beteiligten –, schon das bisherige Mittelstandsförderungsgesetz war ein gutes Gesetz. Probleme gab es in den letzten Jahren allerdings vor allem dadurch, dass sich manche immer weniger an dessen Geist und Vorschriften gehalten haben. Deswegen möchte ich an die Verwaltungen appellieren, dem Geist des Gesetzes Rechnung zu tragen, und die Aufsichtsbehörden bitten, konsequent auf seine Durchsetzung zu achten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Capezzuto.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion dankt zunächst für die gute Zusammenarbeit und bedankt sich auch bei Frau Dr. Buschmann. Ich möchte aber nicht unerwähnt lassen, dass vonseiten der SPD und anderer Beteiligter viel Nachdruck und zähes Ringen notwendig waren, um zu dem Ergebnis zu gelangen, das uns heute vorliegt.

Zunächst einmal gab es eine Aufkündigung der Mitarbeit in der Enquete durch den Baden-Württembergischen Handwerkstag, weil die Landesregierung im Vergaberecht mittelstandsfeindliche Beschlüsse gefasst hatte, die für das Handwerk schwere Nachteile befürchten ließen.

Zum Zweiten gab es massive Versuche der Vertreter der regierungstragenden Fraktionen, das Antragsrecht der SPD, aber auch der Grünen zu unterlaufen.

(Abg. Zeller SPD: Das war übel!)

Für die Landesregierung unbequeme, für das Vergaberecht aber bedeutsame Fragen wurden nämlich ohne jede inhaltliche Diskussion einfach niedergebügelt.

(Abg. Bloemecke CDU: Oh!)

Das war unserer Meinung nach seinerzeit – daran muss durchaus erinnert werden – schlechter parlamentarischer Stil,

(Abg. Drautz FDP/DVP: Das kennen Sie doch bloß vom Hörensagen!)

denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Enquetekommission ist dazu da, Entscheidungen des Landtags über umfangreiche und bedeutsame Sachverhalte vorzubereiten. Deshalb war es seinerzeit völlig widersinnig, mit Regierungsmehrheit darüber entscheiden zu wollen, welche Fragen die Enquetekommission überhaupt stellen darf.

Nun aber zurück zu dem uns heute vorliegenden Zwischenbericht zum öffentlichen Vergabewesen mit den darin enthaltenen Mehrheits- und Minderheitsvoten. Die Empfehlungen, die wir gemeinsam erarbeitet und beschlossen haben, haben meine Vorredner bereits ausführlich besprochen; ich kann mich dem anschließen. Deshalb möchte ich nur die Empfehlungen darstellen und erläutern, welche die Mehrheit der Enquetemitglieder abgelehnt hat und die deshalb von unserer Fraktion als so genannte Minderheitsvoten eingebracht wurden.

Erstens: Wir sind für die Anwendung der VOB bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen – auch dann, wenn sie privat finanziert wurden, also bei den so genannten Investorenmodellen. Selbst Wirtschaftsminister Döring hat das gefordert. Ich vermisse bei einer so wichtigen Darstellung und Präsentation übrigens sowohl den Minister als auch seinen Stellvertreter, den Staatssekretär.

(Abg. Deuschle REP: Ja, stimmt schon!)