Protocol of the Session on October 5, 2000

was für ein Titel! –

in Pforzheim, an der auch das Mitglied des Landtags, Lothar König (REP), teilnahm, trat Harald Neubauer als Referent auf.

Lieber Herr König, wie kommen Sie dazu, einen Referenten Neubauer zu besuchen? Herr Schlierer, wie kommen

Sie dazu, Herrn König nicht aus Ihrer Partei hinauszuwerfen? Das eine passt mit dem anderen nicht zusammen.

(Beifall des Abg. Haas CDU – Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen)

Herr König hat auch im Freundeskreis „ ‚Ein Herz für Deutschland‘, Pforzheim, e. V.“ mitgewirkt. Der Freundeskreis „Ein Herz für Deutschland“ hat das Ziel, das Netzwerk im rechtsradikalen Bereich zu stärken und zu pflegen.

An einer Vortragsveranstaltung im Juni des Jahres 1999 in Pforzheim nahm der Landtagskollege Klaus Rapp teil, und er war Referent. In seinem Referat mit dem Titel „Untergang des Sozialstaates“ handelte er den Themenbereich „Bevölkerungszuwachs durch Ausländerzuzug und dadurch vermehrte Arbeitslosigkeit“ ab. Die Teilnehmer rekrutierten sich aus dem gesamten rechtsextremen Bereich.

(Abg. Deuschle REP: Waren Sie denn dabei?)

Vorn versucht Schlierer rechtsstaatlich zu wirken, hinten entpuppt sich das Ganze als eine Ausfransung in den rechtsextremen Narrensaum.

(Zuruf des Abg. Dr. Schlierer REP)

Darum geht es. Deswegen war die Rede von Schlierer unverfroren. Sie entspricht in keiner Weise der Praxis, der Wahrheit seiner Partei in ganz Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU, der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Maurer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Oettinger hat jetzt zu Recht weitere bekannte Vorhaltungen hinzugefügt. Ich möchte aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz nur noch zwei Zitate aus dem Organ der Republikaner ergänzen:

Wir sind nicht mehr Herr im eigenen Land. Zuwanderer, die wir nicht gerufen haben, haben Deutschland zum Bürgerkriegsland gemacht. Wer Multi-Kulti sät, wird Bürgerkrieg ernten.

Wird Bürgerkrieg ernten!

Die Messer sitzen locker in Multi-Kulti-Kreuzberg. Fazit: Multi-Kulti taugt nur bei Sonnenschein. Im Ernstfall wird blutiger Bürgerkrieg daraus.

Aus einer Veranstaltung der baden-württembergischen Republikaner im Landtagswahlkampf:

Nehmen wir Menschen doch einmal die Natur als Vorbild, wie die Grünen. Wenn ein Schwarm Parasiten an der Wirtspflanze hängt, geht sie unweigerlich ein.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Pfui!)

Verreckt ein Hund, springen die Flöhe bekanntlich zu einem anderen über.

Dies zum Thema Ausländer.

(Abg. Weimer SPD: Unglaublich!)

Deswegen, Herr Dr. Schlierer: Sie sind der raffinierte Advokat einer rechtsradikalen Partei.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und des Abg. Dr. Birk CDU – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: So ist es!)

Das ist Arbeitsteilung, was wir da bemerken, raffinierte strategische Arbeitsteiligkeit.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Sonst gar nichts!)

Sie haben dann doch gelegentlich Fehler gemacht. Sie haben sich nicht zu der Vorhaltung im ersten Redebeitrag des Kollegen Oettinger geäußert, dass Sie am 17. November 1998 eine Absprache mit dem Bundesvorsitzenden der rechtsextremistischen DVU getroffen haben, im Vorfeld der Bundestagswahl – Sie, der Sie übrigens früher gegen Schönhuber wegen dieser Zusammenarbeit opponiert haben. Dazu haben Sie auch nichts erklärt. Sie haben versucht, all dem auszuweichen.

Ich glaube auch nicht, Herr Kollege Oettinger, dass „hinten etwas ausfranst“. Sonst bin ich in allen Punkten mit Ihnen einig. Ich glaube vielmehr, dass wir es in Wirklichkeit mit einer strategischen Arbeitsteilung zu tun haben, die innerhalb dieser Parteien praktiziert wird.

Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass diese Debatte heute so stattgefunden hat – bis auf einen Punkt, der mich gestört hat und auf den ich noch zurückkomme. Ich bin auch froh darüber, dass die demokratischen Parteien im Landtag jetzt, nach einigen Jahren, mit dieser Entschließung, mit der wir uns voll identifizieren können, zu einer gemeinsamen Haltung gefunden haben. Ich will auch sagen: Ich werte das als Basis dafür, dass wir auch in Zukunft gemeinsam an dieser Linie festhalten und dass es auf Grundlage des heutigen Beschlusses Affinitäten nicht mehr geben wird.

(Beifall bei der SPD, bei Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen und des Abg. Pfister FDP/ DVP)

Ich bin mit großen Teilen Ihrer Rede einverstanden, Herr Innenminister. Ich möchte Ihnen aber einen Hinweis zu etwas geben, das mich dann doch wieder besorgt gemacht hat. Wir haben miteinander schon hoch qualifizierte Diskussionen über die Zuwanderungsfrage geführt. Ich bin auch gern bereit, dies unter dem Tagesordnungspunkt Zuwanderung jederzeit wieder mit Ihnen zu tun. Ich finde es allerdings problematisch, anlässlich eines Tagesordnungspunkts, der sich mit der Bekämpfung rechtsextremistischer Gewalttaten befasst, weite Passagen zum Thema Zuwanderung vorzutragen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen)

Ich glaube, dies ist auch noch etwas, was wir bedenken und lernen müssen: Es geht nicht mehr nur darum – es geht nie nur darum –, was wir wollen. In vielem geht es auch darum, was wir bewirken.

Lassen Sie mich zum Schluss drei Gedanken ansprechen, die wir von den demokratischen Parteien mitnehmen sollten.

Erster Gedanke: Wenn wir der Versuchung, unter Ausbeutung von Vorurteilen, die es in unserer Bevölkerung gibt, Parteienkämpfe auszutragen, nicht widerstehen, dann bewirken wir gerade das Erstarken des Rechtsextremismus.

(Abg. Wieser CDU: Sehr richtig!)

Das gilt aber für uns alle, lieber Herr Kollege.

Zweitens: Es ist, glaube ich, dringend an der Zeit, eine ernsthafte Debatte über die Frage aufzunehmen, ob im öffentlichen Raum, in Wirtschaft und Gesellschaft nicht wieder deutlicher Wertmaßstäbe gesetzt und eingefordert werden müssten. Ich glaube, dass der Eindruck in unserer Gesellschaft, dass unser Land in Teilen auf die Fragen wirtschaftlichen Erfolgs und der Stabilität einer Währung reduziert worden ist, ein erhebliches Problem darstellt.

Ich glaube, dass wir nur dann unsere Pflicht und Schuldigkeit tun, wenn die demokratischen Parteien – bei aller Fehlerhaftigkeit – erkennbar deutlich machen, dass sie den Prinzipien des Rechtsstaats, der Rechtmäßigkeit und der Gesetzmäßigkeit uneingeschränkt verpflichtet sind und auch im Parteienkampf nicht auf diese Maßstäbe verzichten.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und des Bündnisses 90/Die Grünen)

Ich glaube, dass wir Formen von Zynismus in unserer Gesellschaft massiver entgegentreten müssen, Formen, die bei vielen Menschen den Eindruck erweckt haben, in einer Gesellschaft zu leben, in der es primär nur ums Geld und nur um den ökonomischen Erfolg und nur um den machtpolitischen Durchsetzungswillen geht. Ich glaube, wenn sich das „Du musst ein Schwein sein“-Gefühl, das uns einmal in Form eines Schlagers aus dem Osten entgegengeschallt ist, verbreiten sollte, wenn wir dem nicht entgegenwirken, wenn wir nicht wieder erkennbar Politik nicht nur an ökonomischem Erfolg, sondern auch an moralischen Wertvorstellungen ausrichten,

(Abg. Weiser CDU: Aha!)

wenn uns dies nicht gelingt, dass wir dann in der Tat einen Zynismus bekommen können, der das Erstarken dieses Rechtsradikalismus befördert.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Und ein Letztes: Der Appell zur Zivilcourage, zur Solidarität, zur Nächstenliebe, zum aktiven Eintreten für die, die Opfer in der Gesellschaft werden, kann nicht nur ein Appell von uns an das Volk sein, sondern das muss natürlich von uns auch vorgelebt werden;

(Abg. Weiser CDU: So ist es!)

sonst wird das nicht gehen. Mich besorgt am meisten, dass es in einigen Teilen Deutschlands – und Ansätze spüre ich auch hier – den Rechtsextremen gelungen ist, ein Klima von Furcht und von Wegschauen zu erzeugen. Dies ist ex

trem gefährlich, und dies ist extrem besorgniserregend. Wenn es uns nicht gelingt, wieder aktive Mitmenschlichkeit und Solidarität in dieser Gesellschaft vorzuleben und durchzusetzen, dann wird die Zahl derer, die wegschauen, zu groß bleiben. Die Gewalt der Radikalen und die Gewalt derer, die Leute vor S-Bahn-Züge werfen, resultiert sehr stark aus diesem Wegsehen, aus diesem In-nichts-hineingezogen-werden-Wollen, aus diesem Klima, dass der andere einen nichts mehr angeht.

Deswegen ist es höchste Zeit für eine Debatte über die Verpflichtung von Politik zu Wertmaßstäben. Es ist höchste Zeit für eine Debatte über das Einfordern von Werten wie Solidarität und Mitmenschlichkeit und das Vorleben derselben.

(Abg. Weiser CDU: Sehr gut!)