Protocol of the Session on October 5, 2000

(Abg. Birzele SPD: Richtig! Erfolgreich! – Unru- he)

Dort ist es dann so, dass es manchmal – –

(Anhaltende Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, dem Redner Gehör zu schenken.

(Abg. Birzele SPD: Aber da hat er Recht! Das ist eine wirkungsvolle Überwachung gewesen!)

Ja. Das wird aber nicht gespeichert.

Dass der Bannstrahl der Videoüberwachung manchmal auch auf einen selbst zurückfällt, ist ein interessanter Vorgang und zeigt, dass in einem gewissen Maße auch für Abgeordnete gleiches Recht gilt.

(Zuruf des Abg. Wieser CDU)

So viel zu den Vorbemerkungen. Zum Thema Videoüberwachung will ich noch zwei, drei konkrete Anmerkungen machen.

Kollege Rech, natürlich sind wir uns einig, dass es sich nur um eine offene Videoüberwachung handeln kann.

(Abg. Dr. Birk CDU: Gibt es auch geschlossene?)

Alles andere wäre meines Erachtens mit rechtsstaatlichen Überlegungen nicht zu vereinbaren. Die Antwort auf die entscheidende Frage, die sich nun stellt – ob wir diese Videoüberwachung für gut halten oder nicht –, hängt von zwei Kriterien ab:

Erstens der Frage der Effizienz. Was erreichen wir damit? Meine Vorredner, insbesondere Kollege Rech von der CDU, haben hier kundgetan, dass es sich um eine präventive Maßnahme handeln soll. Wenn es sich darum handeln soll, muss man auch überlegen, welche Alternativen es zur Videoüberwachung gibt. Videoüberwachung vermittelt vielleicht ein subjektives Sicherheitsgefühl, vermittelt aber gleichzeitig auch die subjektive Bewegungsunfreiheit, die nicht die Freiheit von Nichtbeobachteten ist. Das sind zwei Güter, die man gegeneinander abwägen muss, Herr Kollege Rech. Deswegen halte ich die Debatte nicht für unwichtig.

Wir als grüne Fraktion – das kann ich Ihnen an dieser Stelle gleich ankündigen – werden unsere Entscheidung über eine Ergänzung des Polizeigesetzes im Sinne der generellen Einführung von Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten, deren Festlegung dann in die Hände von örtlichen Polizeibehörden oder des Polizeivollzugsdienstes gelegt werden soll, erst dann treffen – – Wir sind der Auffassung, dass man solchen unbestimmten Rechtsbegriffen, die manchmal sogar noch mit weiteren unbestimmten Rechtsbegriffen garniert werden, wie wir es auch schon in einer Landtagsdrucksache gesehen haben, nicht zustimmen kann.

Lassen Sie mich noch einmal auf die Frage der Effizienz zurückkommen. Ich habe mich bei der örtlichen Polizei, bei der Landespolizeidirektion in Stuttgart über die Videoüberwachung erkundigt. Es gibt bei den Stuttgarter Verkehrsbetrieben schon jetzt sage und schreibe 180 Videogeräte. Nun raten Sie einmal – weil wir die Effizienzfrage diskutieren –, wie viele Straftaten durch diese Videokameras schon aufgeklärt worden sind! Wie lange sie schon in Betrieb sind, weiß ich nicht auswendig. Ich verrate es Ih

nen, Sie brauchen nicht zu raten: keine einzige, meine Kolleginnen und Kollegen.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Drum! – Abg. Wieser CDU: Gott sei Dank! Wenn nichts passiert ist! Prävention ist das! Prävention! – Zuruf des Abg. Rech CDU)

Moment, nicht aufregen! Jetzt leite ich ja mein Argument her, das bisher nicht aufgegriffen worden ist, Kollege Bender. Gut zuhören!

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Wir hören!)

In einer Anfrage der SPD-Fraktion hieß es, wenn man am Bildschirm etwas erkenne, müsse doch eine möglichst schnelle Reaktion darauf erfolgen. Die Antwort darauf sind Sie bislang schuldig geblieben.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Das würde nämlich genau das konterkarieren, was Sie gesagt haben, Kollege Rech: Es reicht eben nicht, Videokameras aufzustellen. Das bringt nur dann etwas, wenn Sie Straftaten wirklich aufklären wollen. Deswegen hat ja auch der Herr Innenminister so lange mit der FDP/DVP-Fraktion über die Frage des Zeitraums des Speicherns gestritten, weil man natürlich, wenn man vier oder acht Wochen, vielleicht auch ein halbes Jahr speichern würde – – Man hat die Zeitdauer dann von vornherein auf zwei Wochen reduziert; jetzt sind wir bei 48 Stunden.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Wir haben zwei Stunden darüber gestritten!)

Das zeigt doch, dass Sie nur dann effizient Videoüberwachung einsetzen können, wenn Sie hinter jeden Bildschirm einen Beamten setzen. Da können Sie Praktiker fragen; die werden Ihnen das bestätigen.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- zeigt.)

Ein weiterer Punkt der Effizienz, der mir in den Antworten der Landesregierung zu kurz kommt – ich komme dann zum Ende, Herr Präsident –, ist die Frage des Verdrängungseffekts. Wenn Sie offene Videoüberwachung an bestimmten Plätzen machen, ist natürlich die Frage, ob sich die dort stattfindende Kriminalität nicht verlagert. In einigen kurzen Ausführungen in der Stellungnahme der Landesregierung haben Sie lesen können, die Verdrängung habe so nicht stattgefunden.

Alles in allem, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es stellt sich die Rechtsstaatsfrage, es stellt sich die Frage des Datenschutzes, es stellt sich die Frage der Freiheit von Beobachtetsein in einem demokratischen Gemeinwesen. Der Eingriff in diese Rechtsgüter ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Gesetzesinitiative der Landesregierung, auf die wir warten und die wir dann hier in diesem Hause diskutieren werden, diesen Vorgaben entsprechen wird. Dazu kann ich heute keine Aussagen machen.

Videoüberwachung als Allheilmittel, meine Damen und Herren, ich glaube, das können wir uns abschminken.

(Abg. Wieser CDU: Wie die Ökosteuer!)

Es wäre gegebenenfalls eine Möglichkeit, die dann auch als präventive Maßnahme eingesetzt werden kann. Aber ich bin gespannt auf die Gesetzesinitiative der Landesregierung.

(Abg. Rech CDU: Also gut, Herr Kollege, wenn das so ist! – Abg. Wieser CDU: Für welche Frakti- on hat er jetzt gesprochen?)

Das Wort hat Herr Abg. Kiesswetter.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich halte die heutige Diskussion über den Einsatz von Videokameras für überflüssig, erstens, weil wir in der Zwischenzeit eine Vereinbarung, eine Koalitionsabsprache getroffen haben, wie dieser durchgeführt werden soll.

(Abg. Birzele SPD: Eine Parlamentsdebatte ist überflüssig, wenn die CDU mit der FDP/DVP eine Absprache trifft? Das ist ja ein seltsames Parla- mentsverständnis!)

Diese werden wir in vier Wochen hier im Parlament noch einmal ausführlich erörtern. Sie nehmen hier eine Diskussion vorweg, die wir in vier Wochen oder in der nächsten Plenarsitzung führen werden.

(Abg. Birzele SPD: Es geht um die Einsatzkonzep- tion!)

Zweitens ist sie überflüssig, weil alle Ihre Forderungen in diesen Gesetzentwurf aufgenommen worden sind, sodass Sie eigentlich diesem Entwurf, den wir vorlegen werden,

(Abg. Birzele SPD: Aber doch keine Einsatzkonzeption! Die liegt doch nicht im Ge- setz!)

voll zustimmen können, wenn man Ihre Ausführungen von heute genau verfolgt.

Selbstverständlich muss bei einer Videoüberwachung eine Ermächtigungsgrundlage vorhanden sein; das ist ganz klar. Ohne eine Ermächtigungsgrundlage wäre dieser Grundrechtseingriff nicht zu rechtfertigen; da sind wir uns einig. Eine offene Videoüberwachung darf nur bei Kriminalitätsschwerpunkten erfolgen. Dem Bürger muss klar sein: Hier wird er überwacht.

Deshalb verstehe ich nicht – ich sehe Herrn Kollegen Schmid aus Stuttgart nicht –, dass im Gemeinderat in Stuttgart heute schon darüber diskutiert wird, ob solche Geräte angeschafft werden, obwohl das Gesetz noch gar nicht vorliegt und obwohl zuerst einmal darüber diskutiert werden muss, wo Kriminalitätsschwerpunkte sind. Das ist eine Aufgabe der Kommune. Deshalb, meine ich, muss die Kommunalpolizei, die Ortspolizei darüber entscheiden, und der Gemeinderat kann dann einen Beschluss treffen: Solche Geräte werden angeschafft und die 100 000 DM, die ein Gerät kostet, dafür aufgewandt.

Der Datenschutz ist voll berücksichtigt. Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht: Das ist der Knackpunkt bei jeder Vi

deoüberwachung. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat dem Vorschlag, den wir hier erarbeitet haben, voll zugestimmt.

Es wird beobachtet, Herr Kollege Rech. – Wo ist Herr Kollege Rech?

(Abg. Birzele SPD: Er hat sich verzogen!)

Er hat vorhin, meine ich, falsch zitiert. Ich darf Ihnen vorlesen, wie wir den Gesetzentwurf vereinbart haben:

(Abg. Birzele SPD: Herr Kollege Rech, aufpassen! Jetzt geht er wieder!)

Der Polizeivollzugsdienst und die Ortspolizeibehörde können zur Abwehr von Gefahren, durch die die öffentliche Sicherheit bedroht wird, oder zur Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit die in § 26 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orte,

also nur Kriminalitätsschwerpunkte; dort sind diese definiert –