Protocol of the Session on October 5, 2000

(Abg. Deuschle REP: Ja, stimmt schon!)

Zweitens: In den Vergabeordnungen haben wir Vorschriften, welche die besonderen Interessen der kleinen und mittelständischen Unternehmen berücksichtigen sollen. Das wäre zum Beispiel die Vergabe in Fach- und Teillosen oder auch die Vergabe an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen.

Dies alles haben wir schon. Würden diese Vorschriften auch berücksichtigt werden, meine Damen und Herren, dann hätten wir eine solide Grundlage für unsere mittelständischen Unternehmen. Aber es wird, wie wir es gewohnt sind, noch sehr häufig gegen diese Vorschriften verstoßen. Deshalb empfehlen wir ein Kontrollsystem und die Festlegung von Sanktionen.

Drittens: Das wirtschaftlich günstigste Angebot soll den Zuschlag bekommen. Das bedeutet aber nicht, dass andere Kriterien ausgeschlossen sein sollen. Solche Kriterien müssen den Betrieben vorab bekannt sein und müssen vor allem für alle gelten. Dann sind sie auch wettbewerbsneutral. Die rechtlichen Spielräume hierzu sind schon vorhanden.

Außerdem hat bereits die EU-Kommission die Berücksichtigung sozialpolitischer Aspekte durch öffentliche Unternehmen und durch Unternehmen in privater Rechtsform bei der Auftragsvergabe empfohlen.

Deshalb wollen wir bei der Vergabe öffentlicher Aufträge so genannte weitere Vergabekriterien berücksichtigt wissen. Zum einen ist das zum Beispiel die Tariftreue. Es sollen nur solche Unternehmen öffentliche Aufträge erhalten, die während der letzten fünf Jahre nicht gegen geltendes Vergabe- und Beschäftigungsrecht verstoßen haben

(Beifall bei der SPD)

und die sich verpflichten, Arbeitnehmer nicht unterhalb der Tarife zu beschäftigen, die am jeweiligen Ausführungsort gelten.

Es gibt – das ist in den Anhörungen zum Ausdruck gekommen – besonders im Bausektor immer mehr ausländische Anbieterfirmen, die ihren Beschäftigten deutlich geringere Löhne zahlen und die deshalb natürlich viel preiswerter sein können.

Wenn gleichwertige Angebote, meine Damen und Herren, vorliegen – das ist eine weitere Empfehlung unsererseits –, dann sollten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge solche Unternehmen bevorzugt werden, die erstens in ihren Betrieben, gemessen an der jeweiligen Branche, überdurchschnittlich viele Frauen sozialversicherungspflichtig beschäftigen oder Frauen besonders fördern.

(Beifall bei der SPD – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das gibt es doch bereits!)

Wir wollen das aber verpflichtend haben, Frau Kollegin.

(Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Das war gerade kein geistreicher Zwischenruf, Herr Kollege.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Er muss halt noch ein bisschen lernen!)

Zweitens sollen solche Unternehmen bevorzugt werden, die Auszubildende beschäftigen entsprechend den Ausbildungstätigkeiten in der jeweiligen Branche. Der Staat soll die Gleichberechtigung der Geschlechter tatsächlich durchsetzen und faktische Nachteile durch entsprechende Regelungen ausgleichen. Frauenfördermaßnahmen zu koppeln ist für uns eine geeignete und gebotene Möglichkeit.

Des Weiteren: Wenn die Angebote gleichwertig sind, sollen die Unternehmen bevorzugt werden, die Ausbildungsplätze bereitstellen. Die Bevorzugung von Firmen, die ausbilden, ist für uns ein probates Mittel und vor allem auch eine Forderung der Jugendenquete.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Sabine Schlager Bündnis 90/Die Grünen)

Viertens: Diese weiteren Vergabekriterien – ich wiederhole: Tariftreue, Frauenförderung und Förderung der betrieblichen Ausbildung – sollen neben Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Anbieters in einem Leistungsvergabegesetz festgeschrieben werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Zeit ist leider fast zu Ende.

(Heiterkeit – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Capezzuto, sie ist nicht fast zu Ende, sondern sie ist zu Ende.

Herr Präsident, Sie gestatten mir im Einvernehmen mit den Kollegen noch 20 Sekunden.

(Heiterkeit – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Widerspruch, Herr Kollege!)

Ich wollte nur noch darauf aufmerksam machen, dass wir schon etwas verblüfft darüber sind, dass sich die Mittelstandsenquete nun monatelang mit diesem Thema beschäftigt und wir gleichzeitig eine bunte Broschüre des Wirtschaftsministeriums hier auf den Tisch bekommen –

(Abg. Zeller SPD: Die haben zu viel Geld!)

diese Mittelstandsbroschüre 2000 –, in der die Mittelstandsenquete nur in zwei kleinen Nebensätzen erwähnt ist. Das ist, denken wir, schon ein Fauxpas des Wirtschaftsministeriums.

Ein allerletzter Satz, Herr Präsident: Wir haben uns in dieser Kernfrage leider auch in der Enquete nicht gegen CDU und FDP/DVP durchsetzen können,

(Abg. Hofer FDP/DVP: Gott sei Dank! – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Wo ist der Minister?)

werden dies jedoch nach der Landtagswahl unter anderen Voraussetzungen mit allem Nachdruck nachholen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Vereinzelter Beifall! – Abg. Drautz FDP/DVP: Bloß nicht noch einmal eine Kommission!)

Das Wort erhält Frau Abg. Schlager.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Anwendung der VOB immer dann, wenn öffentliche Aufgaben wahrgenommen werden, ist gut für den Mittelstand und gut für die Kommunen. Die Anwendung der VOB unabhängig von der Rechtsform bietet Rechtssicherheit, sichert faire Chancen für den Mittelstand, wirkt Günstlingswirtschaft entgegen, fördert die Vergabe in Teil- und Fachlosen, und diese Transparenz und Sicherheit wirken nicht preissteigernd, denn Qualität zahlt sich aus.

Die Empfehlungen stellen klar: Der wirtschaftliche Druck, dem die Kommunen aufgrund veränderter wettbewerblicher Rahmenbedingungen ausgesetzt sind, darf nicht auf den Mittelstand abgewälzt werden. Die Spielregeln sollen künftig so gestaltet sein, dass kleinere und mittlere Unternehmen gegenüber großen nicht benachteiligt sind. In der Langfristperspektive ist es auch im Interesse der Kommunen und des Landes, anstelle einiger großer Bauunternehmen eine Vielzahl qualifizierter Betriebe zu haben. Alle Erfahrung zeigt: Der Beitrag der kleinen und mittleren Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen ist überproportional hoch. Das Gleiche gilt für die Ausbildungsplätze. Zudem werden im Mittelstand in Krisenzeiten die Arbeitsplätze weniger schnell abgebaut. Wir wissen also: Mittelstandsförderung ist damit gleichzeitig aktive Beschäftigungspolitik.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deshalb sind wir Grünen auch über die gemeinsamen Empfehlungen hinausgegangen und fordern, dass die VOB-Bindung auch auf Investorenmodelle ausgedehnt wird. Es war unverständlich, dass hierbei die Regierungsfraktionen nicht mitgegangen sind. Unserer Meinung nach heißt es: Investorenmodelle sollen nicht das vom Land gewollte Schlupfloch aus der VOB-Bindung werden.

Nun eine Bemerkung zu den gemeinsam empfohlenen Ausnahmen von der Regel. Die Regelungen sollen nämlich nicht über das Ziel hinausschießen und nicht härter und damit unter Umständen komplizierter und unpraktikabler werden als bei Großaufträgen oberhalb des EU-Schwellenwerts. Die Befreiungen, die uns wichtig waren, betreffen die Dienstleistungen, insbesondere im Energiebereich und bei Verkehrsleistungen. Damit ist klar: Ein Stadtwerk kann ohne die öffentlichen Vergaberegeln Strom einkaufen, der Bau von Anlagen und von Verwaltungsgebäuden muss aber der VOB unterliegen. Wer Ausnahmen schafft, muss allerdings auch dafür sorgen, dass diese nicht zementiert werden und an der Praxis vorbeigehen. Deshalb müssen sie in regelmäßigen Abständen überprüft werden. In dem neuen Mittelstandsförderungsgesetz sollte auch ein Verfahren der Gesetzesfolgenabschätzung und der Mittelstandsverträglichkeit verankert werden.

Nun zu den grünen Zielen, die keine Mehrheit fanden. Mit den Überlegungen zu sozialen Vergabekriterien blieben wir zusammen mit der SPD leider in der Minderheit. Bei öffentlich vergebenen Aufträgen muss unserer Meinung nach die Firma nicht nur billig, sondern auch gut sein. Gut heißt zum einen fachlich leistungsfähig. Gut heißt zum an

deren auch, sich an geltendes Tarifrecht zu halten, junge Menschen auszubilden und Frauen angemessene Berufschancen zu bieten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Die öffentlichen Auftraggeber sind nicht nur dem Mittelstand verpflichtet, sondern können auch dazu beitragen, Ausbildungsbereitschaft und Frauenförderung zu erhöhen. Wir sind der Meinung, dass der, der marktkonform Unternehmenspolitik beeinflussen kann, dies auch tun sollte, zumal Frauenförderung und Ausbildung von Lehrlingen auch den Unternehmen zugute kommen. Deshalb wollen wir Grünen folgende Regelung im Vergaberecht sehen – dafür werden wir weiter streiten –: Betriebe, die gegen die Tariftreue verstoßen, sollen eine Zeit lang von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden, und Betriebe, die sich durch hohe Ausbildungsbereitschaft und Frauenförderung auszeichnen, sollen – ich bitte das zu beachten – bei gleichem Gebot, wenn sie also gleich teuer sind, bevorzugt werden; denn wenn sie gleich teuer sind, sind sie für die Wirtschaft, für die Gesellschaft und für die Kommunen besser.

Unter dem Vorwand, diese Regelung sei kompliziert – dieser Vorwand trifft überhaupt nicht zu; das sind Scheinargumente –, haben Sie dies abgelehnt, und nun können sich im Land weiterhin Firmen, die Dumpinglöhne zahlen und nicht ausbilden, Vorteile bei öffentlichen Ausschreibungen verschaffen. Wir wollen umgekehrt, dass vorbildliche Betriebe auch zusätzliche Vorteile bei der Vergabe bekommen, wenn sie gleich teuer sind. Deshalb wollen wir ein Landesvergabegesetz, welches die Spielräume auch für soziale Kriterien nutzt.

Noch zu einem nahe liegenden Gedanken, der leider keine Mehrheit fand, nämlich dem verbesserten Rechtsschutz. Der Mittelstand will nicht gefördert, sondern fair behandelt werden. Er braucht Rechtsklarheit und Sicherheit und möchte auch im Konfliktfall seine Interessen durchsetzen können. Deswegen haben wir uns dafür eingesetzt, zu prüfen, wie der Rechtsschutz, der derzeit oberhalb der Schwellenwerte gültig ist, auch unterhalb der Schwellenwerte wirksam werden kann. Besserer Rechtsschutz stärkt die Position der Betriebe gegenüber den Auftraggebern.

So weit unsere abweichenden Voten.

Abschließend möchte ich hervorheben, meine Damen und Herren: Die Empfehlungen der Enquetekommission müssen nun so in Gesetzesform gegossen werden, dass auch die Vergabepraxis mittelstandsfreundlich wird. Deshalb werden wir Grünen kritisch verfolgen, wie der Gesetzestext genau lautet und ob die Intention der Empfehlungen damit auch umgesetzt wird.

Abschließend möchte ich mich ausdrücklich dem Dank an die Verwaltung und an Frau Dr. Buschmann anschließen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort hat Herr Abg. Drautz.

(Abg. Drautz FDP/DVP trinkt einen Schluck Was- ser. – Heiterkeit – Abg. Dr. Caroli SPD: Noch nix geschafft! – Zurufe von der SPD: Kein Trollinger!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde heute nur zum Zusatzauftrag der Enquetekommission sprechen und werde meine sonstigen Ausführungen in die Diskussion über den Abschlussbericht der Enquetekommission einbringen.