Zwar hat unsere Sprache schon immer Fremdwörter aufgenommen und in ihren Sprachkorpus eingebaut, aber gegenwärtig hat das ein solches Ausmaß und Tempo angenommen, dass die Fremdwörter oft Fremdkörper bleiben und gar nicht mehr in unsere Sprache integriert werden. Wer also etwas für unsere Sprache tun möchte, der muss es beim Sprechen und nicht bei der Rechtschreibung tun und der muss dafür sorgen, dass unsere Sprache lebendig und kräftig bleibt und dass wir endlich der Tatsache Widerstand entgegensetzen, dass alles, was insbesondere in der Werbung als besonders originell gelten will, mit irgendwelchen Anglizismen daherkommt,
weil das die eigene Sprachfantasie auf Dauer untergraben muss. Ich glaube, wir müssten wieder etwas dafür tun, dass wir die Verwendung der eigenen Sprache, immerhin die allerwichtigste Grundlage für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, fördern und uns um gutes Deutsch und um gutes Sprechen bemühen.
Wenn das Kultusministerium eine Kampagne an den Grundschulen, die auf die Gefahren der Hörschädigung durch den Freizeitlärm hinweisen will, unter dem Motto „Take care of your ears“ durchführt und wir nicht mehr in der Lage sind, an der Grundschule eine Kampagne zu machen, die „Pass auf deine Ohren auf“ heißt,
dann, finde ich, sollten wir uns allerdings überlegen, ob da nicht manches in die falsche Richtung läuft.
Wer sich wirklich um Sprache bemüht, der bemüht sich um Sprechen und nicht um Rechtschreibung. Da gibt es viel zu tun, und da können wir uns alle bemühen, aber nicht solche Pseudopatrioten wie ihr.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der FDP/DVP – Abg. König REP: Richtige Patrioten, keine Pseudopatrioten!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf uns kurz die historische Entwicklung in Erinnerung rufen.
Fachleute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hatten viele Jahre beraten und sich dann international geeinigt.
Verlage haben sich darauf eingestellt. Die Presse hat darüber berichtet. Großeltern haben in den Buchhandlungen bereits für ihre Enkelkinder nur noch Bücher mit der neuen Rechtschreibung gekauft. Schulen haben sich mit einem Schongang umgestellt. Die Zeitungen sind ein Jahr später gefolgt. Eine Zeitung hat inzwischen zurückgezogen. Diese ist allerdings seit jeher traditionsbewusst und traditionsverhaftet. Sie hat heute ihren Satz noch in Fraktur und wird vermutlich nicht mehrheitlich von der jungen Generation gelesen. Deshalb ist diese Rückkehr unschädlich.
Ganz anders sieht es mit dem hier zu beratenden Antrag aus. Abgesehen davon, dass es inhaltlich falsch wäre, wenn wir ihm folgten, können gerade wir in Baden-Württemberg dies unseren mittelständischen Verlagen und Buchhändlern, den Redaktionen und vielen anderen, die schon umgelernt haben, nicht zumuten.
Wer ist denn heute gegen die Rechtschreibreform? Es sind vor allem Menschen, die mit dem, was sie können, zufrieden sind und nicht unbedingt umlernen wollen. Ich denke, das ist in Ordnung. Wer nicht in einer Verwaltung oder in einem großen Betrieb ist, der die neue Rechtschreibung verlangt, muss sich ja nicht umstellen. Wer will ihn dazu vergewaltigen?
Aber wir sollten doch auch bedenken: Goethe hat – Sie haben es schon angeführt – anders geschrieben als wir heute. Herr Kollege Kretschmann, ich teile nicht Ihre Meinung, dass sich seit 1901 nichts geändert hätte. Ich erinnere mich sehr wohl, dass ich, als ich meine Diplomarbeit geschrieben habe, mir ein neues Regelheft gekauft habe, weil sich damals, 15 Jahre nach meiner Grundschulzeit, wieder einiges geändert hatte. Ich würde mir heute nicht zutrauen, etwas nach der alten Rechtschreibung zu schreiben, das ganz regelgerecht ist. Denn aus den damals 20 Kommaregeln sind inzwischen über 50 geworden und, und, und.
Da hat sich einiges weiterentwickelt, und alle, die meinen, sie bleiben bei ihrer guten alten Schreibweise, sollten das bedenken.
Dann gibt es natürlich auch noch Spezialisten, die unzufrieden sind. Das Thema ist stark emotional befrachtet. Man kann ein solches Thema unter Spezialisten auch nicht endgültig ausdiskutieren. Das wird nie möglich sein. Da wird es immer gegenläufige Antworten geben.
Eines ist allerdings auch klar: Es gibt in der gegenwärtigen Form noch Unstimmigkeiten. Es gibt Dinge, die noch nicht ganz ineinander passen. Ich meine, man kann noch etliches vereinfachen. Deswegen muss diese Reform, so wie es auch vorgesehen ist, noch weitergeführt werden. Mir wäre es am allerliebsten, wenn das wirklich die Linguisten unter sich ausmachen würden.
Ich befürchte allerdings, dass Spezialisten immer mehr zum Komplizieren als zum Vereinfachen neigen, sodass wir da ein Stück regelnd eingreifen müssen. Wir müssen aber – diese Übergangsfrist ist bewusst gesetzt – schon frühzeitig darauf dringen, dass man rechtzeitig anfängt, zu überprüfen, wo noch Nachbesserung möglich ist. Ich habe deshalb vorhin mit der Frau Kultusministerin darüber gesprochen, dass ich erwarte, dass die Kultusministerkonferenz sehr bald einen Auftrag in dieser Richtung erteilt und dass wir dann am Ende der Erprobungszeit auch eine klare Linie haben, was noch zu tun ist, bis wir wieder ein endgültiges vernünftiges Konzept haben.
Übrigens verspreche ich: Wenn die klare Linie da ist, werde ich mich auch umstellen, weil ich es schon leid bin, dass mich mein Computer dauernd korrigiert und ich nicht ganz sicher bin, ob er Recht hat oder ich. Auf diese neue Lernphase freue ich mich.
Aber Fazit: Beenden wir jetzt das diesjährige Sommerloch. Vor allem: Tappen wir nicht nach rechts zurück, schon wegen der wirtschaftlichen Konsequenzen, sondern gehen wir mutig nach vorn zu klarer Sprache und Schrift.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Dr. Car- mina Brenner CDU und Kretschmann Bündnis 90/ Die Grünen)
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weiter erteile, möchte ich unter unseren Gästen auf der Zuhörertribüne besonders den neuen Generalkonsul der Republik Ungarn in Baden-Württemberg, Herrn Tamás Mydlo, begrüßen.
Herr Generalkonsul, ich darf Sie sehr herzlich hier im Landtag willkommen heißen und wünsche Ihnen ein erfolgreiches Wirken für Ihr Land in Baden-Württemberg.
Ich muss mich beeilen. Herr Kretschmann, das Thema „Verhunzung der deutschen Sprache durch Anglizismen und Sonstiges“ wird uns weiter beschäftigen.
Ganz schnell zu Ihnen, Herr Kollege Ommeln. Es stimmt einfach nicht, dass die Ziele der Rechtschreibreform erreicht worden wären. Es ist weder leichter geworden, das Schreiben zu lernen, noch hat die Reform die Fehlerzahl reduziert.
Sie hat zusätzliche Fehlerquellen geschaffen. Wenn die Übergangszeit am Ende des Jahres 2005 abgelaufen ist, dann ist es in der Tat auch ein Fehler, wenn ich „dass“ mit ß schreibe anstatt mit zwei s, was jetzt kein Fehler ist, aber zum Beispiel schreiben immer mehr Kinder auch „Straße“ anstatt mit ß mit zwei s, oder sie schreiben „Fußtritt“ mit zwei s. Das sind neue Fehlerquellen. Insofern hat die Reform unter dem Strich nichts gebracht. Bitte, stimmen Sie unserem Antrag zu. Dann haben wir das Ding erledigt und vom Tisch.
Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist wirklich eine Sommerlochdebatte, die heute hier ihren völlig überflüssigen Wurmfortsatz findet. Es waren zwei Ereignisse, auf die die
Republikaner aufgesprungen sind. Das eine ist die Neuauflage des Rechtschreibwörterbuchs „Duden“. Damit sind ja viele Fehlinformationen und auch Hoffnungen der Gegner verbunden gewesen, dass der „Duden“ die Rechtschreibreform teilweise wieder zurücknehmen würde. Das Gegenteil ist der Fall. Der „Duden“ lässt keinen Zweifel daran, dass er uneingeschränkt hinter dieser Reform steht.