Protocol of the Session on July 20, 2000

Damit noch nicht verbunden ist aber die Frage, wie diese Gebiete ausgestaltet werden sollen. In der dritten Phase – übrigens nicht innerhalb eines Jahres, sondern in den nächsten Jahren – wird zu klären sein, wie diese FFH-Gebiete tatsächlich ausgestaltet werden sollen. Dazu will ich noch ein paar Bemerkungen machen.

Zweifelsohne gibt es ein Verschlechterungsverbot. Aber das heißt nicht, dass damit ein generelles Veränderungsverbot verbunden wäre oder gar – und das wird der Streit

punkt sein, über den wir uns mit Grün und Rot heftig auseinander setzen werden – eine Einschränkung der bisherigen Nutzung. Das heißt es eben gerade nicht, sondern es ist immer genau zu prüfen, ob dem speziellen Erhaltungsziel in dem FFH-Gebiet durch welche Nutzung auch immer, durch Veränderung oder Fortführung der bisherigen Nutzung, gedient wird oder nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grü- nen)

Deshalb kann ich nur empfehlen: Ruhe bewahren, herunterzonen. Wir sind in einem geordneten Verfahren,

(Abg. Bebber SPD: Sie sind im Tiefschlaf!)

und das bringen wir zu einem sauberen Abschluss in Übereinstimmung mit allen Betroffenen: mit den kommunalen Landesverbänden, mit den Industrieverbänden, mit den Kommunen. Am Ende werden wir eine saubere Gebietskulisse haben, die der Landesplanung, der Kommunalplanung, der Wirtschaft und dem Naturschutz Rechnung trägt.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Hans- Michael Bender CDU: Ausgewogen! – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Tiefschlaf als geordnetes Verfahren!)

Das Wort hat Herr Abg. Kretschmann.

(Abg. Bebber SPD: Jetzt hol ihn aus dem Tief- schlaf!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Außer der Steuerreform kenne ich kein großes politisches Projekt, das über zehn Jahre so verschleppt wurde wie das Projekt „Natura 2000“ bzw. die Ausweisung der FFH-Gebiete. Die CDU-Bundesregierung und die CDU-Landesregierung tragen dafür die Verantwortung.

1992 hat der Ministerrat die FFH-Richtlinie beschlossen, bis 1994 sollte sie in nationales Recht umgesetzt werden. Das ist nicht geschehen. Bis 1995 sollten die Gebiete gemeldet sein. 1998 kam es dann endlich zu einer kleinen Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes durch die damalige Umweltministerin Merkel. Bis heute war die Landesregierung nicht in der Lage, eine vollständige Meldung hinzubekommen.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Un- glaublich!)

Der Europäische Gerichtshof hat das angemahnt. Was macht die Naturschutzministerin?

(Abg. Moser SPD: Nichts!)

Sie sagt: „Ich hoffe, dass wir etwas Zeit gewinnen, weil die neue EU-Umweltkommissarin Personal einsparen muss.“ Wer mit einer solchen Haltung an so zentrale Fragen herangeht, muss sich nicht wundern, wenn das nicht funktioniert.

(Beifall der Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen)

Die so genannten Konsultationsverfahren sind mittlerweile eingeleitet worden mit Formulierungen wie: „Da kommt ein Wahnsinn auf uns zu.“ Der Regierungspräsident von Südbaden redet von „schauderhaften Visionen“. Wenn man mit solchen Argumenten das Konsultationsverfahren einleitet, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn ein Sturmlaufen aller Verbände und Kommunen zurückkommt, die von dieser Richtlinie betroffen sind. Es ist klar: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück. Nachher wundert man sich, dass alle so böse auf einen sind. In Wirklichkeit hat man das selber provoziert.

Das Konsultationsverfahren soll jetzt in zwei Monaten durchgezogen werden. Natürlich fühlen sich die Angehörten da zu Befehlsempfängern degradiert. Dass sich unsere selbstbewussten schwäbischen und badischen Oberbürgermeister dies nicht gefallen lassen, kann man sich an fünf Fingern abzählen. Nordrhein-Westfalen hat dafür zwei Jahre angesetzt. Natürlich gab es auch da Widerstände, aber sie waren völlig anderer Art. Es handelt sich also um ein ganz amateurhaftes Verfahren, das, glaube ich, seinesgleichen sucht.

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grü- nen)

Lauter Fehlinformationen geistern herum. Es ist nicht klar, dass es in dem Konsultationsprozess gar nicht um Abwägungsvorgänge, sondern um eine rein fachliche Beratung geht. Das steht in dem Text, den das Ministerium herausgibt, irgendwo zwischen den Zeilen. Es werden Hoffnungen geweckt, dass in diesem Verfahren die Gebietskulisse verändert werden könne. Überhaupt werden zu wenig Gebiete angemeldet, sodass die Kommission schließlich sagen muss: „Das reicht nicht, da können wir nicht auswählen“,

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

sodass dies alles zurückgeht und das Ganze von vorn anfängt. Außerdem werden FFH-Gebiete überall mit herkömmlichen Schutzgebieten verwechselt. Schließlich werden in diesem Bereich die BNLs und die LfU geschwächt. Dort muss man diese schwierige Materie mit Werkverträgen auf die Reihe bekommen. Das kann nicht funktionieren.

Jetzt frage ich einmal: Was ist der eigentliche Grund für dieses Debakel? Das ist der Niedergang der Naturschutzpolitik der Landesregierung seit der Amtszeit von Herrn Vetter als Umweltminister. Das ist meine These.

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Wie kommen Sie denn darauf?)

Seit der Amtszeit von Herrn Vetter als Umweltminister haben wir einen völligen Niedergang der Naturschutzpolitik. Während der Amtszeit von Herrn Schäfer als Umweltminister gehörte ich nicht dem Landtag an. Aber nach dem, was ich aus der Provinz mitbekommen habe, hat die CDU ihn völlig ausgebremst.

Was schließlich die neue Landesregierung betrifft, so ist nun völliges Stillschweigen angesagt. Außer Negativschlagzeilen ist nichts mehr zu hören.

Naturschutz wird immer nur gesehen als Bremse, als Hemmnis für Entwicklung und weitere Flächenbeanspruchung, als Hindernis für den Fortschritt in der Strukturentwicklung der Landwirtschaft und Ähnliches mehr.

(Abg. Göbel CDU: Wer hat Ihnen das aufgeschrie- ben?)

Wenn man eine solche Haltung hat und mit ihr unter die Leute geht, braucht man sich nicht zu wundern, wenn nichts vorangeht und sich, wie es jetzt der Fall ist, darüber hinaus massiver Protest formiert.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU)

Bewahrung der Schöpfung heißt doch in Wirklichkeit – das darf ich Ihnen gegenüber als einer Partei, die „christlich“ im Namen führt, anmahnen –

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Bewahrung eines Reichtums, den wir nicht selbst geschaffen haben, sondern vorfinden.

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Die Menschen gehören auch zur Schöpfung!)

Das darf man Ihnen sagen. Es geht um den Erhalt des Artenreichtums, es geht um den Erhalt des Reichtums unserer Kulturlandschaft, es geht um den Reichtum an Vielfalt von Lebensräumen. Es geht also um natürlichen Reichtum. Er bildet nicht nur unsere Lebensgrundlage, sondern ist viel mehr. In einer immer hektischer, schriller werdenden, schnelllebigeren Zeit vermittelt Natur den Menschen Ruhe, Beständigkeit, Dauerhaftigkeit und Schönheit.

Herr Abgeordneter, ich darf Sie auf das Ende Ihrer Redezeit hinweisen.

Letztlich Lebensqualität, Wohlfahrt: Wenn man einmal mit dieser Botschaft unter die Leute geht und ganz praktisch sagt: Das Konzept der EU bedeutet jetzt – das ist ein großer Fortschritt – Schutz durch Nutzung. Jedes Gebiet, das ausgewiesen wird, ist eine mögliche Förderkulisse. Damit kann man Gelder akquirieren für ein Konzept, das Naturschutz, Landwirtschaft, regionale Wirtschaftsförderung, Gastronomie, Einzelhandel zum Nutzen der Natur zusammenführt. Das ist genau das, was in der Kabinettsvorlage der Regierung vom November 1999 drinsteht.

Herr Abgeordneter, ich möchte Sie noch einmal auf das Ende Ihrer Redezeit hinweisen.

Wenn man dies machen würde und den Leuten sagen würde: „Da habt ihr unglaubliche Chancen vor Ort, ihr müsst euch um diese Gebiete reißen“, würde man eine Stimmung schaffen, bei der die Menschen vor Ort das Gefühl haben – wenn man eine ordentliche Diskussion organisiert –, dass sie davon für sich und ihre Nachkommen profitieren, und nicht das Gefühl haben müssen, dass Naturschutz ein Klotz am Bein ist.

Wenn dies einmal gemacht wird, wird sich die ganze Diskussion um den Naturschutz ändern – dessen bin ich mir

sicher –, weg von den Verboten, hin zu Reichtum und Chancen für unser Land.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Glück.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein kleines bisschen wundere ich mich über das heutige Thema,

(Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen: Die Einleitung von Ihnen kenne ich!)

besonders darüber, wie es von Ihnen umschrieben wurde, Herr Kollege Dr. Caroli: katastrophales Management.

(Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen: Das ist vornehm ausgedrückt! – Abg. Dr. Caroli SPD: Noch sehr zurückhaltend formuliert!)

Die Richtlinie stammt von 1992 und ist damals bei Herrn Schäfer einfach liegen geblieben. Die heutigen Krokodilstränen passen also nicht so ganz.

Nun aber zur Sache. Wir tragen das Anliegen der EU-Verordnung mit. Selbstverständlich ist auch die Größenordnung der gemeldeten Gebiete als Rohfläche akzeptabel. Das Problem liegt in der EU-Richtlinie selbst.