Protocol of the Session on June 28, 2000

bei einem verbindlichen Lehrplan von nur noch 60 % sei es logisch, dass die Abiturprüfung neben zentralen auch dezentrale Aufgabenstellungen durch die einzelnen Schulen enthalte.

Frau Ministerin, auch wenn Ihr Koalitionspartner hier wackelt, können Sie sich dennoch darauf verlassen, dass dieses Zentralabitur beibehalten wird. Dafür werde ich mit meiner Fraktion Sorge tragen.

(Beifall bei den Republikanern)

Meine Damen und Herren, bei dem Gesetzentwurf, der uns heute vorliegt und den wir zu beraten haben, geht es eigentlich einmal um einen erweiterten rechtlichen Rahmen, den das Kultusministerium für die Festlegungen zur gymnasialen Oberstufe und zur Abiturprüfung erhalten soll. Es

geht also nur um den Rahmen. Ausgefüllt muss das Ganze noch durch eine neue Rechtsverordnung werden, die teilweise schon in der Begründung des Gesetzentwurfs aufgeführt ist. Wir reden auch in vielen Punkten bereits über Inhalte dieser neuen Rechtsverordnung. Ich habe ja auch schon angedeutet, dass wir die mittragen werden.

Meine Damen und Herren, die Hochschulen haben immer wieder gesagt, die Spezialisierung, die das bisherige Kurssystem, der bisherige Oberstufenabschluss gebracht hat, sei für die Hochschulreife völlig überflüssig. Warum? Weil diese Spezialisierung gerade an der Universität oder an der Fachhochschule erfolgt. Es bringt dem Einzelnen nichts, wenn all die Dinge, die in der bisherigen Form der Oberstufe als Spezialisierung über den Schüler hereingebrochen sind, an der Universität wiederholt werden müssen. Insofern ist es schon richtig, etwas mehr von der Spezialisierung weg und hin zur allgemeinen breiten Grundlagenbildung zu kommen. Insofern ist dieser Ansatz mit der Erweiterung des rechtlichen Rahmens für das Kultusministerium schon richtig.

Allerdings möchte ich auf eines natürlich auch hinweisen: Wenn das Kultusministerium mehr Spielraum erhält, um durch Rechtsverordnungen die Sache auszuweiten, birgt das auch die Gefahr in sich, dass vielleicht irgendwann eine rot-grüne Landesregierung dies ausnützt.

(Abg. Deuschle REP: Na, na! Nur theoretisch!)

Gut, das ist nur ein Gedanke, den ich einmal aufzeigen will. Ich weiß auch, dass der liebe Gott und die Wähler das im nächsten Jahr verhindern werden.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Zeller SPD: Dass die Reps wieder hereinkommen!)

Wenn man einen Rechtsrahmen erweitert und Spielräume eröffnet, muss mit diesen auch verantwortlich umgegangen werden.

(Beifall bei den Republikanern)

Das ist ganz sicher. Wir werden darauf achten, dass dies auch geschieht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe schon die drei Kernfächer angedeutet: Mathematik, Deutsch und Englisch. Dazu kommen ein Profilfach und ein Neigungsfach sowie – jetzt kommt auch noch ein heikles Thema – ein so genannter Seminarkurs oder „besondere Lernleistungen“. Diese Fächer fließen in das Abiturzeugnis ein.

Bei der besonderen Lernleistung ist es natürlich sehr problematisch. Die Beurteilung durch einen Lehrer wurde schon angesprochen. Es geht aber auch um die Möglichkeit, sich hier über das Internet und andere Quellen mit fremden Federn zu schmücken, um dann letztendlich mit fremden Federn geschmückt ein gutes Abitur abzulegen. Diese Möglichkeit ist natürlich sehr groß. Hier gilt es, sehr darauf zu achten, dass damit kein Missbrauch betrieben wird. Ansonsten ist diese zusätzliche Möglichkeit, eine Lernleistung einzubringen, begrüßenswert. Aber es heißt: Aufgepasst!

Von der linken Seite dieses Hauses wird immer wieder der Vorwurf erhoben: Wenn man die Leistungsschraube etwas

anziehe und die Schüler mehr fordere, dann sei das eine besondere Form der Auslese, die hier ausgeübt werde. Meine sehr verehrten Damen und Herren, selbstverständlich ist jede Leistungsforderung eine gewisse Form der Auslese. Das ist so auch notwendig; denn wir brauchen im akademischen Bereich die Besten, die unser Land in der Technologie, aber auch in anderen wissenschaftlichen Bereichen und auch in der Führung eines Landes auf der bürokratischen Ebene weiterbringen.

(Abg. Deuschle REP: Sehr richtig!)

Da kann ich nicht mit einem Volksabitur jedem die Berechtigung geben, dies alles dann auch entsprechend in die Hand zu nehmen. Das geht nicht. Insofern betreiben wir schon eine Auslese, und sie ist notwendig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein letzter Satz: Die Grundkurs-Leistungskurs-Differenzierung, die wir bisher haben, fördert in der Tat nicht die Allgemeinbildung. Wir begrüßen ausdrücklich, dass diese Abgrenzung aufgehoben wird und die Fächer künftig sozusagen im Klassenverband für jeden verbindlich vier Stunden zu unterrichten sind. Wir glauben, dass damit ein weiter Schritt – ich sage sogar: ein meilenweiter Schritt – in Richtung einer Stärkung der Allgemeinbildung getan wird.

Wir werden diesem Gesetzentwurf in vollem Umfang zustimmen.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort hat Frau Ministerin Dr. Schavan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte hat Fragen aufgeworfen, zu denen ich gern etwas sage. Sie hat aber auch gezeigt, wie manche in diesem Land über Bildungspolitik reden. Das finde ich erschreckend. Herr Zeller, ich habe zunehmend das Gefühl, Sie hören überhaupt nicht dem zu, was vorher gesagt wird.

(Beifall bei der CDU – Abg. König REP: Der liest aus seinen Unterlagen ab!)

Sie reden irgendwas, was Sie schon seit Jahren unentwegt behaupten. Aber es bleibt falsch.

(Abg. Döpper CDU: Der kann nicht anders!)

Es ist einfach nicht wahr, auch wenn Sie jeden Tag im Land wiederholen, dass wir das Kurssystem abschaffen. Es ist nicht wahr, wenn Sie sagen, der Klassenverband werde eingeführt, Studierende würden benachteiligt und Schüler könnten keine Schwerpunkte setzen. Sie sagen das nahezu täglich. Ihnen hören immer weniger zu.

(Abg. Rau CDU: So ist es! – Abg. Döpper CDU: Aber er glaubt es noch!)

Das Ganze wirkt wahnsinnig altmodisch.

(Abg. König REP: Und verbohrt!)

Übrigens: Sie reden über einen Film, der ein ganz anderer Film ist als der, über den wir hier reden.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Er ist im falschen Film, meinen Sie!)

Ja, einer von uns beiden ist im falschen Film; das ist ganz eindeutig. Das ist ein anderer Film als der, in dem ich bin. Das ist das Erste.

(Abg. Bebber SPD: In welchem ist denn die Frau Vossschulte? – Abg. Brechtken SPD: Das ist kein Film, das ist ein ganzes Kino!)

Das Zweite: Ich finde das auch einfach schlicht ärgerlich im Blick auf junge Menschen. Wir haben in Baden-Württemberg seit 25 Jahren eine gymnasiale Oberstufe, die wir in diesen 25 Jahren an mehreren Stellen weiterentwickelt haben. Immer war es so: Baden-Württemberg hat diesen Schritt getan, und die anderen haben ihn nach uns getan.

(Abg. Rückert CDU: Wir sind Vorreiter! – Abg. Brechtken SPD: Und andere haben es nachge- macht!)

Nie – nie! – hat diese Weiterentwicklung dazu geführt, dass etwas zerschlagen wurde, was für junge Erwachsene wichtig ist, nämlich Schwerpunkte setzen zu können, gewichten zu können, zu erkennen, dass es Fächer und Fächergruppen gibt, die ihnen mehr liegen als andere. Das steht also überhaupt nicht zur Debatte. In Baden-Württemberg gibt es nicht nur neun Profile, sondern in BadenWürttemberg gibt es in dieser neu geordneten Oberstufe auch ein Neigungsfach.

(Abg. Bebber SPD: Was sagt die Frau Vossschulte dazu? Die hat doch etwas ganz anderes gesagt!)

Neigungsfach und Profil lassen sich sogar miteinander verbinden. Deshalb finde ich den Unernst im Umgang mit einem solchen Thema ärgerlich, ärgerlich vor allem für unsere Schulen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Haas CDU)

Nächster Punkt: Wer über Inhalte spricht, wer über Didaktik spricht, der weiß: Eine bestimmte inhaltliche und didaktische Entwicklung hat strukturelle Konsequenzen.

(Abg. Zeller SPD: Zuerst muss man mit den Inhal- ten anfangen und nicht mit der Struktur! Nicht von hinten anfangen!)

Strukturfragen und Inhaltsfragen lassen sich nicht voneinander trennen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Falscher Film! – Abg. Brechtken SPD: Wieder falscher Film!)

Herr Zeller, Sie wissen ganz genau, dass die Struktur nicht vor dem Zeitpunkt geändert wird, zu dem der neue Lehrplan da ist. Sie wissen ganz genau,

(Abg. Haas CDU: Er weiß nichts!)

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

dass die inhaltliche Geschichte, dass didaktische Weiterentwicklung und dass strukturelle Entwicklung zeitgleich beginnen. So ist es.

(Abg. Brechtken SPD: Kollege Zeller will einfach eine andere Reihenfolge der Filme!)

Wenn Sie die Lehrpläne noch nicht im Internet gesehen haben, so sage ich Ihnen: Sie sind in der Vorbereitung mindestens so weit wie die ganze Frage der Strukturen.