Protocol of the Session on June 28, 2000

Sie übersehen die gegenwärtige Situation,

(Abg. Zeller SPD: Haben Sie mich jetzt zum Schulbesuch bei Ihnen eingeladen?)

und Sie übersehen vor allem, dass, bevor Sie all diese Formen einführen und einüben können, zunächst einmal das entsprechende Grundwissen, gründliche Fachkenntnisse und das Wissen um Methoden da sein müssen.

(Abg. Nils Schmid SPD: Aber nicht in Klasse 12! Davor!)

Ich spreche jetzt vom gesamten Gymnasium, nicht nur von der Klasse 12.

(Abg. Nils Schmid SPD: Warum fangen Sie dann bei der Oberstufe an?)

Diese Voraussetzung muss gegeben sein, wenn das Ergebnis einen angemessenen Wert haben soll. Leider ist das heute oft kein Maßstab mehr, sondern es gilt die Devise: Hauptsache, der Schüler hat etwas gemacht. Das Ergebnis wird dann bejubelt.

(Abg. Brechtken SPD: Oh Gott! – Abg. Nils Schmid SPD: Sie haben keine Ahnung!)

Dann müssen Sie sich das einmal anschauen.

Ich stehe auch dem Seminarkurs skeptisch gegenüber. Wenn ein Seminarkurs im Land einen Durchschnitt von mehr als 11 Punkten erzielt, dann kann etwas nicht stimmen.

(Widerspruch des Abg. Nils Schmid SPD)

Ich möchte mal wissen, wer hier überhaupt Maßstäbe für Präsentationsverfahren und solche Dinge setzt. Wer setzt sie?

(Abg. Nils Schmid SPD: Sie sicher nicht! – Ge- genruf des Abg. Brechtken SPD: Hoffentlich nicht!)

Hier bleibt die Bewertung der sehr subjektiven Beurteilung des Lehrers überlassen, und das sorgt für sehr viel Ungerechtigkeit. Das müssen Sie auch sehen.

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Diese modernen Formen, meine Damen und Herren, sind notwendig, aber sie sind eine Ergänzung und nicht Grundlage des Lernens und Unterrichtens. Das müssen Sie noch lernen. Im Übrigen erfordern sie einen ungeheuren Zeitaufwand; denn es erfordert eine erhebliche Nacharbeit und natürlich genauso eine erhebliche Vorarbeit durch die Lehrer in den Klassen und in den Gruppen.

Sie sollten sich vielleicht einmal überlegen, dass man, um überhaupt mit den neuen Lehrplänen – – Die stehen übrigens im Internet, man kann also schon lange darüber diskutieren.

(Abg. Zeller SPD: Die, die erarbeitet werden, auch?)

Man würde etwas mehr Zeit pro Schuljahr gewinnen, wenn man meinetwegen fünf oder sechs Wochen Ferien streichen und die dadurch gewonnene Zeit dafür nützen würde, um solche Dinge im Unterricht etwas zu verstärken.

Worauf es ankommt, meine Damen und Herren – und darauf zielt unsere Oberstufenreform –, ist, ein nachhaltiges Lernen zu ermöglichen. Das bezieht sich auf die Grundlagen, und ohne diese Grundlagen, ohne solide Grundkenntnisse können die Schüler keine Orientierung erlangen. Durchhaltevermögen, Ausdauer, Konzentration müssen vermittelt werden, und das geht nur mit sauberem Arbeiten am Stoff.

Ihnen beiden möchte ich doch noch einmal sagen: Die Schüler haben dadurch keine Nachteile bei der Suche nach einem Studienplatz.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Denn in Baden-Württemberg werden 40 % der Studienplätze durch die Hochschulen vergeben. Sie zweifeln doch wohl nicht daran, dass unsere Hochschulen – mit denen brauchen sie bloß einmal zu reden – dreimal lieber einen Schüler aus Baden-Württemberg nehmen, selbst wenn er im Durchschnitt 0,3 Punkte schlechter ist, als einen aus Nordrhein-Westfalen. Davor machen sie nämlich das Kreuz.

Mich wundert nur, dass bei Ihren Anträgen die Sache so gestaltet wird, wie wir sie heute als unfruchtbar und über

holt erkennen müssen. Dass Sie davon nicht abgehen, finde ich sehr schade.

Die Lehrpläne von Klasse 5 bis 11 sind in Erarbeitung, und sie werden auch zeitgerecht kommen. Es stimmt nicht, dass hier nur am Kopf gearbeitet würde und am Rumpf nicht. Aber ich muss auch einmal das Ziel bestimmen, um dann den Weg dorthin festlegen zu können.

Weiterhin verlangen Sie mehr Schulversuche. Meine Damen und Herren, wir haben es jetzt über 25 Jahre lang mit diesem System versucht; ich finde, jetzt wird es Zeit, dass wir einmal etwas tun, und zwar etwas Richtiges tun. Ich glaube, auf diesem Weg sind wir.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Abg. Berroth.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wer behauptet, die nun vorgelegte Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe sei ein Rückfall in die Zeit vor 30 Jahren, zeigt deutlich, dass er oder sie nicht weiß, wovon er oder sie spricht. Wir haben damals ein Zeitpunkt-Abitur gemacht. Heute und künftig wird diese Prüfung zum Beispiel über einen Zeitraum hinweg absolviert, und das ist richtig. Auch werden die Wahlmöglichkeiten in großem Umfang erhalten bleiben; es gibt sie ja heute schon in der Mittelstufe.

Die künstlich herbeigeredete Abschaffung des Kurssystems findet nicht statt. Wenn die Fantasie mancher Fachleute für die Auswirkungen der Neuordnung nicht ausreicht, werden sie halt abwarten müssen, wie die konkrete Umsetzung nachher aussieht, bis sie das begreifen.

Zur Frage der richtigen Reihenfolge in der Vorgehensweise, Herr Zeller: Wer anfängt, die Fundamente für ein Haus zu bauen, muss die künftig gewollte Form des Ganzen schon kennen, also auch wissen, wie der Dachstuhl und die oberen Geschosse aussehen. Es macht durchaus Sinn, wenn man zunächst das Ziel festlegt und dann den Weg sucht.

(Abg. Nils Schmid SPD: Aber einen Plan sollte man haben! – Abg. Pfister FDP/DVP: Der Bauplan liegt vor!)

Der Plan ist ja auch durchaus enthalten.

In der Tat geht es bei der Reform des Gymnasiums – auch wir haben von Anfang an stets eine Gesamtreform gefordert – zum kleinsten Teil um die zurzeit heiß umstrittenen Änderungen in der Stundenstruktur, wobei das Zwei-undvier-Stunden-Raster übrigens durchaus Vorteile in der Organisation der Stundenpläne bringen wird. Ich empfehle den Schulen, je Fach und Woche Zwei-Stunden-Blöcke einzuplanen. Das ermöglicht ein konzentrierteres Arbeiten an einem Stück und bereitet gleichzeitig auf den Vorlesungsbetrieb an der Universität genauso wie auf berufliche Anforderungen vor.

Weitaus wichtiger als die Zeitstruktur – dies zeigen ja auch die von der Opposition vorgelegten Anträge – sind jedoch

Veränderungen in Methodik und Didaktik. Diese sind im vorgelegten Modell ausdrücklich enthalten; wer das nicht merkt, muss blind sein.

Zu den neuen Lern- und Arbeitsformen braucht es die grundlegende Überarbeitung der Lehrpläne, die ein besonderer Eckpunkt der Reform sind. Dabei geht es um eine Koordination der Inhalte, um bessere Möglichkeiten für fächerübergreifendes Arbeiten, vor allem aber um eine Reduktion des zu bearbeitenden Wissensstoffes.

Wir werden aber sicher darauf achten müssen, dass der so geschaffene Freiraum nicht von „kreativen“ Lehrkräften einfach mit zusätzlichem variablem Stoff wieder zugefüllt wird. Die gewonnene Zeit muss vielmehr dazu genutzt werden, die Anwendung der grundlegenden Allgemeinbildung mit aktuellen Bezügen zu üben bzw. ein Thema selbstständig weiter zu vertiefen.

Ich bin froh, dass das Kultusministerium den Mut gezeigt hat, die Lehrplanentwürfe sehr frühzeitig in einem breiteren Kreis zu beraten. Herr Zeller, mich wundert schon, dass Sie noch gar nicht gemerkt haben, dass der Entwurf für die neuen Lehrpläne seit Mai im Gespräch ist und von Fachleuten bearbeitet wird.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Christa Vossschulte CDU: Im Internet! Da kann jeder reingehen!)

Nur so besteht die Möglichkeit der Mitgestaltung, und dies wird sicher zu einer besseren Qualität führen. Mich würde natürlich interessieren, Frau Ministerin, ob es bereits Rückmeldungen und Erkenntnisse aus der ersten Diskussionsphase gibt und in welche Richtung sie zielen.

Eine wichtige Forderung der FDP/DVP will ich hier nochmals benennen: Wir brauchen dringend die Einbeziehung der Themenbereiche Wirtschaft, Verwaltung und Recht in die jeweils dafür geeigneten Fächer. Auch das Wissen und das Können in Bezug auf neue Medien können und müssen in nahezu allen Fächern des Gymnasiums geübt werden.

Besondere Veränderungsnotwendigkeiten sehen wir im Bereich des naturwissenschaftlichen Unterrichts. Schon in der Unter- und der Mittelstufe sind bei allen gymnasialen Profilen Methoden und Inhalte so zu verändern, dass das Interesse der Schülerinnen und Schüler nachhaltig geweckt wird. Wenn wir anwendungsorientierte Naturwissenschaften darbieten, werden die jungen Menschen auch merken, wie reizvoll die Beschäftigung mit diesen Themen ist.

(Beifall der Abg. Lieselotte Schweikert FDP/DVP)

Ich hoffe sehr, dass sich die Schulverwaltung hier nicht weiter als Verhinderer gebärdet, wenn engagierte Schulen Konzepte zur Aufwertung des naturwissenschaftlichen Profils umsetzen wollen. Auch die in letzter Zeit immer wieder zu beobachtende restriktive Zuteilung oder der Abzug von Lehrkräften aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich ist da keinesfalls hilfreich.

Zur Unterrichtsversorgung generell erwarte ich, dass das Kultusministerium dem Landtag endlich einmal eine klare Sollvorstellung vorlegt, wie eine ausreichende Ausstattung

mit Lehrern aussehen muss, wie viele Lehrer wir in welchen Fächern hierzu benötigen. Das Herumstochern und die globale Forderung nach mehr Lehrern von allen Seiten ist hier nicht hilfreich. Das wird niemanden davon überzeugen, mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Solange nur mühsam geflickt wird und keine solide nachvollziehbaren Bedarfszahlen vorliegen, kann man dem Landtag eigentlich nicht den Vorwurf machen, er stelle nicht genügend Mittel zur Verfügung. Wir brauchen ganz konkrete Zahlen, damit wir darüber sachgerecht beraten können.

(Unruhe)

Die zeitliche Verschiebung dieser Neuorganisation bei den beruflichen Gymnasien ist richtig und außerordentlich sinnvoll, weil dort eine spezielle Problematik besteht.