Christa Vossschulte

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir kommen zum zweiten Teil der Legendenbildung, denn es geht gleich weiter mit Legenden, die von der SPD in Umlauf gebracht werden.
Ich habe schon bei der Ersten Beratung darauf hingewiesen, dass Jugendliche in der Regel nicht unbedingt den Idealvorstellungen von Bildungspolitikern entsprechen, sondern eine – im Übrigen sehr gesunde – Neigung haben, sich dem kontinuierlichen Wissenserwerb gelegentlich auch zu entziehen und zu verweigern
und den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Das ist überhaupt kein Vorwurf. Das ist normal, und ich finde das so auch ganz in Ordnung. Wenn wir alle einen Blick zurück in unsere eigene Jugendzeit werfen,
werden wir wohl feststellen, dass sich dieses Verhalten nicht so maßlos von dem unsrigen unterscheidet. Vielleicht war das bei Ihnen anders, Herr Kollege Brechtken.
Möglich.
Mir ist das lieber, als wenn die Jugend mit 16 Jahren kalt und rational ihre Zukunft plant und schon genau weiß, welchen Bildungsweg sie wie, wann und wo einschlagen wird. Ich denke, ein bisschen Freiheit muss der Jugend auch in
dieser Hinsicht gewährt werden. Ebenso verständlich finde ich es, dass sie sich einen ganz anderen Bildungsplan wünscht, am liebsten einen recht unverbindlichen. Das kommt Ihnen natürlich entgegen.
Auch das ist kein Vorwurf, denn die Jugendlichen entscheiden in erster Linie emotional, und auch das ist gut so.
Daraus folgt aber, dass die Fachleute den Kanon der zu absolvierenden Fächer in aller Sorgfalt planen und verbindlich festlegen müssen. Die Wahlfreiheit darf nur marginale Unterschiede bei der Ausbildung zulassen und keine bei den grundlegenden Fragen der Bildung. Auch unsere Oberstufenschüler müssen sich innerhalb bestimmter Grenzen ausbilden lassen nach bestem Wissen und Gewissen der Experten, wie das in jedem außerschulischen Bildungsgang auch der Fall ist, zumal sie diese Bildung und Ausbildung nicht auf eigene Kosten genießen, sondern auf Kosten der Gesellschaft, und zumal sie zum Abschluss ein Zeugnis haben wollen, das ihnen die Hochschulreife bestätigt.
Die Millionen Mark, die Studienabbrecher und überlange Studienzeiten kosten, hätten wir besser für Lehrerversorgung und Ausstattung der Schulen und Hochschulen eingesetzt.
Meine Damen und Herren, die Oberstufe hat nicht gehalten, was sie einst versprochen hat. Das System hat zu viele Schlupflöcher, die die Schüler schnell herausgefunden haben und mit Recht auch ausnützen, wenn das System es zulässt. Auch das ist kein Vorwurf. Das ist allenfalls ein Vorwurf an uns, dass wir nicht schon längst reagiert haben, um die Qualität der Ausbildung am Gymnasium sicherzustellen.
Das soll nun nach langem Kampf in der KMK geschehen. Die CDU-Fraktion ist froh, dass allmählich wieder Standards gesetzt werden und das Niveau gesteigert wird.
Die Abschaffung der Differenzierung von Grund- und Leistungskursen zielt darauf hin, den Fächern, die für die Studierfähigkeit und die Allgemeinbildung einen besonderen Stellenwert haben, wieder das nötige Gewicht zu geben und sie für alle verbindlich zu machen. Ein Abiturient darf in diesen Fächern keine Schmalspurausbildung erhalten. Welches Land leistet es sich, in seiner Muttersprache einen so genannten Grundkurs bis zum Abitur zu führen? Das ist aberwitzig.
Deshalb denke ich auch, dass die Doppelgewichtung zweier der fünf verbindlichen Fächer erst im Nachhinein geschehen sollte. Dies ist ein Leistungsanreiz für die Schüler und beugt der Gefahr vor, dass bereits wieder vorab von den Schülern Gewichtungen vorgenommen werden.
Die Oberstufenreform dient der Qualitätssicherung des Abiturs. Wir tun gut daran, diese Qualitätssicherung ernst zu nehmen, denn es kann nicht mehr sehr lange dauern, bis die Hochschulen bei solchen Standards, die sie geliefert bekommen, ernsthaft über eine Hochschuleingangsprüfung nachzudenken beginnen. Ich glaube, das sollten wir vermeiden.
Noch ein Wort zu den Lehrplänen und den Inhalten. Dabei beziehe ich mich auf das gesamte Gymnasium. Die SPD sagt: Viel zu wenig fächerübergreifendes Unterrichten, viel zu viel Faktenwissen. Meine Damen und Herren, solides Grund- und Faktenwissen ist notwendig. Wenn Oberstufenschüler Alexander den Großen zum deutschen Kaiser des Mittelalters machen, dann frage ich mich, ob sie zu viel an Faktenwissen erhalten haben oder zu wenig.
Faktenwissen ist notwendig, um die Orientierung in den einzelnen Fächern zu erhalten. Diese wiederum ist notwendig, um Einsicht in die Zusammenhänge zu bekommen, und dies wiederum ist notwendig, um fächerübergreifend arbeiten zu können. Die Reihenfolge kann man nicht gut umstellen.
Solides Grundwissen ist auch für das Internet nötig; denn es geht darum, dass die Schüler lernen, aus dem Internet die 90 % Schrott herauszufiltern und zu bewerten, was von Wert ist und was nichts wert ist. In dieser Richtung werden auch neue Unterrichtsmethoden angemahnt wie Teamarbeit, selbstständiges Arbeiten. Das ist sicher richtig und auch notwendig, aber dabei muss beachtet werden, dass diese Methoden nur Ergänzung und niemals grundlegendes Unterrichtsprinzip sein können.
Das Grundlegende ist das Lernen und das Erwerben von Wissen, und zwar durch solides Lernen.
Die SPD verlangt neue Schwerpunkte in der Kommunikations- und Informationstechnik, in der Wirtschaft und der Technik, Einbeziehung der Berufs- und Lebenswelt, Lernortvielfalt. Mit der so dringend notwendigen historischen Dimension der schulischen Inhalte will sie wohl nichts mehr zu tun haben. Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass dies im notwendigen Maße bei den neuen Lehrplänen berücksichtigt wird und dass nicht kurzfristige Denkweisen und kurzlebige Modeerscheinungen die solide Aneignung von Wissen ersetzen. Die Struktur dafür haben wir geschaffen. Es geht jetzt darum, sie mit Inhalten zu füllen.
Herr Kollege Zeller, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass ich gesagt habe?: Drei Unterrichtsfächer werden für alle verpflichtend, nämlich Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache. Ich habe nicht von der Einschränkung der Wahlmöglichkeiten gesprochen, sondern davon, dass die Differenzierung zwischen Grund- und Leistungskursen abgeschafft wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Lehrer Zeller, die Regierung hat ihre Hausaufgaben gemacht, und zwar gründlich. Das Ganze ist auch nicht wie ein warmer Regen plötzlich über uns gefallen,
sondern die Diskussion läuft seit 1989. Die Oberstufenreform ist tatsächlich eine unendliche und unsägliche Geschichte. Dennoch stelle ich erstaunliche Parallelen fest. Die damaligen Erfinder hatten das Bild des strebsamen, eifrigen Schülers vor Augen, der seine Bildung selbst organisiert und sie zielbewusst auf seine Neigungen und Fähigkeiten ausrichtet.
Ich weiß nicht, ob die Damen und Herren, die das damals beschlossen haben, sich selbst im Blick hatten; das kann ich nicht sagen.
Jedenfalls haben die SPD und die Grünen heute dasselbe Bild wieder im Blick.
Damals ging man des Weiteren noch von einer bildungspolitischen Ideologie aus, nämlich dass alle Schulfächer in gleicher Weise geeignet seien, die Schüler zur allgemeinen Hochschulreife zu führen. Das ist nun leider ein blanker Unsinn, wie sich sehr schnell herausgestellt hat.
Das wissen auch alle Schüler. Sie wissen mehr oder weniger instinktiv, zumindest nach den ersten gymnasialen Jahren, bei welchen Fächern es sich um leichte und bei welchen um schwere handelt. Das sagen sie auch ganz ungeniert.
Das damalige System hatte und hat bis heute erhebliche Fehler. Ein Fehler war auch das Zulassungsverfahren der ZVS, bei dem lediglich der Notendurchschnitt berücksichtigt wurde, egal ob er im Sport, in Biologie, Philosophie oder Deutsch erreicht wurde; das spielte keine Rolle.
Damit war es eigentlich nur logisch, dass die Schüler sehr schnell zu einer cleveren Auswahl fanden, zu einer Auswahl von Fächern, die Ihnen Erfolg bei der Note garantierten und die sich überhaupt nicht mehr nach Leistung, Neigung oder Fähigkeiten richtete. Das ist klar, denen war das Hemd näher als der Frack. So wäre es bei mir auch gewesen. Das ist den Schülern auch überhaupt nicht vorzuwerfen, sondern lediglich denen, die dieses komische System erfunden haben.
Ein beträchtlicher Teil der Schüler fand nun im Zuge der generellen Umorientierung unserer Gesellschaft heraus, dass die Schule überhaupt nur eine der möglichen Betätigungen im Leben eines Schülers ist und dass deren Anforderungen auf möglichst rationelle und zeitsparende Weise erledigt werden sollten. Auch das halte ich für legitim, solange wir es zulassen.
Ein sehr realistisches, Herr Kollege Zeller. Ich habe sie selbst im Unterricht und komme gerade von einer Abiturprüfung.
Die heutige Situation ist die, dass der Wert der Grundkurse – im Bewusstsein der Schüler – gegen null sinkt und dass die Leistungen, die im Leistungskurs erbracht werden, durchaus nicht immer dem entsprechen, was man sich wünschen würde.
Der schleichende Niveauverlust führt dazu, dass wir in den Schulen heute Leistungen haben, die durchaus nicht immer angemessen sind. Ich denke, dass daran dieses System Schuld ist. Die hohe Zahl der Studienabbrüche ist kein Ruhmesblatt für unsere Oberstufe. Von Hochschulreife oder Studienreife kann in nicht so sehr vielen Fällen die Rede sein. Die Hochschulen stöhnen unter dem mangelnden Grundlagenwissen der anrückenden Abiturienten.
Dann fragen Sie sie mal.
Die Opposition greift nun diese neue Oberstufe heftig an. Da muss ich den Grünen sagen: Der Antrag, den Sie hier eingebracht haben, „Praxisgerechte Reform der gymnasialen Oberstufe“, ist so voller Fehler, dass ich mich damit nicht abgebe.
Bei der SPD stehen wir wieder vor demselben Ausgangspunkt: Der Schüler ist noch fleißiger, noch eifriger. Von normalen Schülern gehen Sie, glaube ich, überhaupt nicht mehr aus.
Sie fordern die Beibehaltung des Kurssystems und die Ausweitung der Wahlmöglichkeiten. Damit verstärken Sie die Fehler der Vergangenheit und tragen dazu bei, dass die im Übrigen von allen ernst zu nehmenden Institutionen geforderten gründlichen Kenntnisse in Deutsch, Mathematik und Fremdsprache noch weiter zurückgedrängt werden.
Sie sollten sich Nordrhein-Westfalen als Beispiel nehmen. Die dortige Kultusministerin hat die Mathematikarbeiten aus dem Abitur eingezogen und fiel von allen Stängeln, und das helle Entsetzen hat sie ergriffen, weil sie gemerkt hat, dass die Unterschiede katastrophal sind.
Bei uns soll das Gegenteil erreicht werden. Die Schüler sollen in den grundlegenden Fächern auf gleichem Niveau – ich hoffe, dass das deutlich höher liegt als das Grundkursniveau – unterrichtet werden.
Es gibt keine A- und B-Kurse, Frau Rastätter, sondern es gibt einen Kurs für eine Sprache und für Deutsch und Mathematik.
Das hat mit Gesamtschule in der Oberstufe nichts zu tun, sondern das hat damit zu tun, dass Schüler in grundlegenden Fächern eine allen gemeine Bildung erhalten.
Das ist auch ein Sinn von allgemeiner Bildung, dass sie allen gemeinsam ist.
In der Oberstufe, Herr Zeller, sind die Schüler 18, 19, 20 und teilweise 21 Jahre alt. Sie werden doch sehr wohl wissen, wie sie sich im Unterricht profilieren können und noch mehr dazu beitragen können, als im Durchschnitt verlangt wird.
Nein, ich habe gesagt, das System lässt dies nicht mehr zu.
Im Übrigen kopieren Sie in Ihren Eckwerten im Wesentlichen das nordrhein-westfälische Modell. Ich kann Ihnen erzählen, dass Schüler aus der 11. Klasse von hier nach Nordrhein-Westfalen gegangen sind und dort nach den Sommerferien in die 12. Klasse gekommen sind. In den Weihnachtsferien haben sie uns besucht und haben gesagt: „Wir langweilen uns in dieser Klasse 12 zu Tode, denn das haben wir alles schon in Klasse 11 gemacht.“ Das verlangen Sie.
Verräterisch ist Ihre Forderung nach „Festigung des basalen Grundwissens“. Das ist erstens inhaltlich ein Nonsens und zweitens ein sprachlicher Popanz. Ich kann mir das nur so erklären, dass es eine Minimierung des Grundwissens bedeutet. Hätten Sie doch wenigstens von „solidem Grundwissen“ gesprochen; dann hätte man damit etwas anfangen können.
Danke. Darauf freue ich mich.
Weiterhin fordern Sie Informatik – in Ordnung! –, Sie fordern Technik und Wirtschaft, Sie fordern Einbezug der Berufs- und Lebenswelt, berufsqualifizierende Fähigkeiten. Komisch: Fächer, die geistige Bildung besonders fördern, kommen bei Ihnen überhaupt nicht vor. Dass man im Fach Deutsch zunächst einmal sprechen und formulieren lernen muss, dass man lesen und verstehen lernen muss, dass das die Grundlage für alles Denken ist und für die Auseinandersetzung mit den geistigen Dingen dieser Welt, das gibt es bei Ihnen nicht.
Sie müssen aber auch die Grundlagen dazu legen. Selbst in Klasse 12 sind die Schüler heute leider noch nicht in der Lage, einen Text richtig zu verstehen.
Entschuldigen Sie, es gibt eine ganze Reihe von Leuten, die diese Oberstufe herbeisehnen. Nur die SPD in BadenWürttemberg lehnt sie ab. Andere Länder sind da schon sehr viel weiter.
Ihre Forderung nach immer mehr im Lehrplan und nach immer anderem entspricht natürlich Ihrer Forderung nach
basalem Grundwissen. Denn nur auf Kosten der Allgemeinbildung kann das geschehen, oder alles bleibt wirklich elendiglich basal, und damit kann niemand mehr etwas anfangen. Nordrhein-Westfalen lässt grüßen. Meine Damen und Herren, damit können Sie keine Eliten und keine Führungskräfte heranbilden, und die brauchen wir dringend. Was Sie damit produzieren, sind Halbbildung und Dilettantismus.
Sie fordern vermehrte Projektarbeit, Teamarbeit, selbstständiges Arbeiten, fächerübergreifendes Arbeiten. Herr Kollege Zeller, wann waren Sie zum letzten Mal in einer Schule?
All das wird heute gemacht. Sie nehmen die Situation nicht wahr. Sie sprechen ja heute noch vom Frontalunterricht. Offensichtlich wissen Sie nicht, was das ist; denn den gibt es schon lange nicht mehr.
Ja, den gibt es nicht mehr! Heute steht kein Lehrer mehr vor einem Schüler und hält einen Vortrag von einer Dreiviertelstunde. Das ist Frontalunterricht.
Heute wird Unterricht fragend entwickelt, und das ist ein ganz anderer Unterricht.
Sie übersehen die gegenwärtige Situation,
und Sie übersehen vor allem, dass, bevor Sie all diese Formen einführen und einüben können, zunächst einmal das entsprechende Grundwissen, gründliche Fachkenntnisse und das Wissen um Methoden da sein müssen.
Ich spreche jetzt vom gesamten Gymnasium, nicht nur von der Klasse 12.
Diese Voraussetzung muss gegeben sein, wenn das Ergebnis einen angemessenen Wert haben soll. Leider ist das heute oft kein Maßstab mehr, sondern es gilt die Devise: Hauptsache, der Schüler hat etwas gemacht. Das Ergebnis wird dann bejubelt.
Dann müssen Sie sich das einmal anschauen.
Ich stehe auch dem Seminarkurs skeptisch gegenüber. Wenn ein Seminarkurs im Land einen Durchschnitt von mehr als 11 Punkten erzielt, dann kann etwas nicht stimmen.
Ich möchte mal wissen, wer hier überhaupt Maßstäbe für Präsentationsverfahren und solche Dinge setzt. Wer setzt sie?
Hier bleibt die Bewertung der sehr subjektiven Beurteilung des Lehrers überlassen, und das sorgt für sehr viel Ungerechtigkeit. Das müssen Sie auch sehen.
Diese modernen Formen, meine Damen und Herren, sind notwendig, aber sie sind eine Ergänzung und nicht Grundlage des Lernens und Unterrichtens. Das müssen Sie noch lernen. Im Übrigen erfordern sie einen ungeheuren Zeitaufwand; denn es erfordert eine erhebliche Nacharbeit und natürlich genauso eine erhebliche Vorarbeit durch die Lehrer in den Klassen und in den Gruppen.
Sie sollten sich vielleicht einmal überlegen, dass man, um überhaupt mit den neuen Lehrplänen – – Die stehen übrigens im Internet, man kann also schon lange darüber diskutieren.
Man würde etwas mehr Zeit pro Schuljahr gewinnen, wenn man meinetwegen fünf oder sechs Wochen Ferien streichen und die dadurch gewonnene Zeit dafür nützen würde, um solche Dinge im Unterricht etwas zu verstärken.
Worauf es ankommt, meine Damen und Herren – und darauf zielt unsere Oberstufenreform –, ist, ein nachhaltiges Lernen zu ermöglichen. Das bezieht sich auf die Grundlagen, und ohne diese Grundlagen, ohne solide Grundkenntnisse können die Schüler keine Orientierung erlangen. Durchhaltevermögen, Ausdauer, Konzentration müssen vermittelt werden, und das geht nur mit sauberem Arbeiten am Stoff.
Ihnen beiden möchte ich doch noch einmal sagen: Die Schüler haben dadurch keine Nachteile bei der Suche nach einem Studienplatz.
Denn in Baden-Württemberg werden 40 % der Studienplätze durch die Hochschulen vergeben. Sie zweifeln doch wohl nicht daran, dass unsere Hochschulen – mit denen brauchen sie bloß einmal zu reden – dreimal lieber einen Schüler aus Baden-Württemberg nehmen, selbst wenn er im Durchschnitt 0,3 Punkte schlechter ist, als einen aus Nordrhein-Westfalen. Davor machen sie nämlich das Kreuz.
Mich wundert nur, dass bei Ihren Anträgen die Sache so gestaltet wird, wie wir sie heute als unfruchtbar und über
holt erkennen müssen. Dass Sie davon nicht abgehen, finde ich sehr schade.
Die Lehrpläne von Klasse 5 bis 11 sind in Erarbeitung, und sie werden auch zeitgerecht kommen. Es stimmt nicht, dass hier nur am Kopf gearbeitet würde und am Rumpf nicht. Aber ich muss auch einmal das Ziel bestimmen, um dann den Weg dorthin festlegen zu können.
Weiterhin verlangen Sie mehr Schulversuche. Meine Damen und Herren, wir haben es jetzt über 25 Jahre lang mit diesem System versucht; ich finde, jetzt wird es Zeit, dass wir einmal etwas tun, und zwar etwas Richtiges tun. Ich glaube, auf diesem Weg sind wir.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kabarettist Werner Fink hat den Staatshaushalt als einen Haushalt definiert, in dem alle essen möchten, aber keiner Geschirr spülen will. Herr Finanzminister Stratthaus, wenn Sie sich die Gespräche in den heißen Haushaltswochen ins Gedächtnis rufen, werden Sie mir wohl darin zustimmen, dass diese Definition nicht ganz falsch ist.
Meine Damen und Herren, man darf wohl sagen, dass die Bereiche Wissenschaft, Forschung und Kunst einen gesunden Appetit bewiesen haben. Mit seinen Gesamtausgaben von jeweils 5,6 Milliarden DM hat der Einzelplan 14 einen Anteil von über 10 % an den Gesamtausgaben des Landes und gehört damit neben dem Kultusbereich zu den Ressorts, in denen am meisten investiert wird.
Auf der anderen Seite hat sich Klaus von Trotha als emanzipierter Mann erwiesen, indem er auch nicht vor dem Geschirrspülen zurückgeschreckt ist und somit seinen Beitrag zur Konsolidierung unseres Haushalts geleistet hat. Die Ausgaben für Wissenschaft, Forschung und Kunst sind nicht in dem Maß gestiegen, wie dies angesichts der aufgrund von Tarifabschlüssen gestiegenen Personalkosten eigentlich wünschenswert gewesen wäre.
Wir investieren erheblich im Bildungsbereich. Die hier veranschlagten Mittel sind gut investiertes Geld. Wir investieren in die Ausbildung unserer jungen Generation und damit in die Zukunft Baden-Württembergs. Die CDU-Fraktion hat der Bildungspolitik seit jeher zentrale Bedeutung zugemessen, und wir haben deshalb in diesem Bereich wieder einen Schwerpunkt unserer politischen Arbeit gesetzt.
Der Bildungsbereich ist einer der wichtigsten Kompetenzbereiche des Landes im Verhältnis zum Bund. Hier haben die Länder große gestalterische Freiheit, und hier zeigt sich deshalb auch deren Unverwechselbarkeit und Identität. Wissenschaft, Forschung und Kunst sind Markenzeichen Baden-Württembergs. Wir sind nicht nur ein sehr attraktiver Hochschulstandort, sondern werden auch in den Bereichen Forschung, Spitzenforschung und Kultur als Region von internationaler Bedeutung anerkannt.
Um diesen hohen Standard auch in den nächsten beiden Jahren halten zu können, sind nicht nur Kreativität und ständige Aufgabenkritik der Handelnden erforderlich, sondern es müssen auch finanzielle Mittel eingesetzt werden. Dies ist nach meiner Überzeugung im vorliegenden Haushaltsentwurf geschehen.
Ich verhehle nicht, dass die finanziellen Handlungsspielräume enger geworden sind. Im vorliegenden Doppelhaushalt muss der Einzelplan 14 in weit größerem Umfang Personalkostensteigerungen abfedern, als dies in vergangenen Jahren der Fall war. Die Tarifabschlüsse und die Erhöhungen der Beamtenbesoldung haben das Wissenschaftsministerium mehr getroffen als jedes andere Ressort; denn der Personalkostenanteil liegt hier bei annähernd der Hälfte der Gesamtausgaben. Bei den Sachausgaben und den nicht zwangsläufigen Ausgaben mussten wir deshalb Einschnitte hinnehmen.
Ich betone ausdrücklich, dass die CDU-Fraktion zu dem vorgelegten Sparhaushalt steht. Wir werden an unserem Bekenntnis zur Haushaltskonsolidierung und unseren Eckwertbeschlüssen zur Nettoneuverschuldung festhalten. Das ist uns nicht immer leicht gefallen, und wir hatten gerade bei den Beratungen über den Wissenschafts- und Kunsthaushalt manch schwere Entscheidung zu treffen.
Die erfreuliche Entwicklung der Steuereinnahmen hat es uns dennoch ermöglicht, am Regierungsentwurf noch Korrekturen vorzunehmen. So werden wir beispielsweise die durch die Deckelung der Wettmittel betroffenen freien Kunstfördermittel deutlich erhöhen. Dazu wird mein Kollege Hans-Michael Bender noch detailliertere Ausführungen machen. Ich beschränke mich auf die Bereiche Wissenschaft und Forschung.
Wir haben unsere Position als führender Hochschul- und Forschungsstandort in der Bundesrepublik gehalten, und wir werden diesen hohen Standard auch in den nächsten beiden Jahren beibehalten. Einer der Gründe hierfür ist, dass es uns gelungen ist, durch strukturelle Maßnahmen neue Handlungsspielräume zu schaffen.
In diesem Zusammenhang darf ich an die Umsetzung der zukunftweisenden Empfehlungen der Hochschulstrukturkommission erinnern. Diese hochrangig besetzte Kommission hat sich mit dem Thema „Flexibilisierung der Rahmenbedingungen des Hochschulsystems“ befasst und uns wertvolle Anregungen für die mit Beginn dieses Jahres in Kraft getretene Hochschulgesetzesnovelle gegeben. Ich möchte darauf nicht näher eingehen.
Vielmehr will ich auf die in der Hochschulnovelle vorgenommene Finanzreform eingehen. Wir haben mit der Globalisierung der Hochschulhaushalte begonnen. Im vorliegenden Haushaltsentwurf werden wir im Rahmen der dezentralen Finanzverantwortung den Hochschulen Globalhaushalte geben, die aus nur wenigen Haushaltstiteln bestehen. Durch eine fast unbeschränkte gegenseitige Deckungsfähigkeit der Etatansätze wird zusätzliche Flexibilität erreicht. Wir ermöglichen den Hochschulen Bildung von Rücklagen und vermeiden so das so genannte Dezemberfieber. Eine weitere Vereinfachung der Hochschulhaushalte erreichen wir dadurch, dass wir im Bereich der Arbeiter und Angestellten die Stellenbewirtschaftung weitgehend aufheben.
Die dezentrale Finanzverantwortung, die durch einen Globalhaushalt ermöglicht wird, gibt den Hochschulen große Freiheit bei der Verwendung ihrer Mittel. Die bisher in der Kameralistik vorgesehene Zweckbindung der vom Land bewilligten Mittel entfällt im Globalhaushalt. Im gemeinsamen Interesse von Parlament, Regierung und Hochschulen muss aber die dezentrale Verantwortung durch ein Rechnungswesen ergänzt werden, das deutlich erkennen lässt, wo und wie die Mittel eingesetzt werden.
Diese notwendige Transparenz schaffen wir durch die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung. Seit diesem Jahr haben alle Einrichtungen, deren Haushalt globalisiert wurde, eine Kosten- und Leistungsrechnung in vereinfachter Form. In der Einführungsphase beschränken wir uns zunächst auf die Erfassung der Kosten auf Kostenstellen. In weiteren Schritten werden dann Abschreibungen und Bewertungen hinzugefügt, Leistungsverflechtungen berücksichtigt und die Kostenträger ermittelt. Unser Ziel ist es, bis zum Ende des Jahres 2003 die Kosten- und Leistungsrechnung in allen Einrichtungen des Ressorts vollständig einzuführen.
Die Zuschüsse an unsere Hochschulen werden künftig in zunehmendem Maße an deren Leistungen bemessen werden. Bisher beruhten die Zuschüsse auf den vorhandenen, gewachsenen Haushaltsansätzen, die oft nur historisch erklärbar waren.
Die globalen Zuschüsse an den Hochschulen werden künftig nach den Leistungen der Hochschulen bemessen. Wer mit den vorhandenen Ressourcen wirtschaftlicher arbeitet und mit den erhaltenen Mitteln höhere Leistungen erbringt, bekommt auch eine bessere Finanzausstattung. Damit wird ein deutlicher Anreiz für einen effektiveren Einsatz der staatlichen Mittel geschaffen.
Die Verteilung der Zuschüsse an die Hochschulen erfolgt künftig bei den Universitäten nach insgesamt 13 Leistungsindikatoren. Die Universitäten erhalten derzeit zur Finanzierung ihrer Aufgaben einen Landeszuschuss in Höhe von rund 1,9 Milliarden DM jährlich. In einem ersten Schritt werden in diesem Jahr rund 265 Millionen DM davon nach den neuen Leistungskriterien verteilt. Das wird in den nächsten Haushalten langsam gesteigert. Gewinne und Verluste im Verteilungsverfahren werden wir in den kommenden Jahren auf 1 % des Gesamtzuschusses der jeweiligen Hochschule begrenzen. Diese so genannte Kappungsgrenze wollen wir in den nächsten Jahren anheben, wenn wir erste Erfahrungen mit dem Modell gemacht haben.
Dann werden wir auch in Abstimmung mit den Hochschulen entscheiden, ob und in welchem Umfang Änderungen und Ergänzungen bei den Leistungsindikatoren notwendig werden. Ich gestehe, dass mir bei den Leistungsindikatoren noch die Qualitätskriterien fehlen. Sie müssten meiner Meinung nach stärker berücksichtigt werden und die rein quantitativen Kriterien teilweise ersetzen.
Der Erfolg des Hochschulstandorts Baden-Württemberg ist unter anderem auch auf die Vielfalt unserer Bildungseinrichtungen im tertiärem Bereich zurückzuführen. Lassen Sie mich die Berufsakademien herausgreifen. Sie haben in der jüngsten Vergangenheit einen in diesem Ausmaß unerwarteten Nachfrageboom zu verzeichnen. Die Gesamtzahl der Studierenden stieg auf über 12 000. Alle diese Studierenden haben nach ihrer Ausbildung beste Aussichten auf einen sicheren Arbeitsplatz. Wir haben auf diesen Boom reagiert und im Rahmen des letzten Nachtragshaushalts ein Ausbauprogramm aufgelegt, mit dem bis 2002 insgesamt 4 750 neue Studienplätze geschaffen werden.
Die Berufsakademien sind nicht nur bei den Abiturienten, sondern auch in der Wirtschaft hoch angesehen. In der Vergangenheit konnten etwa 6 000 Dozenten aus der Wirtschaft für eine nebenamtliche Lehrtätigkeit gewonnen werden.
Wenn wir die hohe Qualität der Ausbildung an den Berufsakademien erhalten wollen und das geschilderte Ausbauprogramm nicht zulasten der Lehrqualität gehen soll, müssen wir nach meiner Ansicht den Berufsakademien allerdings die Möglichkeit bieten, attraktivere Vergütungen für qualifizierte Dozenten aus der Wirtschaft zu bezahlen. Nachdem die letzte Erhöhung der Vergütungssätze durch einen Ministerratsbeschluss im Jahre 1988 erfolgte und private Bildungsträger im tertiären Bildungsbereich zwischenzeitlich deutlich höhere Vergütungen bieten, halte ich eine
Anhebung der von unseren Berufsakademien zu zahlenden Vergütungssätze für angebracht.
Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner haben wir deshalb den Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag gestellt. Wir bitten die Landesregierung, zu prüfen, ob vor dem geschilderten Hintergrund die bisherige Struktur der Lehrauftragsvergütungen ab dem Studienjahr 2000/2001 verbessert und gegebenenfalls im Nachtragshaushalt berücksichtigt werden kann.
Meine Damen und Herren, insgesamt trägt der Einzelplan 14 den berechtigten Anliegen von Wissenschaft, Forschung und Kunst Rechnung, ohne dass wir das Ziel der Konsolidierung öffentlicher Haushalte aus den Augen verlieren. Ich danke Herrn Minister von Trotha und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines Hauses für die Arbeit.
Ich bitte Sie alle herzlich, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen.