Protocol of the Session on June 28, 2000

Das ist wohl auch bekannt. Deswegen würde ich an Ihrer Stelle die Klappe halten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD – Zuruf des Abg. Wilhelm REP)

Zur Durchsetzung eines generellen Verbots der Zucht von Hunden mit Angriffslust, Kampfbereitschaft und Schärfe ist – endlich – ein Heimtierschutzgesetz notwendig.

Grundsätzlich sind natürlich auch andere Hunde auf diese Eigenschaften hin dressierbar. Das ist bekannt. Deswegen reicht auch die bayerische Verordnung in keiner Weise aus. Das zeigt die Stadt Frankfurt, die diese Verordnung übernommen hat und Statistiken führt. Von den ganzen Bissunfällen geht nur ein geringer Teil auf die Kampfhunde zurück. In Stuttgart – das steht ja in der Stellungnahme der Landesregierung zu einem Antrag der Kollegen Göbel u. a. CDU – sind es gerade einmal 15 %. Natürlich sind die besonders gefährlich. Aber auch von anderen großen Hunden können bei einer entsprechenden Haltung und Dressur solche Gefahren ausgehen. Deswegen ist es notwendig, dass die Halter von Hunden einer bestimmten Größe einen Nachweis führen, dass ihr Hund nicht gefährlich ist, dass dies überprüft wird und dass der Hund entsprechend gekennzeichnet wird. Das ist nicht zu umgehen. Anders kann man der Gefahr wohl überhaupt nicht Herr werden. Solche geprüften Hunde müssen eine sichtbar zu tragende Plakette erhalten,

(Abg. Haas CDU: Lässt sich das mit dem Tier- schutzgesetz vereinbaren?)

damit sie sofort identifiziert werden können. Anders ist die Forderung, dass wir – und ich betone noch einmal: besonders unsere Kinder – uns angstfrei in Stadt und Land bewegen können, nicht zu erfüllen. Deswegen führt kein Weg an solchen rigorosen Regelungen vorbei. Die Menschen, die das nicht wollen oder nicht bezahlen können, können leicht auf kleine und nicht aggressive Hunderassen ausweichen. Das ist zwar ein hoher Aufwand, aber er ist in einem so dicht besiedelten Land unabdingbar, um der Gefahren Herr zu werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Haas CDU: Was machen Sie mit den abgelegten Hun- den?)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Glück.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Debatte ist leider von diesem furchtbaren Ereignis in Hamburg überschattet, bei dem ein sechsjähriges Kind von zwei Hunden zu Tode gebissen wurde. Offensichtlich sind diese Hunde aber früher schon aufgefallen. Aber die Auflagen Leinenzwang und Maulkorbzwang wurden vom Halter nicht befolgt.

(Abg. Deuschle REP: So ist es!)

Die heutige Aktuelle Debatte soll mit dazu beitragen, dass solche Ereignisse in Zukunft möglichst nicht mehr vorkommen. Aber wir müssen aufpassen, dass wir in einer solchen Debatte nach einem solchen Ereignis nicht in einen blanken Aktionismus verfallen, der zwar das eigene Gewissen beruhigt, in der Sache aber nichts bringt.

(Zuruf des Abg. Jacobi Bündnis 90/Die Grünen)

Zunächst haben wir gewisse Schwierigkeiten, den Begriff „Kampfhund“ abzugrenzen und ihn zu definieren. Es gibt zweifelsohne Hunderassen, die im Schnitt bedeutend aggressiver als andere sind. Aber ganz entscheidend ist die individuelle Gefährlichkeit von Hunden und die der Hundehalter.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Deuschle REP: Sehr richtig!)

Ich bin eigentlich froh darüber, dass die Forderung nach dem generellen Töten der Tiere, die einen Besitzer haben und ordentlich gehalten werden, nicht erhoben wird, aber ich bin durchaus der Meinung, dass Auflagen erlassen werden müssen, wie immer sie formuliert sein sollen – mit einer Leinen- und Maulkorbpflicht usw.

Etwas problematisch in der Abgrenzung sind das Zuchtverbot und das Handelsverbot. Für welche Rassen sollen diese tatsächlich gelten? Ich befürchte, dass wir hier eine Entwicklung mit einem offenen Ende haben. Man wird nicht daran vorbeikommen – ich halte das für richtig, und Fachleute bestätigen das –, für einige Rassen die Zucht und den Handel zu verbieten. Aber wenn man diese Rassen ausgenommen hat und jemand von einem Hund einer anderen Rasse, von einem anderen bösen Hund gebissen wird, ist natürlich sofort der Streit da und kommt sofort die Forderung: Jetzt dürfen keine Schäferhunde mehr existieren

usw. Man muss also aufpassen, dass man diese Entwicklung noch vernünftig im Griff hat.

Meine Damen und Herren, aus meiner beruflichen Erfahrung kann ich sagen – ich habe sehr viele Hundebissverletzungen versorgt –: Die meisten Verletzungen stammen von Schäferhunden. Das ist auch klar, weil die zahlenmäßig eine ganz andere Rolle spielen. Trotzdem meine ich, bei Berücksichtigung positiver Zuchtmerkmale, wie es die Verbände machen, und eine ordentliche Haltung vorausgesetzt, müssen wir bei Schäferhunden keine generellen Maßnahmen verfügen. Fraglos muss es ein Verbot von Defektrassen geben, wenn ich einmal diesen unwissenschaftlichen Ausdruck benützen darf, also von Qualzüchtungen und von Hunden, die nach speziellem Aggressionsverhalten selektiert worden sind.

Meine Damen und Herren, ganz besonders wichtig scheint mir auch der Ansatz beim Hundeführer zu sein. Wir appellieren an die Eigenverantwortung der Besitzer und der Führer dieser Hunde. Die Eigenverantwortung muss die polizeilichen Verordnungen ergänzen.

Zum Hundeführerschein: Es mag richtig sein, dass der Führer eines gefährlichen Hundes einen Kurs macht, in dem er Prinzipielles erlernt. Aber ich möchte vor dem großen Optimismus warnen, dass das wirklich eine Maßnahme ist, die zieht. Nehmen Sie einmal die Autofahrer. Unfälle passieren nicht, weil einer die Bremse nicht findet oder vergisst, in der Nacht das Licht einzuschalten, sondern Unfälle passieren, weil die Leute zu schnell fahren, weil sie unachtsam oder besoffen sind.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Eine Verharmlosung des Problems!)

Deshalb noch einmal mein Appell an die Verantwortung und an die Disziplin. Wer Verantwortung und Disziplin nicht einhält, muss hart bestraft werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen sind da,

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Dann ist aber vielleicht schon jemand tot!)

sowohl um Maßnahmen auszusprechen als auch um wirklich Strafen zu verhängen.

Meine Damen und Herren, noch eine letzte Bemerkung. Bei der Versorgung von Hundebissverletzungen haben mich die Verletzten frisch nach dem Unfall immer wieder gefragt: Was würden Sie mit dem Hund machen? Ich habe stets eine Antwort gegeben, zu der ich auch heute stehe: Wenn ein Hund versehentlich oder aus Schreck einfach einmal zugebissen hat, ist das anders zu bewerten,

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Alles am Thema vorbei!)

als wenn ein Hund vorsätzlich einen Menschen angefallen oder angesprungen hat. In diesem zweiten Fall, meine Damen und Herren, darf kein Zweifel bestehen:

(Abg. Bebber SPD: Ein Kampfhund beißt nicht versehentlich!)

Es müssen Möglichkeiten gefunden werden, dass dieser Hund nie mehr einen Menschen anfällt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Wilhelm.

(Zuruf von der CDU: Terrier!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich die unverschämte Äußerung des Herrn Kretschmann von den Grünen, dass sich Teile der republikanischen Jugend mit solchen Kampfhunden umgeben würden, aufs Energischste zurückweisen.

(Beifall bei den Republikanern)

Zum Zweiten möchte ich die Gelegenheit nützen, um von hier aus den Eltern und Verwandten des getöteten Buben von Hamburg unser tiefstes Mitgefühl auszudrücken.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Birgit Kip- fer SPD: Peinlich!)

Das „peinlich“ fällt auf Sie zurück.

Meine Damen und Herren, die bisherige Debatte hat ganz deutlich gezeigt, dass Sie hier zwar einige Symptome gesehen haben, aber nicht in der Lage sind, die Krankheit zu erkennen. Solange Sie die Krankheit nicht erkennen, können Sie an den Symptomen herumdoktern, solange Sie wollen. Die Krankheit ist leider Gottes ein Spiegelbild dieser Gesellschaft. Sie heißt uferloser und verkommener Hedonismus.

(Lachen bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Lachen Sie nur. – In einer Zeit, in der Kinder und Jugendliche – das war jetzt wahrscheinlich politisch schon wieder unkorrekt, also lassen Sie es mich auf „Deutsch“ sagen –, in der Kids und Teens stundenlang und tagelang vor dem PC sitzen und vor lauter Moorhuhn-Jagen und Außerirdische-Abschlachten gar nicht mehr merken, wann es Sommer wird, in einer Zeit, in der für viele die einzige Lebensfreude oder der letzte Kick, wie es heute heißt, nur noch darin besteht, an einem Gummiseil von einer Brücke herunterzuhüpfen, braucht man sich nicht zu wundern, wenn es auch perverse Menschen gibt, die ihren letzten Kick darin sehen, zuzuschauen, wie sich zwei Hunde zerfleischen.

Ich möchte hier einmal ganz deutlich sagen: Die Hunderasse „Kampfhund“ gibt es nicht. Seit Jahrtausenden leben die Menschen mit Hunden zusammen. Der Mensch hat die Hunde nach seinen Bedürfnissen gezüchtet. Man hat Hunde zur Jagd gezüchtet, man hat Hunde gezüchtet, um Schafherden zu bewachen, und man hat Hunde zum Schutz des Menschen gezüchtet. Bis dann vor 150 Jahren ein paar Perverse – es gibt in dieser Hinsicht nur perverse Menschen und keine perversen Tiere – hergegangen sind und spezielle Rassen nur für den Kampf gezüchtet haben, weil sie sich möglicherweise sogar daran aufgeilen, zu sehen, wie zwei Hunde in einem blutigen Gemetzel zugrunde gehen.

Ein so genannter Kampfhund – dazu gehören die Pitbulls – wird nicht als solcher geboren. Das Einzige, was ihn von anderen Hunden unterscheidet, ist seine Muskulatur und seine enorme Beißkraft von beinahe über einer Tonne, die

ein anderer Hund so eben nicht hat. Wenn dieser Hund zum Kampfhund wird, dann hat ihn nicht der liebe Gott zum Kampfhund gemacht, sondern diese Kreatur Mensch, die sich diesen Hund angeschafft hat.

Der letzte Vorfall ist heute Morgen geschehen, als eine Joggerin ebenfalls wieder von so einem Hund angefallen worden ist und der Hundeführer den zarten Rausch von 2,0 Promille hatte – heute Morgen schon.

Dieser Hundehalter in Hamburg sitzt jetzt in U-Haft, weil der Haftrichter Fluchtgefahr annimmt. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf diesen Menschen; denn in allzu geordneten Verhältnissen scheint er ja nicht zu leben,

(Abg. Deuschle REP: Sehr richtig!)

sonst wäre die Annahme einer Fluchtgefahr wohl nicht begründet. Er sitzt also in U-Haft.

Wenn Sie heute Abend durch die Fußgängerzone gehen und sehen, wer alles so einen Hund hat, dann stellen Sie fest, dass das keine Tierfreunde und keine Hundefreunde sind, sondern diese Menschen missbrauchen den Hund als Kultstatus. Sie missbrauchen den Hund, um in irgendeiner Szene eine Rolle zu spielen.

(Beifall bei den Republikanern)

Wie kann man von so einem Menschen verlangen, dass er Verantwortung für ein anderes Leben übernimmt, wenn er nicht einmal in der Lage ist, sein eigenes Leben in den Griff zu bekommen?

(Abg. Deuschle REP: Sehr richtig!)