Protocol of the Session on May 18, 2000

dies besonders im Hinblick auf die Anwendung dieser Regelung auch auf kommunale Verwaltungsstellen. Man sollte den kommunalen Verwaltungsstellen im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung ihre eigene Entscheidungsfreiheit auch diesbezüglich belassen.

Meine Damen und Herren, die wenigen punktuellen Weiterentwicklungen des Datenschutzes im Gesetzentwurf der Regierung halten wir für wichtig und für richtig. Ich greife vier Punkte beispielhaft heraus: erstens die Neufestlegung des Anwendungsbereiches des Gesetzes bei Beteiligungsgesellschaften der öffentlichen Hand im Sinne einer klaren Abgrenzung; zweitens die Erleichterungen in der Anwendung des Datenschutzes für die Forschung; drittens die Neuregelung der Zugangsvoraussetzungen für das Amt des Landesbeauftragten für den Datenschutz – zukünftig reicht auch die Befähigung zu einer anderen Laufbahn des höheren Dienstes als Zugangsvoraussetzung. Das ist vernünftig; das ist sinnvoll. Ich denke, es ist auch richtig, dass der Datenschutzbeauftragte lediglich einmal wiederberufen werden kann, die Amtszeit eines Datenschutzbeauftragten also insgesamt auf 16 Jahre begrenzt ist.

Und viertens: Zukünftig soll das Innenministerium als Aufsichtsbehörde beim Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich dem Landtag alle zwei Jahre einen Tätigkeitsbericht vorlegen.

Meine Damen und Herren, wie in Erster Beratung angekündigt und auch im Ständigen Ausschuss behandelt, wollen wir eine ergänzende Regelung in das Landeskrankenhausgesetz aufnehmen. Das ist unter Artikel 2 des Gesetzentwurfs aufgeführt. Dabei geht es um die datenschutzrechtliche Angleichung des ambulanten an den stationären Krankenhausbereich. Diese Regelung soll sinnvollerweise eine einheitliche Handhabung des Datenschutzes im Krankenhaus gewährleisten. Ich glaube, darüber sind wir uns einig, dass das eine sinnvolle Regelung ist.

Mit dieser Änderung, meine Damen und Herren, wird die CDU-Fraktion dem Gesetzentwurf heute in zweiter Lesung zustimmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Wer klatscht denn bei euch? Nur zwei?)

Das Wort erhält Herr Abg. Bebber.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach unserer Auffassung schwächt die Landesregierung mit dieser Gesetzesnovellierung den Datenschutz im Land. Die Landesregierung konnte sich bei der Novellierung nicht auf eine Stärkung des Datenschutzes einigen. Wenn wir die zwingend einzuhaltende EU-Richtlinie nicht gehabt hätten, dann hätten Sie, Herr Innenminister, bei der Novellierung nahezu null bewegt.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Also, lassen Sie uns erst mal das, was vorhanden ist, umset- zen!)

Die Landesregierung hat es fertig gebracht, Herr Bender, ihren Regelungsfreiraum so zu nutzen, dass es der Datenschutzbeauftragte in der Praxis schwerer haben wird als bisher. Er wird stärker belastet. Angesichts der schon bestehenden Überbelastung ist das nach unserer Auffassung unverantwortlich. Es schwächt jedenfalls den Datenschutz. Außerdem wurden dem Datenschutzbeauftragten zusätzliche Aufgaben übertragen.

Es wird keine behördlichen Datenschutzbeauftragten geben, Herr Innenminister. Wir haben uns im Ausschuss darüber unterhalten, haben darüber beraten und gestritten. Das wird zur Folge haben, dass der Landesdatenschutzbeauftragte weiterhin in jeder Gemeinde und in allen Verwaltungsdienststellen um die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften bemüht sein muss und dass wir jedes Jahr einen Tätigkeitsbericht mit den immer wieder gleichen Beanstandungen bekommen werden, mit den gleichen Beschwichtigungsformulierungen durch die Landesregierung. Was da an Datenschutzberatung stattfinden wird, wird gewissermaßen zum Ritual verkommen. Dazu werden wir auch nachher sicherlich noch etwas sagen.

Der Innenminister hat gute Gründe für die Einführung von behördlichen Datenschutzbeauftragten angeführt. Er weiß auch, dass diese in Hessen – übrigens mit den Stimmen der CDU, also nicht irgendwie ideologisch belastet, jedenfalls nicht von links – eingesetzt worden sind

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Das kann man dem Koch nicht vorwerfen!)

und bereits seit Jahren sehr gute Arbeit leisten.

Also spricht sich der Innenminister in der Begründung des Gesetzentwurfs für die Einführung des behördlichen Datenschutzbeauftragten aus, und zwar mit folgender Begründung:

... da mit den internen Besonderheiten vertraute behördliche Datenschutzbeauftragte in der Lage sind, datenschutzrechtlich relevante Sachverhalte frühzeitig zu erkennen und so Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Bürger zu vermeiden.

Jetzt müsste man denken: Der behördliche Datenschutzbeauftragte wird jetzt eingeführt; das wird im Gesetz vorgeschrieben werden, und dann läuft es. Pustekuchen! Er wird nicht eingeführt. In den Beratungen ist dazu angeführt worden, man wolle nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen.

(Abg. Dr. Walter Müller SPD: Das machen Sie bei den Drogenräumen!)

Aber der Innenminister hat selbst gesagt, dass es natürlich auch über die kommunale Selbstverwaltung hinaus eine ganze Reihe von Verwaltungsbehörden gibt, in denen behördliche Datenschutzbeauftragte eingesetzt werden könnten. Aber das wird trotzdem nicht gemacht. Es gibt sehr gute Gründe für die Einführung; selbst der Minister spricht sich dafür aus. Aber er hat nicht den Mumm, behördliche Datenschutzbeauftragte einzuführen. Er schwächelt gewissermaßen.

(Abg. Zeller SPD: Was? Das ist ja unglaublich! – Abg. Brechtken SPD: Aber nicht bloß auf dem Ge- biet! – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Ideo- logieschwäche! – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Du liebe Zeit! – Zuruf des Abg. Dr. Rein- hart CDU)

Der Innenminister gibt auch selbst zu, dass der Datenschutzbeauftragte mit zusätzlichen Aufgaben betraut wird, gerade mit der neu eingeführten Vorabkontrolle. Er sagt selbst, dass der Datenschutzbeauftragte des Landes dann dafür zuständig ist, wenn kein behördlicher Datenschutzbeauftragter eingesetzt wird. Das heißt, der Landesdatenschutzbeauftragte erhält mehr Geschäft und muss sehen, wie er damit fertig wird. Er erhält aber keine personelle Verstärkung.

Herr Reinhart, das war wohl irgendein Spiel innerhalb der Fraktionen von CDU und FDP/DVP, dass die zusätzliche Personalstelle für die Dienststelle des Landesdatenschutzbeauftragten nicht geschaffen worden ist, denn der Innenminister wollte sie, wenn ich es richtig verstanden habe. Er hat eingesehen, dass diese notwendig ist, wenn man so ver

fährt. Das ehrt Sie, Herr Innenminister, aber umso mehr blamieren sich natürlich die CDU- und die FDP/DVPFraktion, wenn sie nicht in der Lage sind, eine zusätzliche Stelle für eine weitere Kraft zu schaffen.

(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen: Da haben die Fraktionen geschwächelt!)

Da haben die Fraktionen geschwächelt. Herr Reinhart, Sie haben Ihre Führungsaufgabe in Ihrer Fraktion nicht wahrgenommen.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Bei mir kriegt er sie! – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Wahrschein- lich hat er wieder einen Meniskusschaden gehabt!)

Und das Ganze – das wissen Sie ja auch – auf dem Hintergrund, dass die Dienststelle des Datenschutzbeauftragten in Baden-Württemberg so schlecht ausgestattet ist wie sonst in keinem Bundesland: fast nur halb so viel Stellen wie in Bayern und in Hessen.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Sind die jetzt alle in der Reaktorsicherheitskommission?)

Sonst funktioniert immer die Südschiene. Ich stelle mir vor, dass der Ministerpräsident nur mit Schamröte im Gesicht vor die Kollegen der Südschiene treten kann, wenn es um den Datenschutz geht.

Die Regierungsfraktionen sind auch ansonsten beratungsresistent. Nicht nur bei den angesprochenen Themen gab es in der Ausschussberatung keine Vorwärtsbewegung. Wir haben die Vorschläge des Landesdatenschutzbeauftragten in unseren Anträgen aufgenommen. Sie wurden alle abgelehnt. Ich will nur Beispiele nennen: Die bürgerfreundliche Chipkarten-Regelung wurde abgelehnt. Eine detaillierte Regelung für die Videoüberwachung wurde abgelehnt. Die Prüfungskompetenz des Datenschutzbeauftragten gegenüber den Gerichten auszuweiten bzw. klarzustellen wurde abgelehnt. Es wurde da kurios argumentiert. Der Herr Innenminister hat sich da zurückgehalten, und der Herr Justizminister war in der Ausschussberatung nicht da.

Ich will Ihnen das bildlich verdeutlichen, was da in diesen Sitzungen abläuft. Sie kennen die alten Spielautomaten mit den automatisierten Holzfiguren, gewissermaßen von Zauberhand bewegt, zwar etwas eckig und unbeholfen in der Bewegung. Herr Reinhart, Sie kennen das, nehme ich an; Sie sind alt genug. Da bewegen sich dann immer im richtigen Moment bestimmte Körperteile; mal wird mit dem Kopf genickt, mal die Hand gehoben. Wer das kennt, der hat das Bild der Ausschusssitzung vor sich und das Abstimmungsverhalten bei den Mitgliedern der Regierungsfraktionen. So sieht das aus. Es ist traurig, muss ich sagen, wenn in dieser Weise beraten wird. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass es zukünftig vielleicht doch einmal anders wird,

(Abg. Zeller SPD: Ab nächstem Jahr!)

vielleicht auch, wenn andere Mehrheitsverhältnisse bestehen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Zeller SPD: Nächstes Jahr wird al- les besser! – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Kollege Bebber, ich habe Sie schon stärker erlebt! In der Sache habe ich Sie schon stärker erlebt!)

Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weiter erteile, muss ich feststellen, dass Herr Abg. Haasis während der Rede des Ministerpräsidenten bei dem Tagesordnungspunkt 3 den amtierenden Präsidenten unqualifiziert und parlamentsordnungswidrig angegriffen hat. Ich rüge dieses Verhalten ausdrücklich.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Der kann sich gar nicht verteidigen! Der ist gar nicht da! – Abg. Brechtken SPD: Der Haasis hat die Contenance verloren! Und das auf seine alten Tage!)

Herr Abg. Walter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein altes Sprichwort sagt: Einen Hund kann man nicht zum Jagen tragen. Aber immerhin ist es der EU gelungen, eine Novellierung in Sachen Datenschutz zustande zu bringen, die es sonst nicht gegeben hätte. Es ist zwar eine sehr kleine Novellierung, aber immerhin gibt es ein paar kleine Fortschritte. Das sollte man an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen.

Dieses Beispiel macht aber deutlich, dass der Datenschutz für diese Landesregierung weiterhin lästig ist. Das zeigt sich auch darin, dass wir überall dort, wo es keine zwingenden Vorschriften der EU gibt, wie der Datenschutz tatsächlich aussehen soll, wachsweiche Formulierungen von Ihrer Seite haben. Überall dort gibt es keine entscheidenden Verbesserungen.

Wir haben bereits die meisten unserer Argumente und auch unsere Anträge in den vorausgegangenen Beratungen eingebracht. Ich will mich deswegen auf die wichtigsten Punkte unserer Kritik an diesem Gesetzentwurf beschränken.

Erstens: Sie wollen einen sehr engen Dateibegriff und damit nur eine eingeschränkte Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten.

Zweitens: Sie wollen eine großzügige und nahezu unkontrollierte Regelung der Videoüberwachung.

Da sagen wir: Wenn es überhaupt zu einer Videoüberwachung kommt, dann nur unter folgenden Voraussetzungen: Erstens: Eine Erforderlichkeit muss vorliegen. Zweitens: Die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, dass sie überwacht werden. Drittens: Es bedarf klarer und kurzer Löschungsfristen. All dies ist nicht geregelt, obwohl auch Herr Schneider dies klar gewünscht und dringend angemahnt hat. Wir verstehen nicht, warum Sie hier dem Landesbeauftragten für den Datenschutz, Herrn Schneider, nicht folgen.

Bei der CDU, meine Damen und Herren, ist das nicht verwunderlich. Aber wir fragen uns schon, wohin eigentlich die ehemalige Bürgerrechtspartei FDP gekommen ist. Man muss sich fragen, ob Sie unter dem, was Sie als Nächsten

liebe verkaufen, verstehen, dass Sie möglichst viele Bürgerinnen und Bürger ständig überwachen wollen. Das kann wohl nicht der Sinn von Nächstenliebe sein.

Als Drittes möchte ich die sehr lasche Regelung bei den Chipkarten kritisieren; der Kollege Bebber ist darauf schon eingegangen. Sie geben in Ihrem Gesetzentwurf keine Antwort auf all die wichtigen Fragen, die sich da auftun: Erstens: Wer hat Zugang zu den Daten? Zweitens: Wofür werden sie verwendet? Drittens: Wann werden sie gelöscht? Auch hier hat Herr Schneider klare Vorgaben gemacht, und auch hier haben wir von Ihnen nichts gehört – auch nicht von Ihnen, Herr Kiel.

Der vierte und letzte Punkt – auch darin zeigt sich das gestörte Verhältnis der Landesregierung aus CDU und FDP/ DVP zum Datenschutz – ist der § 11. Da heißt es, dass Betroffene über die Weitergabe von Daten informiert werden, aber nur dann, wenn der Betroffene nicht mit der Weitergabe rechnen muss. Jetzt machen Sie einmal eine Umfrage in der Bevölkerung, wer denn weiß, wann er damit rechnen muss, dass seine Daten weitergegeben werden, und wann er nicht damit rechnen muss, dass seine Daten weitergegeben werden. Das ist wirklich Humbug; das kann man doch nicht stehen lassen.

Das, meine Damen und Herren, ist wirklich alles andere als Datenschutz. Es ist eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, und dieses ist bekanntlich bereits seit 1983 verfassungsrechtlich geschützt, als es das Urteil zur damals geplanten Volkszählung gab, die ja dann aufgrund des Urteils nicht mehr stattfinden konnte.

Fazit: Die Landesregierung aus CDU und FDP/DVP – man muss es immer wieder sagen – hält den Datenschutz für eine lästige Schikane der Verwaltung und hält ihn nicht für ein Grundrecht, das auch im Interesse der Bevölkerung und der Verwaltung dringend weiterentwickelt werden muss.

Noch ein Punkt: Auch die ständig fortschreitende Datenverarbeitungstechnik findet in dem Gesetz keinen Niederschlag. Das sieht man beispielsweise bei der Chipkarte. Deswegen ist es alles andere als eine Überraschung, wenn ich für meine Fraktion erkläre, dass wir den Gesetzentwurf auch weiterhin ablehnen werden.