Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung. Abschnitt I des Antrags Drucksache 12/4957 ist erledigt. Zu Abschnitt II wünschen die Antragsteller Abstimmung.
Ich lasse über den Abschnitt II des Antrags Drucksache 12/4957 abstimmen. Wer diesem Abschnitt zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. –
(Abg. Brechtken SPD: Frau Lichy hat zugestimmt! Fürs Protokoll! – Abg. König REP: Eine Vernünf- tige in der ganzen Fraktion!)
Zustimmung des Landtags zur Vereinbarung über die Bildung einer Finanzverteilungskommission – Drucksache 12/4875
Herr Abg. Wabro, einen Moment bitte. Herr Staatssekretär Rückert wünscht die Mitteilung der Landesregierung zunächst dem Landtag zu erläutern. Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich ihm dann den Vortritt lassen möchte.
(Abg. Wabro CDU: Mit Vergnügen! – Abg. Brechtken SPD: Wir hätten es aber auch so ka- piert, ohne Erläuterung! – Unruhe)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Land und Kommunen speisen sich bei der Finanzierung ihrer Aufgaben in wesentlichen Teilen aus den gleichen Finanzierungsquellen. Landesregierung und
Landtag haben deswegen eine besondere Verantwortung bei der Entscheidung über die aufgabengerechte Aufteilung der Finanzierungsanteile auf die Kommunen einerseits und das Land andererseits – dies natürlich insbesondere in Zeiten der Finanznot, in denen es darum geht, den Mangel zu verwalten.
So kam es auch in unserem Land als Folge einschneidender Streichmaßnahmen zu Verteilungskämpfen und zu Dissonanzen sowie zur Anrufung des Staatsgerichtshofs von der Landkreisebene aus. Unser Staatsgerichtshof hat im Mai letzten Jahres eine Entscheidung getroffen. Er hat materiell-inhaltlich keine Veränderung der Finanzverteilung angeordnet, aber mehr prozeduralen Schutz für die kommunale Ebene im Vorfeld von Entscheidungen des Landtags über den vertikalen Finanzausgleich verfügt.
Wenn ich mich in der Bundesrepublik umschaue, stelle ich fest, dass der Verteilungskampf um die Finanzen zwischen den Ländern und ihren Kommunen längst nicht mehr nur politisch, sondern fast überall auch vor den Verfassungsgerichten ausgetragen wird.
Die Verfassungsgerichte der Länder kommen dabei trotz vergleichbarer Verfassungsbestimmungen interessanterweise zu höchst unterschiedlichen Auslegungen. Am weitesten auseinander liegen derzeit die Urteile der Verfassungsrichter in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen. Der niedersächsische Staatsgerichtshof hat das dortige Finanzausgleichsgesetz 1997 für verfassungswidrig erklärt und verlangt, dass die verfügbaren Finanzmittel symmetrisch zwischen Land und Kommunen aufgeteilt werden. Im Gegensatz dazu hat der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen dem Gesetzgeber bei der Festlegung der Finanzausstattung der Kommunen großen Gestaltungsspielraum, große Gestaltungsfreiheit bescheinigt.
Der Staatsgerichtshof in Baden-Württemberg ist nun weder den Richtern von Niedersachsen noch denen von Nordrhein-Westfalen gefolgt. Sein Urteil vom 10. Mai 1999 hat im Grunde alle überrascht. Unser Verfassungsgericht hält die Frage, ob die Finanzausstattung der Kommunen angemessen ist, für nicht justiziabel. Die verfassungsrechtliche Mindestausstattung der Kommunen – so sagt der Staatsgerichtshof – lasse sich nicht auf Maßstäbe, auf Beträge oder Quoten festlegen. Damit, meine ich, hebt sich das Urteil wohltuend ab von den materiellen Vorgaben des niedersächsischen Staatsgerichtshofs, der den Gestaltungsspielraum des Landtags praktisch auf null reduziert.
Als Ausgleich für die mangelnde gerichtliche Überprüfbarkeit verlangt unser Staatsgerichtshof nun aber einen prozeduralen Schutz im Vorfeld einer Entscheidung über den vertikalen Finanzausgleich, damit die kommunale Finanzgarantie nicht schutzlos bleibt.
Meine Damen und Herren, ich will das Urteil des Staatsgerichtshofs zum kommunalen Finanzausgleich nicht im Einzelnen analysieren und bewerten, sondern nur so viel sagen: Die Landesregierung kann mit dieser Entscheidung gut leben.
Wenn auch aus dem kommunalen Lager da und dort Stimmen gehört wurden, die sagen, der Staatsgerichtshof habe
den Kommunen Steine statt Brot gegeben und es stehe nun höchstrichterlich fest, dass die Höhe der kommunalen Finanzausstattung nicht gerichtlich überprüfbar sei, so meine ich, dass auch die Kommunen mit dieser Entscheidung gut leben können. Denn der Staatsgerichtshof hat ja ausdrücklich vorgegeben, dass die Kommunen dadurch eine Stärkung ihrer Position erfahren sollen, dass sie ihre Sicht der Dinge als gleichberechtigte Partner in die Meinungsbildung von Landesregierung und Landtag über die vertikale Finanzverteilung einbringen können.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat schon vor dem 10. Mai des letzten Jahres viele Gespräche mit den kommunalen Landesverbänden über die Gestaltung des Finanzausgleichs geführt. Dabei ging es nicht immer nur um Eingriffe des Landes. Wie Sie wissen, stehen seit Anfang dieses Jahres 500 Millionen DM mehr im Finanzausgleich zur Verfügung. Diese Erhöhung ging auf intensive Beratungen zwischen der Landesregierung und den kommunalen Landesverbänden in den Jahren 1996 und 1997 zurück. Allerdings waren jene Beratungen informell. Sie waren nicht institutionalisiert. Dies hat der Staatsgerichtshof bemängelt.
Ich finde, dass es mehr als befriedigend ist, dass es uns – mit „uns“ meine ich sowohl die Vertreter des Landes als auch die der Kommunen – gelungen ist, innerhalb kurzer Zeit zwischen dem Land und den kommunalen Landesverbänden Einvernehmen darüber zu erzielen, wie wir diesen prozeduralen Schutz konkret ausgestalten wollen. Die anstelle einer einseitigen Festlegung durch Gesetz gefundene vertragliche Regelung unterstreicht sehr wohl die gewachsene Vertrauensbasis, das praktizierte partnerschaftliche Verhältnis zwischen dem Land und seinen Kommunen.
Ich erspare es mir, im Detail auf die Vereinbarung einzugehen; sie liegt Ihnen vor. Nur drei Punkte möchte ich kurz hervorheben.
Erstens: Die paritätisch besetzte Finanzverteilungskommission wird nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag von zwei Mitgliedern in Aktion treten. Das bedeutet bei sechs Mitgliedern, dass zum Beispiel die kommunale Seite diesen Antrag nicht geschlossen stellen muss, sondern dass dafür schon zwei Mitglieder ausreichen.
Zweitens: Die Finanzverteilungskommission wird sich mit der Finanzverteilung zwischen dem Land einerseits und den Kommunen andererseits, also mit der vertikalen Finanzausstattung, auseinander setzen. Fragen des horizontalen Finanzausgleichs, also der internen Aufteilung der schon vorgegebenen kommunalen Finanzmasse zwischen kleinen und großen Gemeinden, zwischen kleinen und großen Städten, zwischen Landkreisen und Verbänden, sollen weiterhin der Finanzausgleichskommission vorbehalten bleiben. Auch Streitigkeiten über die finanzielle Abgeltung von Aufgabenübertragungen gehören nicht in die Finanzverteilungskommission. Hier gilt Artikel 71 Abs. 3 der Landesverfassung, der klare Vorgaben setzt und der auch voll justiziabel ist.
Ein dritter und letzter Punkt ist mir wichtig: Besonders hervorheben möchte ich, dass bei den Beratungen über die Bildung der Finanzverteilungskommission im Jahr 1999
zwischen dem Land und den kommunalen Landesverbänden Konsens darüber bestand, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände unseres Landes gegenwärtig über eine aufgabengerechte Finanzausstattung verfügen.
Die Finanzverteilungskommission wird deshalb die Aufgabe haben, künftige Veränderungen in der Finanzentwicklung von Land und Kommunen zu dokumentieren und zu bewerten. Eine grundlegende Bestandsaufnahme von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen zur erstmaligen Festlegung der Finanzausstattung ist nicht erforderlich.
Meine Damen und Herren, der Staatsgerichtshof hat die Entscheidung über die Ausgestaltung des prozeduralen Schutzes in die Hände des Landtags gelegt. Erst mit Ihrer Zustimmung wird die Vereinbarung wirksam und das Finanzausgleichsgesetz wieder verfassungskonform, wie es sich die Richter des Staatsgerichtshofs vorstellen. Als Vertreter der Landesregierung bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu dieser Vereinbarung vom 17. Januar 2000.
Ich darf noch anschließen: Ich freue mich darüber, dass die Fraktionen darüber hinaus signalisiert haben, den kommunalen Landesverbänden bei einer wesentlichen Änderung der Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen erweiterte Anhörungsrechte im Ausschuss einzuräumen.
(Beifall bei der CDU und der Abg. Drautz und Pfister FDP/DVP – Abg. Jacobi Bündnis 90/Die Grünen: Das war sehr gut!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Land Baden-Württemberg gehört zu den stärksten Regionen Europas,
(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Der Euro-Ti- ger! – Abg. Jacobi Bündnis 90/Die Grünen: Was hat das damit zu tun? – Zuruf des Abg. Brechtken SPD)
Dies ist sicher auch darauf zurückzuführen, lieber Herr Kollege Brechtken, dass wir stets Politik nach der Devise „Kommunen und Land – Hand in Hand“ gemacht haben, meine Herren Kollegen.
Jüngstes Beispiel dafür ist die Bildung einer Finanzverteilungskommission, über die wir heute beraten.
Wenn ich nun zu dieser Kommission und damit zum Thema „Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen“ sprechen darf, dann tue ich dies vor dem Hintergrund einer dreifachen Erfahrung.
Schon als Landrat habe ich eine kritische, aber stets konstruktive Partnerschaft zwischen Kommunen und Land erlebt. Wir haben um eine ausgewogene Finanzverteilung zum Teil hart gerungen. Die gefundenen Kompromisse haben letztlich aber dazu geführt, dass Land und Kommunen blühen, wachsen und gedeihen konnten.