Protocol of the Session on April 12, 2000

Herr Kollege Schlierer, ich habe vor wenigen Minuten mitgeteilt, dass nach meinen Informationen die CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf die Regierung und auf die anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag zugehen wird und aus Anlass der Diskussion um ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz anbieten wird – darüber kann man sprechen –: Geschäftsgrundlage ist, dass das Individualgrundrecht auf Asyl in eine Institutsgarantie umgewandelt wird.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Was die SPD ablehnt!)

Dann wird es, denke ich, eine interessante Feststellung sein, ob dieses Angebot der CDU/CSU-Bundestagsfraktion von den anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag angenommen wird oder nicht.

(Abg. Deuschle REP: Dann könnte ja der Landtag heute zustimmen!)

Nun darf ich einen Gesichtspunkt noch kurz anführen. Wenn ich persönlich davon ausgehe, dass wir eine Änderung des Asylgrundrechts – Herr Kollege Heiler, darüber müssen wir einmal miteinander reden – vermutlich erst über eine europäische Harmonisierung bekommen – das kann man bedauern oder auch nicht, aber ich nehme die Welt einfach so, wie sie ist –, dann ist es doch umso wichtiger, dass wir heute schon unterhalb der Ebene einer Grundgesetzänderung über alles nachdenken und dann auch möglichst handeln, was zur Verbesserung der Situation beitragen könnte.

(Beifall der Abg. Fleischer und Göbel CDU)

Vor diesem Hintergrund kann ich es nicht verstehen, dass die Mehrheit im Bundesrat, SPD- und rot-grün regierte Länder, es abgelehnt hat, § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes zu streichen. Denn diese Bestimmung wird dazu führen, dass wir Mitte des Jahres an die Asylbewerber um etwa 20 % höhere finanzielle Leistungen als bislang zahlen müssen, was automatisch die weitere missliche Folge auslösen wird, dass noch mehr als bisher nicht aus Gründen der politischen Verfolgung, sondern aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen werden.

(Abg. Göbel CDU: So ist es! – Gegenruf der Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen)

Demgegenüber mache ich noch einmal darauf aufmerksam – und dagegen waren Sie von Rot und Grün, Frau Thon, wenn ich es richtig im Kopf habe, doch auch –, dass es ein ganz wichtiger Schritt nach vorne war, dass wir in dieser Legislaturperiode zusammen mit der FDP/DVP in BadenWürttemberg das Flüchtlingsaufnahmegesetz geändert haben. Das ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass jetzt überall im Land konsequent von Geld- auf Sachleis

(Minister Dr. Schäuble)

tungen umgestellt wird. Auch das ist eine wichtige Maßnahme, um nicht mehr dazu anzureizen, dass die Menschen nur des Geldes wegen nach Deutschland kommen. Deshalb war es eine gute Sache, dass wir dieses Gesetz geändert haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Dritte, was, glaube ich, genauso dazugehört, ist: Die Diskussion ist noch nicht am Ende und kommt vielleicht jetzt im Zusammenhang mit der ganzen Folgedebatte um die Greencard noch einmal stärker. Ich warne aber aufgrund meiner Erfahrung als Innenminister davor, das Arbeitsverbot für Asylbewerber zu lockern. Wenn wir das tun, werden wir nämlich auch wiederum sofort die missliche Folge erleben, dass Menschen kommen, weil sie die Hoffnung haben, in Deutschland einige Jahre lang Geld verdienen zu können, und nicht aus Gründen der politischen Verfolgung. Wir müssen also im Grunde genommen Anreize bleiben lassen, nur des Geldes wegen nach Deutschland zu kommen, und umgekehrt die richtigen Anreize schaffen, damit die Richtigen, nämlich die politisch Verfolgten, zu uns kommen.

Ich gebe noch eines mit auf den Weg, was mich unter dem Stichwort Integration immer stark umtreibt und was auch ohne Änderung des Grundgesetzes möglich wäre. Wenn ich die lange Debatte, die wir vor drei Wochen geführt haben, noch richtig im Kopf habe, haben Sie angedeutet, dass Sie eigentlich gesprächsbereit sind. Mit „Sie“ meine ich aber auch die Bundes-SPD. Wir sollten noch einmal ganz sachlich, ohne Polemik, darüber sprechen: Müssen wir, verehrte Kolleginnen und Kollegen, beim Thema Familiennachzug nicht etwas ändern? Bisher können – das ist ja bekannt – die jungen Menschen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr nach Deutschland kommen. Ich führe, wie Sie vielleicht auch, sehr viele Diskussionen über das Thema Jugendkriminalität – zuletzt in der vergangenen Woche –, wobei es sich ja teilweise auch um ein Integrationsproblem handelt. Eines stellt sich immer wieder ganz klar heraus: Wenn die jungen Menschen nicht frühzeitig – im Alter von zehn, elf oder spätestens zwölf Jahren – nach Deutschland kommen, schaffen sie den Weg in unserem Schul- und Bildungssystem nicht mehr. Dann ist die schiefe Ebene zwangsläufig vorgegeben. Deshalb sollten wir auch über das Thema Familiennachzug noch einmal sachlich miteinander reden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Kurzum – damit darf ich auf den Wunsch des Herrn Präsidenten zurückkommen –: Solange eine europäische Harmonisierung der Ausländer- und Asylpolitik in den Sternen steht, werden wir in Baden-Württemberg bei unserer konsequenten und erfolgreichen Ausländerpolitik bleiben.

Danke.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen deshalb zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 12/4616. Es ist beantragt worden, über die Ziffer 1 dieses Antrags namentlich abzustimmen. – Der

Antrag auf namentliche Abstimmung hat die nach der Geschäftsordnung erforderliche Unterstützung.

Wer der Ziffer 1 des Antrags Drucksache 12/4616 zustimmen möchte, den bitte ich, mit Ja zu antworten. Wer die Ziffer 1 ablehnen möchte, der möge mit Nein antworten. Wer sich der Stimme enthalten möchte, der antworte mit „Enthaltung“.

Ich bitte Herrn Schriftführer Dr. Klunzinger, den Namensaufruf vorzunehmen. Der Namensaufruf beginnt mit dem Buchstaben E.

(Namensaufruf)

Die Abstimmung ist geschlossen.

Ich unterbreche die Sitzung und bitte die Herren Schriftführer, das Abstimmungsergebnis festzustellen.

Wir treten in die Mittagspause ein und setzen die Sitzung um 13:45 Uhr fort.

(Unterbrechung der Sitzung: 12:35 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 13:47 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.

Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Ziffer 1 des Antrags Drucksache 12/4616 bekannt:

Insgesamt haben 143 Abgeordnete abgestimmt.

Mit Ja haben gestimmt 13, mit Nein 130.

Die Ziffer 1 des Antrags ist damit abgelehnt.

Mit J a haben gestimmt:

Dagenbach, Deuschle, Eigenthaler, Herbricht, Huchler, Käs, König, Krisch, Rapp, Dr. Schlierer, Schonath, Troll, Wilhelm.

Mit N e i n haben gestimmt:

Bebber, Behringer, Birgitt Bender, Hans-Michael Bender, Heiderose Berroth, Dr. Birk, Birzele, Ingrid Blank, Bloemecke, Braun, Brechtken, Carla Bregenzer, Dr. Carmina Brenner, Brinkmann, Buchter, Capezzuto, Dr. Caroli, Döpper, Drautz, Drexler, Marianne ErdrichSommer, Beate Fauser, Fischer, Fleischer, Dr. Glück, Göbel, Göschel, Dr. Inge Gräßle, Rosa Grünstein, Stephanie Günther, Haas, Haasis, Hackl, Hauk, Rudolf Hausmann, Ursula Haußmann, Hehn, Heiler, Heinz, Herrmann, Dr. Hildebrandt, Hofer, Jacobi, Junginger, Keitel, Kiefl, Kielburger, Kiesswetter, Birgit Kipfer, Kleinmann, Kluck, Dr. Klunzinger, Köberle, Ursula Kuri, Kurz, Ursula Lazarus, Johanna Lichy, List, Lorenz, Maurer, Dr. Mauz, Moser, Ulrich Müller, Dr. Walter Müller, Nagel, Veronika Netzhammer, Dr. Noll, Oelmayer, Oettinger, Ommeln, Pfister, Pfisterer, Dr. Puchta, Renate Rastätter, Rau, Rech, Reddemann, Redling, Reinelt, Dr. Reinhart, Annemie Renz, Dr. Repnik, Ruder, Christine Rudolf, Rückert, Dr. Salomon, Dr. Schäfer, Dr. Schäuble, Gerd Scheffold, Dr. Stefan

(Stellv. Präsident Birzele)

Scheffold, Scheuermann, Sabine Schlager, Nils Schmid, Roland Schmid, Schmiedel, Schöffler, Schuhmacher, Lieselotte Schweikert, Rosely Schweizer, Seimetz, Seltenreich, Sieber, Helga Solinger, Staiger, Dr. Eva Stanienda, Dr. Steim, Stolz, Stratthaus, Straub, Teßmer, Teufel, Renate Thon, Tölg, Traub, von Trotha, Veigel, Dr. Vetter, Wabro, Wacker, Walter, Weimer, Weiser, Wieser, Winckler, Wintruff, Dr. Witzel, Marianne Wonnay, Zeiher, Zeller, Zimmermann.

Wir müssen noch über die Ziffer 2 des Antrags befinden. Wird hierüber Abstimmung begehrt? –

(Abg. Deuschle REP: Erledigt!)

Ziffer 2 ist erledigt.

Damit ist Tagesordnungspunkt 2 abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Innenministeriums – Bürger und Polizei in BadenWürttemberg – eine Partnerschaft für die innere Sicherheit – Drucksache 12/4702

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion bei gestaffelten Redezeiten.

Das Wort erhält Herr Abg. Rech.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Der in meinen Augen vielleicht wichtigste Satz vorweg: Wie lebenswert es in einer Gesellschaft nun wirklich ist, bemisst sich zum einen nach dem Maß an persönlicher Freiheit, das der Staat jedem Einzelnen gewährt, aber auch daran, ob und wie die öffentliche Sicherheit gewährleistet wird. In diesem Kontext ist der heutige Antrag zu verstehen.

(Zuruf des Abg. List CDU)

Bürger und Polizei – in Baden-Württemberg ist dies eine Partnerschaft für die innere Sicherheit, aber sie ist mehr als das. In Baden-Württemberg ist dies eine Sicherheitsphilosophie, und nirgendwo in den Ländern dieser Republik funktionieren diese Sicherheitspartnerschaft und diese Sicherheitsphilosophie so gut wie bei uns. Weshalb? Da gibt es eine Menge guter Gründe, die ich jetzt anführen könnte.

(Abg. Hackl Bündnis 90/Die Grünen: Ihr seid ein- fach Spitze!)