Protocol of the Session on April 12, 2000

Ich entnehme dies Ihrer Heimatzeitung, die Sie ja sicher auch lesen, in der der Dekan mitgeteilt hat, er sei gezwungen gewesen – auf Anforderung des Ministeriums –, auch im Informatikbereich Personalstellen zu streichen,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

und habe dies auch gemacht. Von daher nehme ich die Sicherheit, Herr Kollege Bender.

Noch einmal: Solange Sie einen Ministerpräsidenten haben, der meint, es sei alles in Ordnung und er habe schon genug getan, aber die Realitäten nicht zur Kenntnis nimmt, muss man sich nicht wundern, wenn es zu solchen Fehlentwicklungen kommt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Salomon.

(Abg. Nagel SPD: Ach Gott, ist das Fritzle groß geworden! – Heiterkeit)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man dem Kollegen Bender hier zugehört hat, muss man wirklich sagen: Der ist noch nicht einmal nicht im Klub, der hat noch gar nicht kapiert, was das für ein Klub ist. Man muss sagen: Herr Oettinger versteht, worum es geht, Herr Döring versteht auch, worum es geht. Aber wenn das die Breite der CDU demonstrieren soll, ist das ein Armutszeugnis, Herr Kollege Bender.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Man muss dem Kanzler in dreifacher Hinsicht für seinen Greencard-Vorschlag dankbar sein. Er hat erstens eine pragmatische Antwort auf ein aktuelles Problem gegeben, er hat zweitens eine längst überfällige Diskussion über die Mängel unserer Bildungspolitik angestoßen.

(Zuruf des Abg. Rau CDU)

Ich will gleich hinzufügen: Die Ländervergleiche „BadenWürttemberg besser als das Saarland oder als Mecklenburg-Vorpommern“ können Sie geschlossen in die Tonne treten, die können Sie vergessen. Das mag zwar alles richtig sein, aber wir haben in Deutschland ein Problem mit unserer Bildungspolitik, und zwar flächendeckend.

(Abg. Fleischer CDU: Weil es Ihnen unangenehm und peinlich ist! Bildungspolitik ist Ländersache!)

Das müsste die Diskussion sein, Herr Kollege Bender.

(Zuruf des Abg. Hans-Michael Bender CDU)

Schließlich kommt drittens neue Bewegung in die Diskussion über die Einwanderungsgesellschaft.

(Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Dann gibt es noch einen vierten Punkt, der heute, drei Wochen nach der letzten Diskussion im Plenum, wichtig ist: Die Debatte um die Greencard spaltet das bürgerliche Lager – das ist ganz offensichtlich – und lässt die CDU und hier insbesondere wieder Erwin Teufel ganz, ganz alt aussehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die absolut geschmacklose „Kinder statt Inder“-Parole von Herrn Rüttgers ist eben nicht nur geschmacklos, sondern es zeigt sich immer mehr, dass sie schlichtweg dumm ist.

(Abg. Deuschle REP: Warum ist sie geschmacklos und dumm?)

Sie wird auch durch die Übersetzung in „Mehr Ausbildung statt mehr Einwanderung“ nicht besser. Wer sich so aufführt – da hat mein Kollege Cem Özdemir Recht –, der hat tatsächlich etwas von einem „Haider vom Rhein“.

(Abg. Deuschle REP: Das ist gerade der richtige Genosse!)

Es muss nämlich – das hat Herr Kollege Maurer richtig gesagt – heißen: „Bessere Ausbildung und geregelte Einwanderung“. Das spricht sich auch langsam rum, nur nicht bis zu Erwin Teufel.

(Abg. Deuschle REP: Özdemir und die Türkei!)

Die Zukunft ist eben nicht nur die Zukunft, sondern auch die Gegenwart. Das muss man dem ehemaligen Zukunftsminister, Herrn Rüttgers, ins Stammbuch schreiben. Und die Gegenwart heißt Globalisierung. Da fängt das ideologische Problem an, das die CDU hat und aus dem sie, so, wie sie gestrickt ist, kein Entrinnen findet.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die CDU war ja einst so stolz darauf, dass sie die Verbindung von konservativer Grundhaltung, das heißt, möglichst nichts zu ändern, weil sich das Bestehende, die Werte ja irgendwie bewährt hätten, mit Fortschritts- und Technikgläubigkeit zum ersten Mal geschafft hatte. Das funktioniert alles mit der Globalisierung nicht mehr. Globalisierung à la Spaichingen – meine Damen und Herren, das wird immer deutlicher – geht nicht. Man kann nicht gleichzeitig Exportweltmeister sein wollen

(Zuruf des Abg. Wieser CDU)

und die Grenzen dicht machen wollen. Das geht nicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

E-Commerce, World Wide Web auf der einen Seite und ethnisches Reinheitsgebot auf der anderen Seite, das funktioniert nicht.

(Zuruf des Abg. Döpper CDU)

Aktienkurse rund um die Uhr und rund um den Globus online, aber der Arbeitsmarkt in Spaichingen wird vom Arbeitsamt in Tuttlingen geregelt – nein, meine Damen und Herren, so läuft das nicht. Das kann so auch nicht laufen.

Das hat auch Frau Schavan erkannt, die heute da ist. Sie hat nur nicht den Mut, das ihrer CDU und ihrem badenwürttembergischen Regierungschef zu sagen. In der „Stuttgarter Zeitung“ hat sie letzte Woche wörtlich gesagt:

Globalisierung kann nicht nur heißen: Freiheit der Finanzmärkte; Freiheit der Dienstleistungen. Globalisierung heißt auch: Chancen auf einen internationalen Arbeitsmarkt für die künftigen Generationen.

Und jetzt kommt es:

Dagegen wendet sich die CDU nicht wirklich.

So sagen Sie, Frau Schavan.

(Lachen bei der SPD)

Täte sie es, dann wäre sie die Partei des 20. Jahrhunderts, nicht mehr die des 21. Jahrhunderts.

Selten so herumgeeiert, gnädige Frau, möchte man beinahe sagen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Dagegen wendet sich die CDU nicht wirklich, not really. Ja was denn? Nur ein bisschen? Wendet sie sich nur im Prinzip dagegen oder nur solange Wahlkampf in NRW ist?

(Abg. Deuschle REP: Eben!)

Oder nur so lange, bis es auch Erwin Teufel kapiert hat? Was heißt denn eigentlich „nicht wirklich“?

Ich weiß, dass Sie viel zu klug sind, um nicht zu kapieren, dass Sie damit in der selbst gebauten Falle der CDU sitzen, aus der es kein Entrinnen gibt. Das Problem beim internationalen Arbeitsmarkt ist doch völlig klar: Beim globalisierten Arbeitsmarkt handelt es sich nämlich, in dürre Worte gekleidet, um Menschen, um Menschen, nicht um Maschinen, nicht um Aktien, sondern um Menschen. Zum Beispiel: Ein Spaichinger Mittelständler verkauft eine teure Maschine nach Singapur und holt sich umgekehrt einen Computerspezialisten aus Singapur, der ihm das Programm schreibt, das er braucht, um solche Maschinen zu bauen. Damit hat der Mittelständler und hat auch die Wirtschaft überhaupt kein Problem.

(Abg. Deuschle REP: Das sagen Sie zu einfach!)

Aber Herr Teufel und die CDU haben damit ein Problem. Dieses Problem werden Sie nicht los.

(Abg. Göbel CDU: Wo sehen Sie das?)

Es liegt ein Brief vom IHK-Geschäftsführer Richter von der IHK Stuttgart vor, der diese Greencard-Initiative unterstützt, weil er sagt, die Wirtschaft komme ohne diese nicht aus. Er sagt gleichzeitig, dass diese feine Gliederung in Branchen, in die IT-Branche usw., in der Praxis überhaupt nicht funktioniere, sondern dass wir die Greencard auch in anderen Bereichen brauchten.