Protocol of the Session on April 12, 2000

(Zuruf von der CDU: Aber nicht heute!)

dass dies de facto eine Entwertung des Abiturs bedeutet. Darüber kann man diskutieren. Das passt aber nicht zur Rhetorik des Kultusministeriums zur Wichtigkeit und Qualität des Abiturs, insbesondere des baden-württembergischen Abiturs. Hier stoßen Paradigmen der Bildungspolitik aufeinander, wenn man in der Oberstufe wieder einen festen Bildungskanon einführen und das Zentralabitur in der bisherigen Form bestehen lassen und stärken will.

Ich denke deshalb – dies an den Wissenschaftsminister und die Kultusministerin –: Man wird sich irgendwann entscheiden müssen. In einem Bildungsministerium, das Hochschule und Schule beinhaltet, wie wir es derzeit erneut einfordern, Herr von Trotha, könnte ein solcher Widerspruch künftig vielleicht besser gelöst werden.

Ich bedanke mich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Kiesswetter.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Abschluss eines neuen Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen ist, wie von der Landesregierung in der Begründung des Entwurfs für das erforderliche Gesetz zum Staatsvertrag dargelegt, durch die Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom August 1998 erforderlich, aber auch möglich geworden.

Frau Kollegin Rastätter, ich halte es nicht für eine Forderung der CDU, heute hier darüber zu reden, sondern für ei

nen üblichen Brauch, zumindest einmal im Plenum offen über ein Gesetz zu reden, selbst wenn es vom Ergebnis her unstrittig ist. Ich halte diesen Brauch für richtig und gut.

(Abg. Deuschle REP: Eben! Genau!)

Das sollten wir beibehalten, selbst wenn wir alle zustimmen. Ich meine, die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, auch in diesem Fall etwas dazu zu hören.

(Abg. Deuschle REP: Warum wir zustimmen, auch!)

Das geänderte Hochschulrahmengesetz eröffnet den Hochschulen die Möglichkeit, einen Teil ihrer Studienplätze nach eigenen Auswahlkriterien zu vergeben. Das entspricht grundsätzlich einer von uns seit langem erhobenen Forderung und steht inhaltlich in direktem Zusammenhang mit dem Thema der Qualitätssteigerung der Hochschulen durch Stärkung des Wettbewerbs, also einem Thema, das wir hier im Lande mit den bereits vollzogenen Schritten einer Reform der Hochschulen auch konkret angegangen sind.

Im Einzelnen hätten wir uns für diese Möglichkeit, dass die Hochschulen einen Teil ihrer Studierenden selbst auswählen können, zwar eine andere Ausgestaltung und insbesondere eine höhere Quote als lediglich 20 % gewünscht. Das hindert uns jedoch nicht daran, diesem Punkt grundsätzlich zuzustimmen.

Wir stimmen im Übrigen auch dem durch die Ministerpräsidenten der Länder ausgehandelten Staatsvertrag zu, der das geänderte Hochschulrahmengesetz entsprechend umsetzt. Da ich hierin keine besonderen Probleme habe entdecken können, stelle ich ansonsten nur fest: Wir gehen davon aus, dass dies der letzte Staatsvertrag ist, dem wir zustimmen müssen; denn wir sehen unser Ziel, die Abschaffung der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, endlich in greifbare Nähe gerückt.

(Beifall des Abg. Pfister FDP/DVP)

In drei Jahren wird diese Einrichtung nicht mehr vorhanden sein.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zurufe von der FDP/ DVP: Bravo! – Sehr gut!)

Ich hoffe, dass auch Herr Minister von Trotha dem zustimmen und Frau Kollegin Schavan folgen wird.

In diesem Sinne und aus diesem Grund unsere Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Deuschle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch die Fraktion Die Republikaner stimmt dem vorliegenden Gesetz zum Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen zu. Ich möchte hier kurz auf drei Punkte eingehen.

Erstens: Wir halten die Studienplatzvergabe durch die ZVS in Dortmund für anachronistisch, weil die zentrale Studien

platzvergabe vom Grundsatz „Äpfel gleich Birnen“ ausgeht und es erschwert, dass in Deutschland die Universitäten und ihre Lehrstühle ihre spezifischen Eigenarten herausbilden können.

Die ZVS bedarf, wie schon gesagt worden ist, einer weit gehenden Reform oder besser sogar mittelfristig einer Abschaffung. Ich habe auch den entsprechenden Beschluss des CDU-Parteitags zur Kenntnis genommen. Ich hoffe, dass die CDU in dieser Frage ihre Beschlüsse umsetzt und nicht, wie heute Morgen in der Debatte um die Greencard, wieder umkippt.

Zweitens: Die Hochschulen müssen sich in größerem Maß als bisher ihre Studenten selber aussuchen können. Nur dann kann der gewollte Wettbewerb zwischen einzelnen Hochschulen besser organisiert werden, und dann können sich auch die spezifischen Charakteristiken der Hochschulen besser herausbilden. Zu diesem Thema hat auch Herr Dr. Birk etwas Sinnvolles gesagt.

Drittens: Wir halten grundsätzlich als zusätzliches Kriterium für wichtig, dass das Abitur wieder als Zeugnis der Reife organisiert wird und nicht mehr allein als Hochschulzugangsberechtigung ausreicht. Nachdem das Abitur durch das Massengymnasium an Wert verloren hat, müssen zusätzliche Auswahlkriterien geschaffen werden. In dieser Hinsicht sind, auch was die Oberstufenreform betrifft, noch Strukturreformen notwendig. Für uns gilt hier nämlich: mehr Qualität als Quantität.

Danke.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort erhält Herr Wissenschaftsminister von Trotha.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die sachliche und einvernehmliche Debatte. Es ist in der Tat so, dass am 24. Juni 1999 die Regierungschefs einen neuen Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen geschlossen haben. Durch den Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung soll dieser Staatsvertrag ratifiziert werden. Mit diesem Gesetzentwurf kommen die Länder ihrer Verpflichtung nach, ihr Hochschulzulassungsrecht zu einem übereinstimmenden Zeitpunkt, nämlich zum kommenden Wintersemester, entsprechend dem 4. Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes zu regeln.

Inhaltlich bringt der neue Staatsvertrag wirklich eine Weiterentwicklung des zentralen Verfahrens zur Vergabe von Studienplätzen, und zwar mittels einer Stärkung des Leistungsprinzips und der Hochschulautonomie. Dies ist heute hier sehr einvernehmlich begrüßt worden. Ich kann Ihnen nur sagen: Bei der Verhandlung über die Prozentsätze hat es härteste Auseinandersetzungen gegeben. Ich freue mich, dass das heute keine Rolle mehr gespielt hat.

Im Übrigen, weil auch das angeschnitten worden ist: Auch ich bin für die Abschaffung der ZVS, nämlich sobald wir uns bundesweit auf ein generelles Auswahlverfahren geeinigt haben. Würden wir aber jetzt die ZVS abschaffen, bedeutete das, dass auf jeden, aber auch wirklich auf jeden ZVS-Studienplatz in Baden-Württemberg im Schnitt mehr

als zehn Bewerber kämen. Dies zu administrieren ist nicht einfach, zumal wenn man das zuständige Haus abschaffen will.

(Lachen der Abg. Pfisterer CDU und Kiel FDP/ DVP – Beifall des Abg. Kiel FDP/DVP)

Was sind die Kernpunkte der Neuregelungen?

Erstens: Bei der Verteilung der Bewerber auf die Hochschulorte werden künftig auch Leistungskriterien Anwendung finden.

(Abg. Deuschle REP: Sehr gut!)

Bisher war das Verteilungsverfahren so organisiert, dass bei der Entscheidung über den Studienort vor allem soziale, insbesondere familiäre und wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend waren. Das sind achtbare Gründe, aber sie sollten nicht die ausschließlichen Gründe sein. Die Vergabe eines Studienplatzes richtete sich also in aller Regel nach der Nähe des Wohnsitzes zum Studienort. Dies hatte zur Folge, dass zum Beispiel ein in Stuttgart wohnender Abiturient selbst bei bestem Abiturzeugnis kaum eine Chance hatte, etwa in Heidelberg einen Studienplatz zu bekommen. Dass diese Vergabepraxis bei den leistungsstarken und den leistungsstärksten Schulabsolventen wenig Verständnis gefunden hat und auf Ablehnung gestoßen ist, versteht sich eigentlich von selbst. Diese Vergabepraxis widerspricht auch unserem Grundsatz, dass sich Leistung lohnen muss. Der neue Staatsvertrag beseitigt diesen Missstand dadurch, dass bei der Ortsverteilung bis zu 25 % der Plätze nach der Abiturnote vergeben werden können. Wir hätten uns gewünscht, dass diese Prozentzahl voll ausgeschöpft worden wäre, wir sind aber am Widerstand der ALänder gescheitert. Die genaue Prozentzahl ist jetzt in der gemeinsamen Vergabeordnung mit 17,5 festgelegt.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass in BadenWürttemberg bei den nicht in das ZVS-Verfahren einbezogenen zulassungsbeschränkten Studiengängen 40 % der Plätze nach einem hochschuleigenen Auswahlverfahren vergeben werden. Dieses Verfahren, das sich übrigens inzwischen hervorragend bewährt hat, gibt den Hochschulen die Möglichkeit, solche Studierende auszuwählen, die im Hinblick auf die jeweiligen fachspezifischen Anforderungsprofile der Studiengänge besonders befähigt und begabt sind.

Nach dem neuen Staatsvertrag werden nun die Universitäten auch beim zentralen Vergabeverfahren an der Bewerberauswahl beteiligt. Im Vergleich zu dem Auswahlrecht in Baden-Württemberg sind ihre Möglichkeiten allerdings deutlich beschränkt. Die Hochschulquote beträgt nur 20 % der Studienplätze, und die Auswahlmöglichkeiten sind auch begrenzt, nämlich auf die Kriterien Abiturdurchschnittsnote, Auswahlgespräch und berufliche Qualifikation.

Wenn Sie, verehrte Frau Kollegin Rastätter, jetzt mit dem Verfahren nicht einverstanden sind, so wissen wir beide, dass dies im HRG vorgeschrieben und deswegen nicht zu ändern ist. Wenn Sie in der Einschätzung der Frage des Abiturs einen Dissens zwischen Frau Schavan und mir sehen wollen, dann ist das ein Irrtum. Die beiden Häuser arbeiten hervorragend zusammen. Wir sind uns auch einig in

(Minister von Trotha)

der Einschätzung der Bedeutung des Abiturs. Wir waren uns nicht einig in der Einschätzung des Abiturs für das Zulassungsauswahlverfahren. Ich habe damals gesagt: Das Abitur ist die notwendige, aber nicht immer hinreichende Voraussetzung. Zu diesem Satz stehe ich auch, und zu diesem Satz steht inzwischen auch Frau Schavan. Wir haben also keinerlei Dissens mehr in dieser Frage.

(Abg. Deuschle REP: Ah ja! Sie ist sehr lernfähig, die Frau Schavan!)

Summa summarum lässt sich also feststellen, dass auch mit dem heutigen Staatsvertrag noch Wünsche nach einem stärker leistungsorientierten und hochschulfreundlichen Auswahlverfahren offen bleiben und dass das zentrale Auswahlverfahren hinter den Möglichkeiten unseres Landesverfahrens zurückbleibt. Da das Abkommen die Unterschriften von 16 Ministerpräsidenten tragen muss, konnte jedoch derzeit nicht mehr erreicht und erwartet werden. Dennoch sind die Neuerungen ein wichtiger Schritt in die von uns für richtig gehaltene Richtung. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu dem Gesetz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, Wortmeldungen in der Allgemeinen Aussprache liegen mir nicht mehr vor. Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur E i n z e l a b s t i m m u n g. Der Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst empfiehlt Ihnen in der Beschlussempfehlung Drucksache 12/5005, dem Gesetzentwurf unverändert zuzustimmen. Dies ist eine einstimmig beschlossene Empfehlung.

Ich rufe

§ 1 und § 2