Aus diesem Fall können Sie vielleicht ersehen, dass es einfach wichtig ist, die Dinge noch einmal sorgfältig zu überprüfen, gerade auch im Interesse der Behinderten, weil hier Regelungen getroffen worden sind, bei denen Steine statt Brot gegeben worden sind.
Wir haben noch eine Reihe anderer Korrekturen, die wir in dieser Novellierung auch gern mit verfolgt sehen würden. Aber darauf wird nachher meine Kollegin Dr. Brenner eingehen.
Meine Damen und Herren, auch insoweit eine Bemerkung, bevor ich das Wort weitergebe. Die Redezeit der CDU-Fraktion ist abgelaufen. Sie haben keine Möglichkeit, noch einmal das Wort zu ergreifen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Einführung des Kenntnisgabeverfahrens bei der Novellierung der Landesbauordnung 1995 war ein Meilenstein bei der Entbürokratisierung, Vereinfachung und Beschleunigung von Verwaltungsverfahren und auch bei der Einsparung von Kosten. Dieses Verfahren hat sich bewährt. Es wird auch zunehmend angewandt. Das Statistische Landesamt stellte fest, dass die Quote auch in den letzten Monaten zugenommen hat und bei 35 % aller Wohnungen und knapp 43 % bei den Ein- und Zweifamilienhäusern liegt. Bei aller Bescheidenheit möchte ich einmal sagen: Wir suchen in dieser Legislaturperiode vergeblich einen ähnlichen Fortschritt beim Abbau von Bürokratie und bei der Stärkung von Eigenverantwortung der Bürger. Deshalb sind wir nach wie vor stolz auf das, was wir damals mit beschlossen haben, und finden, dass das ein guter Weg ist.
1997 kam dann eine neue Diskussion auf, und hier im Landtag wurde ein Beschluss gefasst, der eigentlich den weiteren Weg vorbestimmt. Denn damals hat man die Übergangsfrist verlängert. Man hat aber nicht nur die Übergangsfrist verlängert, sondern man hat das Ende offen gestaltet. Damit hat man sozusagen zu erkennen gegeben, dass die Wahlfreiheit
Wenn wir die Statistik etwas genauer betrachten, dann stellen wir fest, dass diejenigen, die schon 1997 bei der Anwendung dieses bürgerfreundlichen Verfahrens gut waren, sich enorm weiter verbessert haben und dass diejenigen, die schon damals dieses Verfahren wenig angewandt haben, dies heute auch nicht tun.
Da, Herr Staatssekretär, geht unser Vorwurf natürlich schon an Ihre Adresse; denn Ihr Ministerium hat sich für das Kenntnisgabeverfahren als das bürgerfreundliche Verfahren, als einen Beitrag zur Entbürokratisierung ausgesprochen. Man kann natürlich eine mögliche Wahlfreiheit nicht so interpretieren, dass man sagt: „Jetzt lassen wir das alles einmal laufen, laisser faire; die Bürger sollen entscheiden“, sondern wir müssen Sie fragen: Was haben Sie in den vergangenen Jahren eigentlich getan, um in den Städten, in denen dieses Verfahren ganz offensichtlich nicht willkommen ist, diesem Verfahren zum Durchbruch zu verhelfen?
Die Begründung im Gesetzentwurf der Grünen, das sei mehr ein Verfahren für die ländlichen Gebiete, für Großstädte tauge es wenig, geht natürlich auch ins Leere. So gibt es in der Stadt Mannheim bei den Ein- und Zweifamilienhäusern mittlerweile beim Kenntnisgabeverfahren eine Quote von 77 %, in der Stadt Stuttgart eine solche von 7 %.
Das heißt, das Ministerium hat das, was 1997 in der Debatte versprochen wurde, nämlich für dieses Verfahren zu werben, dafür zu trommeln, die Quote zu erhöhen, nicht gemacht. Sie lassen es laufen. Wir vermissen einen entschiedenen Beitrag von Ihnen zur Entbürokratisierung und zu mehr Eigenverantwortung der Bürger.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem jetzt vorgelegten Papier der Koalitionsfraktionen sagen. Sie könnten eigentlich so ehrlich sein und sagen: „Stimmen wir dem Gesetzentwurf der Grünen zu. Das ist angelegt in der Beschlussfassung und der Diskussion 1997.“
(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Aber der Antrag ist gar nicht zulässig, haben wir gerade ge- hört!)
Man kann auch völlig unbeschadet der Diskussion und der Entscheidung über das Kenntnisgabeverfahren über die Weiterentwicklung des barrierefreien Bauens sprechen. Wir haben selber einen Gesetzentwurf eingebracht und meinen, dass das nicht nur bei den öffentlich zugänglichen Gebäuden, sondern auch bei den Privatgebäuden weiterentwickelt werden muss. Andere Länder haben das getan. Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt und hoffen, dass den hehren Worten, das barrierefreie Bauen auch weiterhin begünstigen zu wollen, entsprechende Taten folgen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Sie waren ja dabei im Wirtschaftsausschuss!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wir 1977 das Wahlrecht zwischen diesen beiden Verfahren
1997, pardon – auf Ende 2001 befristeten, waren wir übereinstimmend der Meinung, man sollte auf jeden Fall die Zeit nutzen, um in der Praxis weitere Erfahrungen zu sammeln. Die einen haben das damals in der Erwartung beschlossen, dass sich bis dahin die Bauherren und auch die Baugenehmigungsbehörden so sehr an das Kenntnisgabeverfahren gewöhnt haben würden, dass es dann das einzige Verfahren sein werde. Die anderen, zu denen auch ich und meine Fraktion sich gezählt haben, haben das in der Erwartung getan, dass das befristete Wahlrecht dann wohl in ein unbefristetes umgewandelt werden würde, weil die bis dahin getätigten Erfahrungen weiter dafür sprechen würden, dass es sich bei dem Wahlrecht um eine gute Sache handelt.
Nachdem die Übergangsregelung, die wir damals beschlossen haben, noch fast zwei Jahre gilt – wir haben gerade mal die Hälfte dieser Zeit hinter uns –, kommt die Initiative der Grünen eigentlich zu früh. Warum macht man vier Jahre aus, wenn man schon nach zwei Jahren sagt, es müsse schon wieder geändert werden?
(Abg. Dr. Witzel Bündnis 90/Die Grünen: Weil alle Beteiligten klar gesagt haben: Es hat sich be- währt!)
Aber das ist – beruhigen Sie sich – nicht der eigentliche Punkt. Der eigentliche Punkt ist: Wenn wir wissen, dass wir sowieso noch weitere Änderungen in der Landesbauordnung wollen, dann wäre es doch ein Wahnsinn – mit Verlaub gesagt –, diese jetzt schon zu ändern, obwohl wir noch zwei Jahre Zeit haben, und ein paar Monate später noch einmal. Wir treten an und sagen, wir hätten etwas gegen Bürokratisierung und wollten mehr Deregulierung, und würden selbst das Gegenteil machen. Deshalb muss das gemeinsam getan werden.
Herr Witzel, ich sage es mal ganz allgemein: Sie haben mit Blick auf das geneigte Publikum gesagt – und dabei ein bisschen gelächelt, das war sehr sympathisch –, dies sei ein Präzedenzfall, wie man hier den Grünen in allem folge. Ich könnte genauso gut sagen: Was wir alle vielleicht in diesem Punkt machen, ist ein Präzedenzfall dafür, wie man mit Hurra und Feldgeschrei völlig offene Türen einrennt.
Wir stimmen dem Anliegen zu. Wir wissen, dass sich das Wahlrecht in der Sache bewährt hat. Sie haben einige Gründe genannt; der Zeit wegen will ich die nicht näher ausführen. Es stimmt, es bringt nicht immer einen Zeitgewinn. Ich habe mich zweieinhalb Jahrzehnte lang als Oberbürgermeister um diese Dinge gekümmert und kann sagen: Es bringt nicht immer Zeitgewinn. Wenn Sie wollen, könnte ich das bis ins Detail belegen. Es ist nun einmal so, dass die Akzeptanz dieser beiden Verfahren sehr unterschiedlich ist. Dort, wo dicht besiedelt ist, werden Sie, schon aus städtebaulichen Gründen, bei den Bebauungsplänen immer eine Regelungstiefe haben. Da werden Sie ohne ein starkes Maß an Befreiungen gar nicht auskommen. Dann passt das Kenntnisgabeverfahren nicht so sehr.
(Abg. Brechtken SPD: Dann kann er es ja gar nicht machen, Herr Kollege, wenn er Befreiungen braucht!)
Für eine Vielzahl von Verfahren ist das Kenntnisgabeverfahren sehr gut. Damit Sie das auch einmal hören: Ich finde es prima, dass es damals unter der großen Koalition eingeführt worden ist. Es erleichtert das Verfahren in vielen Fällen. Es führt zu einer Verbilligung und einer Beschleunigung – prima. Deshalb wollen wir auch am Wahlrecht festhalten, damit sich jeder, wenn es ihm passt, für das Kennt
nisgabeverfahren entscheiden kann. Aber im Geschossbau zum Beispiel, mit dem wir uns sehr schwer tun, gerade wenn es um Mietwohnungen geht, können Sie gar nicht anders verfahren – darauf weist der Städtetag zu Recht hin –, als dass Sie sich mit dem Bauträger zusammensetzen. Anstatt eine groß angelegte Bebauungsplanänderung zu machen – das dauert anderthalb Jahre –, müssen Sie mit einem gestuften Verfahren – mit Bauvoranfrage, später mit Baugenehmigung – die einzelnen Befreiungstatbestände gemeinsam durchspielen und gemeinsam nach einer wirtschaftlichen, städtebaulich vertretbaren Lösung suchen. Wenn Sie das wegnehmen, geben Sie wirklich Steine statt Brot.
Im Übrigen frage ich mich: Was ist bürokratisch daran, wenn man den Leuten die Wahl lässt? Bürokratisch und dirigistisch ist, wenn man das mit missionarischem Eifer
wegnimmt und sagt: Nur so, wie wir es uns ausgedacht haben, geht es. Das ist der Punkt. Das ist meine Meinung.
Wenn man sagt, für die Baugenehmigungsbehörden werde es aber leichter, sie bräuchten weniger Beamte, muss ich dem nach zweieinhalb Jahrzehnten Erfahrung entgegenhalten: Ich habe noch nie gesehen, dass die Zahl der Beamten abgenommen hat. Aber ich sage Ihnen zu diesem Punkt: Sie brauchen sie auch. Denn die meisten Verfahren, die bei einer Baugenehmigungsbehörde laufen, sind doch die Verfahren nach § 34 des Baugesetzbuchs, die Bebauungsdinge, die im Zusammenhang mit einem bebauten Ortsteil stehen. Da brauchen Sie nach wie vor eine Baugenehmigung.
(Abg. Brechtken SPD: Da gilt ja auch das Kenntnisgabeverfahren gar nicht! Also, § 34 ist doch kein Kenntnisgabeverfahrensproblem!)
Abschließend: Die Landesverbände, die Kammern, die Arbeitsgemeinschaft der Bausparkassen kommen alle zu dem gleichen Ergebnis. Wenn Sie von der SPD offenbar meinen, Sie seien die Einzigen, die hier ganz sicher auf der richtigen Seite sind, dann kommen Sie mir wirklich vor wie jener Geisterfahrer, der allen Fahrzeugen entgegenfährt und sich wundert, dass sie ihm alle auf der falschen Fahrbahn entgegenkommen. Das muss ich Ihnen schon sagen.
Lassen Sie uns deshalb die gesamten Vorschläge in unbürokratischer Weise zusammenfassen. Wir können das im Wirtschaftsausschuss gemeinsam besprechen, Herr Witzel. Dann sollten wir im Interesse der Bauherren zu einer gemeinsamen, ordentlichen Regelung kommen, die sich für parteipolitische Profilierung relativ wenig eignet.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Brechtken SPD: Ich habe nur etwas dagegen, wenn Sie in diesem Zusammenhang § 34 bringen! Da gehört er wirklich nicht hin!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 1. Januar 1996 trat die novellierte Landesbauordnung in Baden-Württemberg in Kraft. In diese Novellierung wurde neben anderen geänderten Bestimmungen ein wichtiger Bestandteil aufgenommen. Für ganz bestimmte Baugebiete wurde für Bauwillige nämlich das Kenntnisgabeverfahren eingeführt. Dieses Verfahren soll zur Entbürokratisierung beitragen und die oft langwierigen Baugenehmigungsverfahren ablösen. In anderen Bundesländern wurde dieses Verfahren bereits erfolgreich praktiziert und erfährt dort auch eine höhere Akzeptanz.
Richtigerweise hatte man bei dieser Novellierung das Baugenehmigungsverfahren beibehalten, obwohl es folgerichtig gewesen wäre – um auch der Intention der geänderten Landesbauordnung gerecht zu werden –, dieses Genehmigungsverfahren abzuschaffen. Somit hatten die Architekten die Möglichkeit, für eine Übergangszeit von drei Jahren zwischen dem bisherigen Baugenehmigungsverfahren und dem neuen Kenntnisgabeverfahren zu wählen.