Protocol of the Session on March 23, 2000

Herr Stratthaus, mich hat auch nicht ganz überzeugt, was Sie auf meine Zwischenfrage geantwortet haben, was die unterschiedliche Behandlung von thesaurierten und ausgeschütteten Gewinnen betrifft. Steuerwissenschaftlich gebe ich Ihnen da wiederum Recht. Im Prinzip sollte man marktmäßig gesehen alle gleich behandeln. Aber wenn man sie schon ungleich behandelt, dann doch bitte umgekehrt. Dann wollen wir die Gewinne begünstigen, die im Unternehmen verbleiben und dort reinvestiert werden, um Arbeitsplätze zu schaffen.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Begründung?)

Ich muss auch noch einmal darauf hinweisen, dass meines Erachtens mit der Argumentation der CDU, die Personengesellschaften würden stark belastet – Herr Mayer-Vorfelder, Sie kommen ja gleich nach mir –, ein großer Fehler gemacht wird. Dabei wird immer durcheinander geworfen der Grenzsteuersatz, der Spitzensteuersatz und der Durchschnittssteuersatz. Wenn ich nämlich zu den 25 % bei den Kapitalgesellschaften noch die 13 % Gewerbesteuer dazurechne...

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

... – ich komme zum Ende –, dann sind es schon 38 %. Im Vermittlungsausschuss werden Sie von den 45 % eventuell noch etwas herunterkommen. Das hat dann zur Folge, dass die beiden Belastungen sehr nahe beieinander liegen. Sie dürfen bei den Personengesellschaften eben nicht dauernd mit dem Spitzensteuersatz argumentieren, sondern Sie müssen dort den effektiven Steuersatz, die effektive Steuerbelastung nehmen. Sie liegt bei den meisten Handwerksbetrieben und Mittelstandsunternehmen in Baden-Württemberg eben unter 38 %. Insofern sind wir doch gar nicht so weit auseinander. Deshalb waren Ihre Ausführungen, Herr Finanzminister, auch sehr versöhnlich.

Ich glaube, letztlich wird es im Bundesrat da oder dort noch Kompromisse geben. Ich persönlich wäre zum Beispiel auch bereit, was den Verkauf von Betrieben, die Betriebsveräußerung, angeht, die Freibeträge von 60 000 DM deutlich zu erhöhen. Das wäre meines Erachtens der beste Weg. Dabei könnte ich mir auch vorstellen, dass man statt über § 16 über § 34 des Einkommensteuergesetzes etwas regelt. Insgesamt gibt es da noch Handlungsbedarf. Aber wir sind auf einem guten Weg. Diese Steuerreform wird Deutschland voranbringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Sabine Schlager Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Mayer-Vorfelder.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme noch einmal auf das zurück, was ich in meinem ersten Redebeitrag gesagt habe.

Der große Unterschied ist, Frau Erdrich-Sommer – Schlacht von gestern, Schlacht von heute –, dass Sie es im Bund damals mit einer anderen Partei zu tun hatten, als die CDU an der Regierung war und SPD und Grüne in der Opposition waren. Dass die CDU bereit ist, Kompromisse zu suchen und zu finden, ist ganz selbstverständlich. Das Schlimme damals war eben, dass man Kompromisse hatte, die dann auf Weisung aus der Baracke abgelehnt worden sind. Die Grünen haben das damals mitgemacht; Frau Erdrich-Sommer, ich kann Ihnen das nicht ersparen.

Was die heutige Situation in der Steuerpolitik anbelangt, so stehen die Grünen der CDU näher als der SPD. Das ist die Wirklichkeit.

(Abg. Döpper CDU: So ist es! – Abg. Keitel CDU: Mittelstandsfreundlicher!)

Deswegen kann ich Ihnen, wenn Sie Kompromisse suchen, nur empfehlen, Herrn Metzger in den Vermittlungsausschuss zu schicken. Denn dessen Auffassungen sind nicht weit weg von denen, die wir vertreten.

(Abg. Kiel FDP/DVP: So ist es! – Zuruf des Abg. Dr. Hildebrandt Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will mich jetzt nicht mit Herrn Rapp auseinander setzen. Das, was Sie gesagt haben, ist abstrus.

(Zuruf des Abg. Rapp REP)

Wohl aber will ich mich mit der Frage des Mittelstands befassen. Herr Puchta, meistens ist das Parlament, das Plenum nicht der richtige Schauplatz dafür, zu versuchen, die Richtigkeit seiner eigenen Position mit Prozentangaben, Zahlen und dergleichen mehr im Detail zu beweisen. Denn es gibt immer wieder Gegenrechnungen. Ich war so lange dabei, dass ich weiß: Derjenige, der etwas beweisen will, kann das mit irgendeiner Statistik auch beweisen.

Das Entscheidende ist vielmehr – deshalb bin ich Ihnen für Ihren letzten Satz dankbar, wonach es Handlungsbedarf gebe –: Jeder, der Verantwortung für dieses Land trägt, darf den Mittelstand nicht schlechter stellen als die Aktiengesellschaft.

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!)

Andernfalls kommt er in den Bereich der Verfassungswidrigkeit hinein. Das wird derzeit auf allen Fachtagungen diskutiert. Mit der Spreizung zwischen dem Spitzensatz bei der Einkommensteuer, den Sie im Jahr 2005 auf 45 % senken wollen, und dem Körperschaftsteuersatz, den Sie sofort 2001 auf 25 % senken wollen, sind Sie im Bereich des Verfassungswidrigen. Das kann man aus früheren Urteilen ablesen.

Nehmen Sie auch die unterschiedliche Behandlung der Veräußerung von Anteilen an Aktiengesellschaften und der Veräußerung von Betrieben nicht so leicht. Der Mittelstand ist sehr differenziert. Wenn Sie den mittelständischen Unternehmern mit einer falschen Besteuerung die Altersvorsorge nehmen, werden Sie Schwierigkeiten haben, Nachfolger zu finden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das dürfen Sie nicht so leicht nehmen. Das wird eine große Rolle spielen.

Letzte Bemerkung, da der Herr Vizepräsident sicherlich unerbittlich sein wird und ich nur noch eine Minute Redezeit habe – –

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Brechtken: Nein, er ist großzügig! Ganz großzügig!)

Ob er bei mir großzügig ist, wage ich zu bezweifeln.

Aber jetzt doch noch eine Bemerkung.

Herr Kollege Mayer-Vorfelder, Sie werden so lange überziehen dürfen wie Herr Kollege Puchta. Er hat 2 Minuten und 28 Sekunden überzogen.

(Heiterkeit)

Ich bedanke mich beim Kollegen Puchta.

Es gibt in der Frage der Entfernungspauschale und der Kilometerpauschale im Grunde genommen keine SchwarzWeiß-Argumentation. Sie haben das ja auch nicht ohne Grund in die Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben.

Wir wissen, dass mit der Kilometerpauschale auch manches betrieben wird, was nicht im Sinne des Gesetzes ist. Die Entfernungspauschale hat demgegenüber den Vorteil, dass sie unabhängig ist von dem benutzten Verkehrsmittel. Manche Grüne könnten auch mit dem Fahrrad fahren, oder sie könnten joggen. Und es können Fahrgemeinschaften gebildet werden, wobei jedem Mitfahrer vollkommen legal die Entfernungspauschale zusteht. Ob 15 Kilometer genau die richtige Entfernung sind, muss vor dem Hintergrund des Modells, das die Landesregierung und die Bundesregierung gemacht haben, gesehen werden. Dabei ist eine weitaus stärkere Absenkung des linearen Steuersatzes vorgesehen. Damit hängt auch der Arbeitnehmerfreibetrag zusammen. Deshalb: Wenn wir kompromissbereit auf beiden Seiten sind, bin ich der festen Überzeugung, dass man eine Lösung findet, die allen gerecht wird: den Unternehmen und den Unternehmern, aber vor allen Dingen auch – was viel zu kurz kommt – den Arbeitnehmern.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ich stelle fest, Herr Kollege Mayer-Vorfelder, dass Sie die Möglichkeit, Ihre Redezeit zu überziehen, nicht ausgenutzt haben.

(Heiterkeit)

Das Haus dankt Ihnen.

Das Wort erhält Frau Erdrich-Sommer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt etwas zur verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschale und zu den Vorschlägen, die hierzu aus BadenWürttemberg und von den B-Ländern gemacht wurden, sagen.

Als ich von der Aktuellen Debatte über dieses Thema gehört habe, hatte ich Erwartungen, wie die SPD dieses Thema angehen würde. Die SPD hat mich nicht enttäuscht.

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Ich habe erwartet, dass sie die verteilungspolitische Keule zieht, und sie hat sie gezogen.

(Abg. Dr. Puchta SPD: Sicherlich! Das muss man doch auch!)

Das hilft aber nicht und ändert nichts an der Tatsache, dass ich diese Sicht der Dinge für falsch halte

(Abg. Dr. Puchta SPD: Ballungsgebiet-Vertrete- rin!)

und dass ich sehr viel Sympathie für den Vorschlag der CDU habe. Das wird Sie nicht wundern, denn dort ist praktisch eins zu eins umgesetzt, was wir in der vorigen Legislaturperiode in unserem Reformentwurf zur Einkommensteuer vorgeschlagen haben. Dahinter stehen wir natürlich nach wie vor. Dass wir dahinter stehen, sieht man am Koalitionsvertrag, in den wir die Absichtserklärung für die verkehrsmittelunabhängige Pauschale hineingeschrieben haben.

Diese Regelung ist ökologisch und verkehrspolitisch gesehen eine sehr gute Sache und der richtige Schritt. Wenn ich die Ballungsräume vom Verkehr entlasten will und die Menschen auf Busse und Bahnen umsteigen lassen möchte, dann macht es Sinn, die entsprechenden steuerlichen Befreiungen verkehrsmittelunabhängig zu gewähren. Herr Mayer-Vorfelder hat das schon gesagt.

Man kann schon den Eindruck haben, dass die derzeitige Regelung im Steuerrecht das Steuerschlupfloch des kleinen Mannes ist. Wenn man sieht, wie viele Autos auf den Parkand-ride-Plätzen stehen und wie viele Fahrgemeinschaften gebildet werden – was ja richtig ist –, dann ist davon auszugehen, dass das Steuerrecht hier ein Stück weit umgangen wird und dass eine Subvention erschlichen wird, die eigentlich nicht richtig ankommt. Wer aber brav die Bahn benutzt, kann sich so eben nicht noch 2,50 DM dazuverdienen.

(Abg. Brechtken SPD: Haben wir doch längst! Wir haben doch längst eine Entfernungspauschale! Deshalb setzt auch keiner seine Fahrkarte ab, son- dern alle das Auto!)

Deshalb ist es verteilungspolitisch vernünftig, diese verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale einzuführen.