Protocol of the Session on March 23, 2000

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kurz, ein Problem scheint mir bei dieser Debatte ein bisschen zu sein, dass sich die Vertreter der Regierungsfraktionen in erster Linie auf die Ausführungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich berufen haben, während die EU-Kommission inzwischen Gott sei Dank aufgrund vieler Interventionen bereits einen Schritt weiter ist. Ich möchte Ihnen einmal zum internen und externen Rating aus dem Bericht der EU-Kommission zitieren. Da heißt es:

Einen bedeutenden Vorteil des internen Ratingverfahrens stellen die zusätzlichen Kundeninformationen dar, die externen Ratingstellen in der Regel nicht zugänglich sind.

Das heißt: Das Problem ist eindeutig erkannt. Die Bundesregierung hat ja auch gesagt, dass sie dies entsprechend umsetzen möchte. Insofern kann ich mich eigentlich nur den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs anschließen, der gesagt hat, dass wir in den wesentlichen Punkten übereinstimmen, dass wir auch im Ziel übereinstimmen, eine bessere Risikobeurteilung zu erreichen, und dass es nun darauf ankommt, die Ausgestaltung der Mittel zu optimieren.

Damit kein Missverständnis entsteht, möchte ich etwas zu dem richtig stellen, was ich vorhin gesagt habe. Natürlich muss das Schwergewicht auf den bankinternen Ratings liegen. Wir können uns aber der Globalisierung nicht verschließen. Das ist die andere Seite. Wenn heute die großen internationalen Ratingagenturen alle aus den USA kommen – Standard & Poor’s, Moody’s usw. –, müssen wir uns in Europa, in Deutschland und in Baden-Württemberg überlegen, ob wir nicht in der Lage sind, eigene Ratingagenturen aufzubauen. Wir dürfen uns auf Dauer nicht ausschließlich auf die Amerikaner verlassen.

(Abg. Deuschle REP: Das sollten wir auch nicht! – Abg. Haasis CDU: Man hat es doch einmal ver- sucht!)

Ich möchte auch noch etwas zu dem sagen, was Sie, Herr Hofer, zur Bundesratsinitiative ausgeführt haben. Diese Bundesratsinitiative ist ja im Bundesrat offensichtlich

mehrheitlich verabschiedet worden, und die Bundesregierung hat sich entsprechend verhalten. Auch das kommt bereits in der neuesten Vorlage der EU-Kommission zum Ausdruck. Dort wird zum Beispiel ausdrücklich die Möglichkeit offen gehalten, bei verschiedenen Arten von Kreditinstituten von Fall zu Fall in der Bewertung zu variieren. Das bedeutet also mehr Flexibilität.

Das Zweite ist, dass flexiblere Regelungen zur schnellen Anpassung an innovative und neue Betriebe gegeben sein müssen. Man hat sich auch darauf geeinigt, hauptsächlich Grundsätze und daneben Auslegungskriterien festzulegen, diese Auslegungskriterien aber auch wieder permanent zu ändern und der gegebenen Situation anzupassen.

In diesem Sinne glaube ich, dass alles auf dem richtigen Weg ist. Es geht um mehr Transparenz im Kreditwesen, es geht um mehr Sicherheit – und das alles möglichst nicht zu höheren Kosten und schon gar nicht für den Mittelstand.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Schlager.

(Abg. Scheuermann CDU: Die Redezeit braucht nicht ausgeschöpft zu werden!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte in den Akkord der großen Einigkeit noch drei kleine Gesichtspunkte einfügen, bei denen ich davon ausgehe, dass Sie mir zustimmen.

Zum einen wird es wichtig sein, dass der Portfolioansatz anerkannt und der Kreditrisikobewertung zugrunde gelegt wird. Denn das wird für die Banken ein Anreiz sein, einen großen Anteil ihrer Kredite an Mittelständler zu vergeben, weil der Mittelstand insgesamt als relativ stabil und wenig krisenanfällig gilt. Das heißt, Banken mit einem starken mittelständischen Block haben dann einen Vorteil, wenn die Streuung der Risiken Eingang in die Eigenkapitalvorschriften erhält. Ich denke, die Bundesregierung sollte sich weiterhin dafür einsetzen, und wir sollten sie von hier aus dabei unterstützen, weil das für den Mittelstand von Vorteil sein wird.

Ein zweiter Vorteil, der sich für den Mittelstand noch ergeben kann, ist Folgender: Qualitative Bewertungskriterien können künftig wichtig sein, also zum Beispiel die Ausund Weiterbildung der Belegschaft, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder die Führungsqualitäten und die Ausbildung des Firmeneigentümers. In diesem Zusammenhang wird der Meisterbrief ein Pfund sein, mit dem die Unternehmen wuchern können. In diesem Zusammenhang wird es Anreize für die Firmen geben, betriebsinterne Weiterbildung zu betreiben. Das müssen sie allerdings wissen. Sie müssen wissen, dass es ihre Chancen auf dem Kreditmarkt verstärkt, wenn sie dies tun.

(Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Dieses Wissen zu verbreiten, das ist dann Aufgabe der Landesregierung. Insgesamt besteht die Chance für den Mittelstand, dass die Kriterien, unter denen er bewertet

wird, künftig transparenter sind. Ich gehe davon aus, dass dann, wenn die Sparkassen zum Beispiel, was ja gerade geschieht, einheitliche interne Ratingverfahren entwickeln, sie schon während der Entwicklung dieser Verfahren mit der Wirtschaft in engen Kontakt treten. Das ist eine deutliche Forderung der Wirtschaft; ich hoffe, dass die Banken das machen. Wenn diese Verfahren entwickelt sind, können sie der Wirtschaft zur Kenntnis gegeben werden, und dann kann sie sich darauf einstellen. Sie wird dann wissen, dass die Betriebe, wenn sie mit diesen und jenen Kriterien zu ihrer Bank kommen, damit soundso eingestuft werden. Das heißt, der Mittelstand hat klarere Kriterien, um sich am Kreditmarkt zu behaupten. Von daher wird es Aufgabe auch von Baden-Württemberg sein, die Bundesregierung bei ihren Bemühungen weiter zu unterstützen und den Mittelstand durch Informationen regelmäßig auf dem Laufenden zu halten.

Wenn diese Debatte bewirkt, die Information über diese komplizierte Frage in den Mittelstand hineinzutragen, dann soll sie ihren Sinn gehabt haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hofer.

Herr Puchta, ich gebe Ihnen natürlich Recht. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, dass nicht nur die Baseler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Richtlinien erörtert hat, sondern auch die EUKommission, und dass sich aufgrund der rechtzeitigen vorherigen Interventionen jetzt schon etwas angeglichen hat.

Sie stimmen mir wohl aber auch darin zu, dass man in vielen Punkten noch nicht ganz über dem Berg ist. Man kann der Bundesregierung von hier aus nur „good luck“

(Abg. Deuschle REP: Was heißt das auf Deutsch?)

wünschen und hoffen, dass die überragende Sensibilisierung der Öffentlichkeit durch diese aktuelle Diskussion auch entsprechende Wirkung zeigt.

Ich möchte nur noch ganz konkret auf die Punkte kommen, die meines Erachtens eigentlich noch offen sind. Ich kann mich dabei an die Forderung des Deutschen Industrie- und Handelstags halten, der ja nicht ohne Not jetzt noch Forderungen aufstellt; denn es ist eben noch nicht über dem Berg. Dass man das externe und das bankeninterne Rating wohl gleichwertig behandeln wird, dürfte klar sein. Das ist auch richtig; denn das bankeninterne Rating ist für kleinere Betriebe manchmal viel zielgenauer und auch aktueller als ein externes Rating.

Ich bin aber noch nicht sicher, ob man bei dem Thema, dass die Standards zum Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung möglichst nicht zu hoch angesetzt werden sollen, schon über dem Berg ist. Für den einzelnen Betrieb entstehen Bürokratielasten. Diese Bürokratielasten berühren die kleineren und mittleren Unternehmer prozentual ungleich mehr als die Großunternehmen. Das ist ja bekannt. Deshalb ist es wichtig, im Hinblick auf die Anforderungen an die Verfahren zur Kreditwürdigkeitsprüfung weiterhin zu überlegen, wie man zusätzliche Regulierungen und Bürokratiekosten reduzieren kann.

Frau Schlager, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, dass man die Gesamtheit der finanzrelevanten Faktoren untersuchen muss, und bei einem mittleren Unternehmer ist das auch die Unternehmerpersönlichkeit. Bei einem kleineren Unternehmer ist es die Frage, ob er innovative Produkte hat oder nicht. Das muss noch aufgenommen werden.

Der wichtigste Punkt scheint mir nach wie vor die bisherige Anerkennung der Realkredite zu sein, der Kredite, die man mit Sicherheiten begibt, mit gewerblichen Immobilien, der typischen Kreditform für kleinere und mittlere Unternehmen, die aber bisher nur mit 50 % gewichtet worden ist. Für den Kredit ist außerordentlich wichtig, dass, wie ich informiert bin, dies in den Richtlinien nach wie vor mit 100 % angesetzt wird. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den man in den Verhandlungen noch ändern muss. Außerdem ist, wie gesagt, einfach wichtig, dass man auch vonseiten der Bankenaufsicht das externe und das interne Rating gleichstellt.

Ich will die Redezeit nicht ganz ausschöpfen, weil ich eh der Meinung bin, dass wir uns jetzt beim gleichen Punkt wiederholen und uns einig sind. Ich führe nur noch das Sprichwort an: „Der Wille ist vorhanden, allein mir fehlt der Glaube.“ Der Glaube kommt bei mir erst, wenn die Bundesregierung sagen kann: „Wir hatten Erfolg.“ Ich wünsche es ihr, aber sicher bin ich noch nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Deuschle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär Dr. Mehrländer, Sie sind leider nicht oder kaum auf die Ursachen für die veränderten Kreditstrukturen und Kreditlinien eingegangen. Im Übrigen halte ich auch die 200 000-DM-Grenze für viel zu niedrig. Wenn Sie heute eine moderne Maschine kaufen wollen, müssen Sie oft 300 000, 400 000 oder 500 000 DM anlegen. Von daher sind 200 000 DM nicht marktgerecht.

Ich glaube, wir sollten nicht an der Analyse rütteln, dass die Chancen des Mittelstandes für die Kreditfinanzierung unabhängig davon, ob wir am Ende mit internem oder externem Rating arbeiten, aus Gründen der Rentabilitätserwartung abnehmen; ich habe das vorher schon dargestellt.

Wenn diese Analyse richtig ist – Sie haben da ja nicht widersprochen, Herr Staatssekretär –, müssten Sie natürlich überlegen, welche Konsequenzen das für die staatliche Förderpolitik haben muss. Wenn ich nämlich die Eigenkapitalbildung fördere und steigere, brauche ich als Unternehmen kein Fremdkapital von Banken mehr, Herr Staatssekretär.

Da frage ich: Was macht die Landesregierung, um zum Beispiel die Finanzierungsbereitschaft der Hausbanken zu verbessern? Ich weiß, es gibt die L-Bank, die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft, die Bürgschaftsbank usw. Da wird sehr viel Interessantes gemacht. Aber das Instrumentarium in Baden-Württemberg hat auch Schwächen, und ich will noch kurz darauf eingehen, was die Fraktion Die Republikaner hier verbessern will.

Weil wir ein stärkeres Engagement der L-Bank BadenWürttemberg, der Staatsbank, beim Risikokapital wollen, schlagen wir zwei Punkte vor. Wir müssen nämlich die bisherige Lücke bei der Bereitstellung des Beteiligungskapitals schließen. Worin besteht diese Lücke? Sie besteht vor allem darin, dass vor allem die so genannten Hightechunternehmen und weniger die normalen Unternehmen gefördert werden. Da hat zum Beispiel die L-Bank, an der das Land ja beteiligt ist, einen Gestaltungsauftrag.

Dann, Herr Staatssekretär, geht es darum, das Beteiligungskapital auch für etablierte Unternehmen und nicht nur für Existenzgründer zu stärken. Auch hier kann die Landespolitik einwirken.

Noch ein Vorschlag zur Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft, die ja eine Selbsthilfeeinrichtung der Wirtschaft ist. Die MBG springt oft dann ein, wenn private Kapitalbeteiligungsgesellschaften aus Ertragsgründen kein Interesse haben. Da stellt sich nun die Frage, ob man nicht mit stillen Beteiligungen zur Verbesserung der Eigenkapitalstruktur von Unternehmen, seien es junge oder auch schon etablierte Unternehmen, beitragen kann.

Da kommen jetzt auch die Landespolitik und die Landesregierung in die Überlegung. Sie wissen ja, dass die Landesregierung den Zuschuss an die MBG auf 3 Millionen DM reduziert hat. Ich weiß aufgrund von Nachfragen und Recherchen, dass man bei der MBG den Zuschuss von 3 Millionen DM wieder auf den vorherigen Betrag erhöhen will, weil man meint, mit 3 Millionen DM nicht auszukommen.

Herr Staatssekretär, dazu wollte ich in dieser Debatte eigentlich von Ihnen etwas hören; denn wir kommen an dieser Tatsache nicht vorbei, ob sie uns passt oder nicht. Hier muss nämlich von staatlicher Seite wieder einmal etwas ausgebadet werden, was von Finanzhaien und Großbanken verursacht worden ist. Wir in Baden-Württemberg müssen wieder – Kollege Dr. Puchta hat das auch angesprochen – die Folgen der Globalisierung ausbaden. So ist es nun einmal. Aber wenn wir vor diesen Aufgaben stehen, müssen wir uns ihnen sachlich und kompetent stellen, und wir müssen die Möglichkeiten, die die Landesregierung hat, optimal einsetzen. Da sind Sie als Landesregierung gefordert.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Dr. Mehrländer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich komme nun noch zu einigen Fragen, die hier aufgetaucht sind.

Zunächst einmal noch die Feststellung: Die Beschlussfassung über den Antrag von Baden-Württemberg im Bundesrat erfolgte nicht mit Mehrheit, sondern einstimmig. Dadurch hat das natürlich schon eine besondere Bedeutung bekommen. Dass wir von der Landesregierung zufrieden darüber waren, dass wir ein solches Votum bekommen haben, können Sie sicherlich nachvollziehen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Sehr gut!)

Zum DIHT, Herr Abg. Hofer: Es ist völlig richtig – das unterstütze ich auch –, die Standards nicht zu hoch anzusetzen. Deswegen ist ja auch einer der Vorschläge, die wir gemacht haben, hier mit Bagatellgrenzen heranzugehen, um diese Standards nicht zu sehr zum Tragen zu bringen. Denn auf eines müssen wir aufpassen: Wir müssen aufpassen, dass eben nicht zu viel Bürokratie entsteht. Aber ich glaube, das ist allgemeine Auffassung.

Auch der Vorschlag, bei den Realkrediten 100 % anzusetzen, ist mit Sicherheit zu hoch gegriffen. Hier gibt es ebenfalls Nachbesserungsbedarf.

Herr Abg. Deuschle, zu den Ursachen für dieses Papier.

(Abg. Deuschle REP: Ja!)

Das war aus meiner Sicht einmal die Krise der Banken in Asien.