Protocol of the Session on March 23, 2000

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach langen und aufwendigen Beratungen liegt Ihnen heute der Gesetzentwurf zur Änderung des Landesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze vor. Wir hatten bei der ersten internen Abstimmung im Jahre 1998 noch Zweifel, ob es Sinn machen würde, das Gesetzgebungsverfahren einzuleiten, wenn nach der damals unmittelbar bevorstehenden Novelle auf Bundesebene das Landesgesetz erneut geändert werden müsste.

Fast zwei Jahre sind nun vergangen, und ich muss sagen: Es wird jetzt allerhöchste Zeit, zu handeln. Nach der Rüge der Kommission im Juli 1999 gibt es nun wenigstens und endlich einen Referentenentwurf für eine Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes. Seit November 1999 ist nach Auskunft von Herrn Schily offen, wann sich das Kabinett mit diesem Thema befassen wird. Optimismus ist also nicht gerade angebracht. Vielmehr macht es Sinn, jetzt zu handeln und den guten Beispielen der Länder Brandenburg, Hessen und Schleswig-Holstein, die die Anpassung bereits vorgenommen haben, zu folgen.

Eine kritische Anmerkung vorab. Der Gesetzentwurf spricht von einer über die Anpassung nach den Richtlinien hinausgehenden punktuellen Weiterentwicklung des Landesdatenschutzgesetzes. Ist es aber tatsächlich eine Weiterentwicklung, wenn die unbestrittene Unübersichtlichkeit und Kompliziertheit des Datenschutzrechts perpetuiert wird? Ist die Unübersichtlichkeit und Kompliziertheit wirklich eine bewährte Struktur? Bürgerfreundliche Gesetze sollten sich durch einfache und verständliche Formulierungen und einen logischen Aufbau auszeichnen. Beim Landesdatenschutzgesetz kann davon nicht die Rede sein.

Wäre es nicht sinnvoll, Herr Minister, eine bundeseinheitliche Struktur zu finden, die am Ende Gesetzentwürfe in Bund und Ländern zutage brächte, die nicht so schwer zu

gänglich sind und die der Bürger auch verstehen kann? Das wäre eine Aufgabe, der Sie sich nach dieser Novelle widmen sollten.

(Beifall der Abg. Lieselotte Schweikert FDP/DVP)

Worum geht es in diesem Gesetzgebungsverfahren? Das Hauptziel der Richtlinie der EU ist die Erleichterung des innergemeinschaftlichen Datenverkehrs auf wirtschaftlichem Gebiet. Von daher ist vor überzogenen Forderungen an den Datenschutz bei der Anpassung der Vorschriften im Landesdatenschutzgesetz über die Datenverarbeitung öffentlicher Stellen zunächst zu warnen.

Was ist für den Bürger interessant an diesem Gesetz? Er kann Schadenersatzansprüche gegen die öffentliche Stelle geltend machen, wenn ihm wegen einer unzulässigen oder unrichtigen Datenverarbeitung ein Schaden zugefügt wird. Wichtig ist natürlich für die Bürger auch, dass es Regelungen für die Datenübermittlung an Stellen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes gibt, dass die Betroffenen vor ihrer Einwilligung in die Datenverarbeitung besser aufgeklärt werden müssen und dass eine Benachrichtigungspflicht in Fällen der Datenerhebung bei Dritten oder beim Betroffenen ohne seine Kenntnis eingeführt wird. Wichtig und hervorzuheben ist auch die Festschreibung des Grundsatzes der Datensparsamkeit.

Der behördliche Datenschutzbeauftragte, den andere Länder schon lange haben, wird nur fakultativ vorgeschrieben werden. Sicher hätte man sich auch eine zwingende Bestellung vorstellen können. Mittlerweile ist aber auch für mich zweifelhaft, ob dies sinnvoll wäre. Ein umsichtiger Behördenleiter wird sich nämlich demnächst entscheiden müssen: Will ich auf eine Datenschutzfachkraft tatsächlich verzichten und dafür lieber Meldungen an den LfD schreiben? Will ich auf die vereinfachte Vorabkontrolle verzichten? Will ich wirklich keinen Spezialisten für den sensiblen Datenschutzbereich im eigenen Haus haben und immer von außerhalb Ratschläge einholen? Ich denke, dass die Zahl der behördlichen Datenschutzbeauftragten zunehmen wird und mit der fakultativen Bestellung ein sinnvoller Mittelweg gewählt wurde.

Wir Liberalen haben einige wichtige Aspekte in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht, auf die ich gern hinweisen möchte. Das Landesdatenschutzgesetz wird demnächst auch auf privatrechtlich organisierte staatliche und kommunale Beteiligungsgesellschaften Anwendung finden. Das war bisher nicht so. Hintergrund dieser Änderung ist, dass sich zum Beispiel eine Kommune bei Erledigung einer Verwaltungsaufgabe in Privatrechtsform nicht den bestehenden öffentlich-rechtlichen Bindungen entziehen darf. Der Verwaltung stehen nicht alle Freiheiten und Möglichkeiten der Privatautonomie zu. Sie darf sich den öffentlichrechtlichen Bindungen nicht völlig durch eine Flucht ins Privatrecht entziehen.

Um die Kontrollbefugnisse des Landesbeauftragten zu stärken, haben wir ebenfalls durchgesetzt, dass die Einschränkung auf eine anlassbezogene Überprüfung durch eine generelle Kontrollbefugnis im Aktenbereich ersetzt wird. Diese vorbeugende Datenschutzkontrolle ist ein wichtiger Bestandteil der Befugnisse.

Schließlich ist zu erwähnen, dass für den nicht öffentlichen Bereich, für den der Herr Innenminister – leider nicht der Landesbeauftragte – zuständig ist, im Turnus von zwei Jahren ein Bericht, ähnlich dem des Landesbeauftragten, zu erstellen sein wird. Der nächste Bericht wird nun nach sechs Jahren endlich zum 1. Juli 2001 vorliegen.

Auf das Problem mit dem Justizministerium, das Sie angeschnitten haben, sollten wir ausführlich eingehen, wenn wir den Bericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz beraten. Dabei geht es darum, wo die Grenze ist, wie weit der Landesdatenschützer auch das Justizministerium kontrollieren darf. Das braucht man nicht jetzt zu machen.

(Abg. Bebber SPD: Das hätte man aber jetzt im Gesetz ändern können!)

Aber dazu, meine ich, haben wir noch ausführlich Gelegenheit.

Ich meine auch, dass die Videoüberwachung im Rahmen eines Polizeigesetzes überdacht werden soll. Dabei sollte geklärt werden, ob sie sinnvoll ist und in welcher Form die Videoüberwachung zulässig ist.

(Abg. Scheuermann CDU: Videokamera!)

Generell wird das so sein, aber bei der Speicherung muss man sehr restriktiv vorgehen. Darüber sind wir völlig einig. Es soll eine Hilfe für die Polizei geben, aber die Speicherung der Daten darf nur zur Strafverfolgung genutzt werden und sonst nicht. Aber auf dieses Problem werden wir einmal gesondert eingehen.

Dieses Landesdatenschutzgesetz ist ein Querschnittsgesetz. Auch bereichsspezifische Regelungen wie das Presserecht, das Polizei- und Melderecht, das Gewerberecht, das Krankenhausrecht, Hochschul- und Schulgesetze und andere werden demnächst überarbeitet werden müssen. Datenschutz bleibt somit ebenso wie der Schutz des Bürgers im Zusammenhang mit der Verarbeitung seiner Daten eine Daueraufgabe. Diese Grundanliegen liberaler Politik werden wir weiter mit Nachdruck verfolgen.

Ich bedanke mich.

(Beifall der Abg. Lieselotte Schweikert FDP/DVP)

Das Wort hat Herr Abg. Käs.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die Republikanerfraktion möchte ich zunächst einmal grundsätzlich den Aspekt festhalten, dass nach unserer Überzeugung – ich denke, das sieht das ganze Haus auch so – der Datenschutz zu den sensibelsten landesrechtlich zu regelnden Aspekten gehört, die es nebst den polizeirechtlichen Fragen in der Tat hier zu verhandeln gibt. Insofern ist das Haus, wie ich meine, sehr gut beraten, wenn es der Weiterentwicklung des Datenschutzrechts ganz besondere Aufmerksamkeit entgegenbringt.

Auch die Spaltung – das ist vorher schon angesprochen worden – zwischen den bundesdatenschutzrechtlichen Regelungen, die für private Bereiche gelten, und den landesdatenschutzrechtlichen Regelungen, die für die öffentliche Verwaltung gelten sollen, ist natürlich problematisch. Stichwort: Flucht in die Privatrechtlichkeit und, und, und. Auch dem Zusammenwachsen dieser ganzen Strukturen ist

dann natürlich mit zwei getrennten, in sich schon sehr unübersichtlichen und komplizierten Rechtsmaterien sehr schwer beizukommen.

Hier knüpft dann auch gleich die Kritik an dem vorliegenden Entwurf an, dass zum Beispiel private Stellen, die zur selbstständigen Erledigung von Aufgaben der Verwaltung herangezogen werden, nicht mit in die Überwachung einbezogen werden. Hier ist man sicherlich nicht weit genug gegangen. Wir haben ja auch ein Beispiel – auch das möchte ich sagen – für einen weiteren Fall, wo das Landesparlament im Grunde aufgrund der EU-rechtlichen Regelung gar nicht mehr Nein sagen oder gar keine Alternativvorschläge mehr einbringen kann, soweit sie denn EURichtlinien entsprechen. Wir sind der Meinung, dass man das sicherlich vollziehen muss: Pacta sunt servanda, gar keine Frage. Aber nach unserer Meinung muss man in anderen Aspekten im Sinne des Datenschutzes und im Interesse des Bürgers weiter gehen, als dies im konkreten Gesetzentwurf gemacht wird.

Zum Beispiel wird die Frage der Verfahrensregister angesprochen. Ich denke, dass das Registrieren vorhandener EDV-Verfahren, das Erfassen in irgendeiner Kartei einfach nicht ausreicht, sondern dass man eigentlich darüber nachdenken muss, ob man einen Mechanismus schaffen sollte, der regelmäßig zur Überprüfung der Notwendigkeit bestimmter Erfassungsverfahren führt, zum Beispiel ein Verfallsdatum, wonach die Fortsetzung eines bestimmten Erfassungsvorgangs erneut substanziiert begründet werden muss. Sonst ist die Erfassung von Verfahren in irgendwelchen Registern eigentlich ein netter Verwaltungsvorgang, der aber nicht zur Minimierung der Erhebung der Daten der Bürger, also zur Datensparsamkeit, beitragen kann. Auch hier muss man, wie ich meine, in die Zukunft denken und hätte vielleicht schon in diesem Gesetzentwurf den einen oder anderen Aspekt mit einbringen können.

Insbesondere werden viele Vorschläge, die im Rahmen der Vorberatungen gemacht wurden, mit dem Argument beiseite geschoben, dem stünde ein erhöhter Verwaltungsaufwand entgegen. Ich denke, dass gerade in diesem Bereich, in dem es um den substanziierten Schutz des Bürgers vor allzu großer Datensammelwut der Verwaltung geht, ein erhöhter Verwaltungsaufwand nicht als Argument dienen kann, um hier nicht ein Optimum an Schutz der Bürgerinteressen umzusetzen.

(Beifall bei den Republikanern)

Ein anderer Aspekt ist bereits angesprochen worden. Auch wir sind der Auffassung, dass die fakultative Bestellung eines behördlichen Datenschutzbeauftragten sicherlich ein richtiger Schritt ist; aber eigentlich hätte das als zwingende Vorschrift festgeschrieben werden müssen. Denn heute sind alle Bereiche der Verwaltung massiv mit automatisierten Datenschutzvorgängen befasst. Keine Behörde führt ein Sonderdasein. Keine Behörde kann im Grunde argumentieren, dass man einen Datenschutzbeauftragten nicht mehr brauche. Wir leben eben nicht mehr im 19. Jahrhundert, in Kanzleistuben und Schreibstuben. Heute ist die Datenverarbeitung mit internationaler Vernetzung – Stichwort Internet – gang und gäbe. Deshalb ist es eigentlich notwendig, dass in jeder Behörde ein Datenschutzbeauftragter vorhanden ist.

Ein anderer Aspekt – und damit komme ich schon zum Schluss – ist die Frage der Video- und Akustiküberwachung, gerade im öffentlichen Bereich. Das ist von Vorrednern auch schon angesprochen worden. Dies ist ein Teilaspekt, der datenschutzrechtliche Bezüge und polizeirechtliche Aspekte hat. Wir sind der Auffassung, dass angesichts der technischen Möglichkeiten bereits im aktuellen Entwurf des Datenschutzgesetzes entsprechende datenschutzrechtliche Bestimmungen hätten aufgenommen werden können. Wenn man weiß, dass heute bereits in wenigen Minuten Millionen von Gesichts- und Bewegungsmustern gespeichert, zugeordnet und abgelegt werden können, dann kann man, wenn man auf dem Stand der technischen Entwicklung sein und ein Gesetz haben will, das diesem Stand genügt, die Augen vor diesen technischen Möglichkeiten nicht verschließen.

Wir haben eine Diskussion über die Videoüberwachung in den Städten, wir haben aber keine Diskussion darüber, was mit diesen Daten tatsächlich passiert. Ich halte es für bedenklich, dass solche Regelungsinhalte in diesem Gesetzentwurf fehlen. Damit wird eine Nische eröffnet, zunächst einmal großzügig Daten zu sammeln. Was man dann mit den erfassten Daten macht, sieht man später. Das halten wir für eine nicht korrekte Vorgehensweise.

Danke schön.

(Beifall bei den Republikanern)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Ersten Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Änderung des Landesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze.

Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. – Sie stimmen ohne förmliche Abstimmung zu.

Punkt 5 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zu dem Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen – Drucksache 12/4910

Das Präsidium schlägt Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf ohne Aussprache an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. – Sie stimmen zu.

Ich rufe Punkt 7 a der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag des Finanzministeriums vom 14. Dezember 1999 – Veräußerung des ehemals Königlichen Kurtheaters Bad Wildbad an den Förderverein Kurtheater Bad Wildbad e. V. – Drucksachen 12/4706, 12/4824

Berichterstatter: Abg. Moser

Das Wort wird nicht gewünscht.

(Abg. Moser SPD: Heute nicht!)

(Stellv. Präsident Weiser)

Wir kommen damit zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Beschluss einstimmig gefasst.

Ich rufe Punkt 7 b der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag des Finanzministeriums vom 7. Februar 2000 – Verkauf des landeseigenen Grundstücks Silberburgstraße 122 in Stuttgart – Drucksachen 12/4857, 12/4916

Berichterstatter: Abg. Kuhn

Das Wort wird nicht gewünscht.