Protocol of the Session on March 22, 2000

Der Bürger muss nach dieser Debatte wissen, was die Landesregierung will.

Sie haben vorhin gesagt, Herr Wirtschaftsminister, dass Sie diese Greencard nicht nur für den IT-Bereich wollen. Das ist wenigstens eine ehrliche Aussage. Genau dieser Dominoeffekt, den wir in der Begründung der Aktuellen Debatte erwähnten, scheint sich hier zu bestätigen. Seien Sie doch ehrlich. Herr Kollege Döring, wenn wir hier eine ehrliche Debatte führen wollen:

(Abg. Krisch REP: Er hört nicht zu! Das interes- siert ihn nicht!)

Glauben Sie eigentlich, dass Sie brillante Kräfte bekommen, wenn Sie die Erlaubnis auf zwei bis vier Jahre begrenzen, ohne die Möglichkeit eines Familiennachzugs? Das ist doch eine sehr unehrliche Debatte. Sie bekommen die Fachleute danach gar nicht mehr zurück in ihr Land.

(Abg. Capezzuto SPD: Die sind doch nicht verhei- ratet!)

Aber Sie bekommen sie unter den Bedingungen, von denen Sie reden, gar nicht erst nach Deutschland. Sie müssen hier sehr ehrlich debattieren.

Ferner möchte ich bestreiten, dass es in Baden-Württemberg und in Deutschland wirklich einen solchen Bedarf gibt. Als Beispiel möchte ich einen Fachmann, keinen Landespolitiker, zitieren: Herrn Professor Gündner von der FHTE, der heute in der „Eßlinger Zeitung“ schreibt:

Die 30 000 Informatiker, die man holen will, würde man auch im eigenen Land finden.

Davon ist Professor Gündner überzeugt.

Ich kenne persönlich viele, die das könnten.

Nehmen Sie das zur Kenntnis, bevor Sie hier von einem Bedarf sprechen, der gar nicht existiert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Republikanern)

Dann stellt sich noch eine weitere grundsätzliche Frage, auch an Leute von der rot-grünen Seite wie Dr. Hildebrandt, die früher einmal als Kämpfer gegen Kolonialismus auf der Straße waren: Darf Deutschland eigentlich die besten Leute der armen Länder abwerben, um seine eigenen Defizite zu reduzieren und zu kompensieren? Darf man das eigentlich?

(Lachen des Abg. Wieser CDU – Abg. Wieser CDU: Da hat er nicht Unrecht!)

Braucht Tschechien nicht seine besten Leute, um den Anschluss an die EU zu finden und den Eintritt in die EU zu erreichen? Nicht ohne Grund hat das slowakische Wirtschaftsblatt „Hospodarske noviny“ Folgendes geschrieben: Deutschland könne selbst talentierte Fachleute nicht von der Abwanderung in die USA abhalten und wolle das nun über Osteuropa kompensieren.

Ein anderes: Indien verliert seit Jahrzehnten seine besten Ingenieure und Techniker an die USA. In Indien – nehmen Sie von Rot-Grün das auch einmal zur Kenntnis – kostet die Ausbildung eines Informatikers oder Ingenieurs 200 000 DM. Das ist in einem armen Land wie Indien, dessen Bevölkerung mehrheitlich in Armut lebt, ungeheuer viel. Sie stehlen diesem Entwicklungsland mit jeder Arbeitserlaubnis diese Summe sowie zusätzlich den volkswirtschaftlichen Nutzen dieses Personenkreises für das Land.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Krisch REP: Kolonialmacht Grüne! – Abg. Rapp REP: Rot-grüne Kolonialisten!)

Was ist dies, meine Damen und Herren von Rot-Grün, anderes als übelster Kolonialismus in rot-grüner Form?

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Capezzuto SPD: Was soll diese Scheinheiligkeit?)

Ich frage Sie: Verraten Sie da nicht Ihre eigenen Ideale?

(Abg. Krisch REP: Er hat keine mehr!)

Sind Sie deswegen in die Politik gegangen, um nachher die besten Leute der armen Länder abzuwerben? Wenn das das Ergebnis von Rot-Grün ist, meine Damen und Herren, dann muss ich Ihnen sagen: Wir Republikaner wollen eine

ehrlichere Politik. Wenn wir hier in Deutschland aus Gründen, die vor allem Sie zu verantworten haben, ein Übergangsproblem haben, dann müssen wir das durch eine gemeinsame nationale Kraftanstrengung durchstehen.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Capezzuto SPD: Das war vielleicht ein Quatsch!)

Das Wort hat Herr Abg. Wieser.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf ein paar Punkte der Kollegen eingehen.

Erster Punkt: Kollege Brinkmann, genau das, was Sie gefordert haben, hat Baden-Württemberg gemacht. Es hat die Kapazitäten verdoppelt. Ich habe in meiner Rede gesagt: Wenn wir eine differenzierte Analyse, Herr Wirtschaftsminister, von den Herren Hundt und Stihl und anderen vorgelegt bekommen, aus der hervorgeht, wo etwas fehlt, dann sind wir, die Koalition, doch gemeinsam bereit, alles zu tun, um diese Lücke zu schließen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Birzele?

(Abg. Brechtken SPD: Klar!)

Ich würde das gern am Ende der Debatte machen.

(Abg. Brechtken SPD: Nein, jetzt! Hier passt es, Herr Kollege!)

Ich habe jetzt mehrere Punkte zu sagen.

(Abg. Brechtken SPD: Es passt aber jetzt! – Abg. Birzele SPD: Es passt nur jetzt! Nachher haben Sie das vergessen!)

Ja, das entscheiden Sie.

Herr Kollege Döring, das ist unsere Aufgabe.

Jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Hildebrandt. Es ist doch wahr: Wenn an der Fachhochschule Karlsruhe, wo ich selber jahrelang studiert habe

(Heiterkeit)

ich habe dort drei Jahre studiert –, manche Kapazitäten in den technischen Disziplinen nur zu 60 oder 70 %, manche sogar nur zu 50 % ausgelastet waren, dann gibt es keinen Indikator, genau diese Fakultäten auszubauen. Deshalb habe ich in meiner Eingangsrede von Technikfeindlichkeit und auch von den Versäumnissen der Industrie gesprochen.

Herr Kollege Hofer, wir suchen keine ideologischen Lösungen. Da haben Sie in uns einen verlässlichen Partner. Wir wollen den Dienstleistungs- und Produktionsstandort Baden-Württemberg erhalten und sind deswegen für kurzfristige Lösungen offen. Aber wir wollen keine neuen Zuwanderungstatbestände schaffen. Wir wollen es unbürokratisch mit den bestehenden Mitteln schaffen. Der Wirtschaftsminister hat darauf hingewiesen, dass hier viel zu arbeiten ist. Aber ich glaube, der Innenminister wird nachher deutlich machen, dass das geht.

Wir wollen keinen Verdrängungswettbewerb. Gleicher Lohn für gleiche Qualifikation im gleichen Betrieb!

(Abg. Kluck FDP/DVP: Was ist das für ein Sozia- lismus?)

Das ist das Mindeste. Sie bekommen doch auch den gleichen Lohn wie ich, ob es mir recht ist oder nicht.

(Heiterkeit – Abg. Brechtken SPD: Aber der hat es nicht verdient!)

Drittens: Die Ausbildungs-, Fortbildungs- und Weiterbildungsbereitschaft unserer Betriebe muss gefördert und gefordert werden, Herr Kollege.

Und zum Schluss: Wir befürworten die Methode, dass das Arbeitsamt oder ein anderes Gremium – es gibt in anderen Ländern Gremien, in denen die pluralistischen Gruppen vertreten sind – jährlich feststellt, welchen Bedarf wir haben. Dann werden wir reversibel und kurzfristig solche Lücken schließen können. Für eine generelle Lösung, wie der Herr Wirtschaftsminister sie vorgetragen hat, sind wir nicht zu haben.

Herr Kollege Brinkmann, jetzt würde ich Ihre Frage beantworten.

(Abg. Birzele SPD: Nicht der Kollege Brinkmann, sondern ich wollte eine Frage stellen!)

Herr Kollege Birzele.

Herr Kollege Wieser, welche Aussage ist richtig: Ihre Aussage, Baden-Württemberg habe die Zahl der Ausbildungsplätze in diesem Bereich verdoppelt, oder die Aussage, die der Wirtschaftsminister vorhin gemacht hat, seit 1995 sei die Zahl der Ausbildungsplätze um 50 % erhöht worden?

(Abg. Kurz CDU: 3 850 Plätze sind geschaffen worden! – Abg. Brinkmann SPD: Er hat aufgerun- det!)

Lieber Herr Birzele, ich habe die Zahlen, dass wir rund 2 300 hatten und jetzt 4 740 haben.