Gewiss hat auch der Übergang des Ministeriums zur leistungsbezogenen Zuweisung der für Forschung und Lehre bestimmten Landesmittel zur Intensivierung und Beschleunigung der Diskussions- und Entscheidungsprozesse vor allem in den Fakultäten beigetragen. Ich bin dankbar, dass das hier mehrfach anerkannt wurde. In diesem Jahr – noch einmal, Herr Weimer – werden 120 Millionen DM in Abhängigkeit von den eingeworbenen Drittmitteln und qualifizierten Publikationen zugewiesen werden.
Wie schon in den Vorjahren werden einzelne Fakultäten in Millionenhöhe hiervon profitieren und andere eben entsprechende Einbußen hinnehmen müssen. Die Folgen sind aber ganz überwiegend – auch das betone ich mit Genugtuung – nicht Proteste gewesen, sondern vermehrte Anstrengungen.
Wenn auch für die Betroffenen immer wieder überraschend, ist inzwischen klar, in welchem Maß die Ausübung der übertragenen Autonomie konfliktfrei und schmerzhaft zugleich sein kann, wenn es um die Umverteilung, wenn es insbesondere um die Gefährdung lieb gewordener Besitzstände geht.
Entstanden ist aber insgesamt weniger ein Protestverhalten als eine beeindruckende Aufbruchstimmung. Dies hat übrigens besonders überzeugend die Tagung „Zwei Jahre Medizinreform in Baden-Württemberg“ in Ludwigsburg vor wenigen Wochen gezeigt. Unter Beteiligung von Vertretern des zuständigen Bundesministeriums, anderer Länderministerien, des Wissenschaftsrats und der Deutschen Forschungsgemeinschaft haben die Vertreter aller Klinika und Fakultäten des Landes in bemerkenswerter Übereinstimmung ihre Zufriedenheit über die Medizinreform und besonders über das Reformgesetz zum Ausdruck gebracht. Darunter waren auch diejenigen, die seinerzeit meinten, den unaufhaltsamen Niedergang der baden-württembergischen Hochschulmedizin prophezeien zu müssen.
Gut, da will ich gern Besserung geloben. Möglicherweise hätte dies auch zu besseren Einsichten geführt, die uns wieder zugute kommen würden.
Wir hatten nur Experten eingeladen. Ich finde, man sollte aber auch für das politische Umfeld sorgen. Wir werden das nächste Mal an Sie denken, zumal wir uns ja offenbar jetzt im gleichen Zug befinden. Was könnte sich ein Wissenschaftsminister mehr erhoffen?
Gerade diese Entwicklung stärkt auch meinen Optimismus, wenn ich an die umfassende Reform denke, die mittlerweile für den gesamten Hochschulbereich auf den Weg gebracht wurde. Wichtige Bausteine davon, meine Damen und Herren, fanden sich zuerst im Medizinreformgesetz. Das überregionale Echo auf die baden-württembergische Medizinreform wird in der schriftlichen Stellungnahme angedeutet. Es klingt ein wenig unbescheiden – das räume ich ein –, wenn ich feststelle: Wer in Deutschland über Medizinreform nachdenkt, diskutiert und Neues plant, schaut zunächst einmal nach Baden-Württemberg.
Es wäre nun verfehlt, sich in Zufriedenheit über das Erreichte zurückzulehnen. Wer sich auf dem Lorbeer ausruht, trägt ihn sicherlich am falschen Platz. Ich glaube, dass wir die Reform zur rechten Zeit auf den Weg gebracht haben. Die Zukunft für die Universitätsklinika, übrigens für alle öffentlichen Krankenhäuser, sieht dennoch durchaus bedrohlich aus.
Wer gemeint hat, die Gesundheitsreform 2000 des Bundes sei in weitem Umfang gescheitert, hat leider nur zum Teil Recht. Gescheitert sind allerdings alle Bemühungen, in dem Bundesgesetz Belastungen und Erschwernisse, mit de
nen sich die Universitätsklinika auseinander setzen müssen, zu beseitigen. Die Experten kennen die Problematik zum Beispiel bei den Ambulanzen.
Übrig geblieben – und das ist das Problem – ist die Vorgabe, dass binnen weniger Jahre das gesamte System der Krankenhauserlöse auf Fallpauschalen, letzten Endes also Preise für sämtliche Krankenhausleistungen, umgestellt werden muss. Was bedeutet das? Wir müssen damit rechnen, dass die öffentlichen Krankenhäuser, ganz besonders die Universitätsklinika, auch künftig einen großen Teil der mit der Grundsicherung des Gesundheitssystems verbundenen Versorgungslast tragen müssen, hierfür aber keinen entsprechenden finanziellen Ausgleich erhalten.
Wir müssen weiter damit rechnen, dass sie zu gleicher Zeit uneingeschränkt dem Wettbewerb mit der wachsenden Zahl privatwirtschaftlich arbeitender Krankenhäuser ausgesetzt sein werden. Wir stehen vor einer Entwicklung des Krankenhausbereichs, die sich hinsichtlich Markt und Wettbewerb vielleicht nicht ganz so dramatisch vollzieht wie bei der Telekommunikation und der Stromversorgung, die aber dennoch in wenigen Jahren mehr verändern kann als in vielen Jahrzehnten zuvor.
Ich bin gewiss der Letzte, der vor dem offenen Wettbewerb warnt. Wettbewerb ist sicherlich eine unverzichtbare Leistungsquelle. Wettbewerb setzt aber Chancengleichheit voraus. Sollen die Universitätsklinika das Rückgrat unseres Gesundheitssystems bleiben, dürfen sie nicht an Krankenhäusern gemessen werden, die sich bei kostspieligen Patienten an die Adresse des Universitätsklinikums erinnern und ihm auch gern die Notfälle an Feiertagen und Wochenenden überlassen.
Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hat, ebenso wie bereits vor Jahren die Regierung des Landes Sachsen-Anhalt im Hinblick auf das Universitätsklinikum Halle, ernsthaft erwogen, das Klinikum Greifswald einem privatwirtschaftlichen Träger zu übergeben.
Ich kann nicht ausschließen, dass solche Fragen eines Tages auch in Baden-Württemberg eine Rolle spielen werden, wenn es in den nächsten Jahren nicht gelingt, die besonderen Aufgaben der Universitätsklinika finanziell abzusichern und zugleich ihre Leistungsfähigkeit in dem Maß zu steigern, dass sie auch unter reinen Preisgesichtspunkten mit der privatwirtschaftlichen Konkurrenz im Übrigen mithalten können.
Die Aufgabe und die große Herausforderung für die Zukunft der Universitätsmedizin ist die Diskussion in den Universitätsklinika über eine grundlegende und weitgreifende Verbesserung ihrer Anpassungsfähigkeit und Flexibilität. Auf den Prüfstand müssen auch scheinbar tabuisierte, lieb gewordene Fragen der Organisation und der Personalstruktur. Fast 70 % der Kosten entfallen auf das Personal. Tabuzonen darf es nicht mehr geben.
Tief greifende Schritte sind bereits unternommen worden – das geht an Sie, lieber Herr Kollege Salomon. Sie haben behauptet, wir sollten uns in den nächsten Jahren dringend
um das Liquidationsrecht kümmern. Ihnen ist offenbar entgangen, dass wir uns längst darum gekümmert haben.
Letztlich aufgrund baden-württembergischer Initiative hat die Kultusministerkonferenz im vergangenen November beschlossen, dass neu bestellten ärztlichen Direktoren spätestens ab dem Jahr 2002 das Liquidationsrecht nicht mehr eingeräumt, sondern dies durch eine qualifikations-, verantwortungs- und leistungsgerechte Vergütung ersetzt wird. Ich halte es für ganz entscheidend, dass in dieser Weise auch die an erster Stelle hierfür verantwortlichen Chefärzte noch stärker als bisher in die Anstrengungen, in den Ausgleich von Medizin und Ökonomie eingebunden werden.
Zugleich wird in bisher im öffentlichen Dienst nicht üblichem und in für viele auch noch gar nicht vorstellbarem Umfang über neue Vergütungsformen, über Beteiligungsund Anreizsysteme für einen großen Teil des Personals, weit über die ärztlichen Direktoren hinaus, nachzudenken sein. Ich gehe davon aus, dass der öffentliche Dienst die Einsicht und die Kraft aufbringt, sich solchen Herausforderungen zu stellen. Diese Herausforderungen müssen bewältigt werden, wenn wir die Zukunft ohne die sonst drohende Privatisierung der Klinika meistern wollen.
Gerade nach den Erfahrungen der letzten Jahre bin ich aber außerordentlich optimistisch, meine Damen und Herren, und die Welt gehört den Optimisten – nicht, weil sie immer Recht haben, sondern weil sie offen genug sind, Probleme mit Elan anzugehen, gerade so, wie wir das in den letzten Jahren getan und es uns auch für die Zukunft vorgenommen haben. Wege entstehen dadurch, dass man sie begeht. Meine Damen und Herren, Sie, die Sie damals mit Nein gestimmt haben: Gestehen Sie ein, Sie haben sich geirrt! Wir sind auf dem rechten Weg, und deshalb werden wir diesen Weg auch weitergehen.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Erledigung. Der Antrag ist ein Berichtsantrag. Ich gehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind, dass er durch die Stellungnahme der Landesregierung und die heutige Debatte erledigt ist. – Sie stimmen dem zu.
Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag des Finanzministeriums vom 21. Januar 2000 – Privatisierung der SBW Sonderabfallentsorgung Baden-Württemberg GmbH – Drucksachen 12/4782, 12/4823
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Landesregierung beantragt die Zustimmung des Landtags zur Veräußerung der Sonderabfallentsorgung Baden-Württemberg GmbH. Der Finanzausschuss und der Umwelt- und Verkehrsausschuss haben dem mehrheitlich zugestimmt und dem Landtag empfohlen, diese zu erteilen.
Gründe sind die Nichtauslastung der Umschlags- und Behandlungsanlage im Stuttgarter Hafen, der Rückgang der Sonderabfallmengen zur Beseitigung seit Anfang der Neunzigerjahre, der EAK – der Europäische Abfallkatalog –, der seit Anfang 1999 besonders überwachungsbedürftige Abfälle herausnimmt.
Hinzu kommt, lieber Kollege Walter, dass der Bundesumweltminister, der Ihrer Partei angehört, nicht für eine strikte Trennung von Beseitigungs- und Verwertungsabfällen sorgt. Auch dies wirkt sich hier aus.
Es stellt sich also die Frage nach der Privatisierung, wobei gesagt werden darf: Ein Käufer war gar nicht so leicht zu finden. Für die Hessische Industriemüll GmbH (HIM) erscheint nun die Übernahme der SBW aus Synergie- und Mengenerwägungen unter den vorliegenden Vertragsbedingungen sinnvoll, aber wohl auch angesichts der größeren Freiräume und Flexibilität eines privaten Unternehmens. Für das Land Baden-Württemberg hingegen erscheint die Veräußerung und eine Beschränkung auf die hoheitlichen Aufgaben sinnvoll.
Bleibt die Frage nach der Risikoabwägung. Die gibt es natürlich ohne Zweifel. Erstens: Das Land bleibt Eigentümer der Deponie Billigheim und damit in der Pflicht bei Ersatzbeschaffungen, und es bleibt die Risikoverpflichtung der SMB, also der Sondermüll-Betriebsgesellschaft mbH Malsch und der Sonderabfallagentur.
Zweitens bleibt die Frage einer schnelleren Verfüllung in Billigheim durch die Möglichkeit der Überschreitung der 30 000 Tonnen im Jahr.
Drittens – ebenfalls ein Risikofaktor – gibt es möglicherweise einen weiteren Rückgang der angedienten Mengen und damit Pönalien für das Land von 450 DM je Tonne wegen nicht erfüllbarer Liefermengen an die AVG in Hamburg. Dieser Vertrag gilt bis 2012.
Zum ersten Punkt möchte ich sagen: Mit der Pacht, die nun an die SMB zu zahlen ist, werden die späteren Kosten der Rekultivierung und Nachsorge in Billigheim voraussichtlich abgedeckt.
Zum Zweiten: Das Risiko der früheren Verfüllung ist durch die vereinbarte Höchstmengenfestlegung begrenzt und angesichts der bisherigen Erfahrungen auch nicht sehr wahrscheinlich.