Protocol of the Session on February 9, 2000

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Müller SPD)

Kollege Schmid, Sie dürfen.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Roland Schmid CDU: Das ist neu!)

Das Wort hat der Herr Sozialminister.

(Abg. Krisch REP: Familie ist Familie! – Abg. Ro- land Schmid CDU: Das merken wir uns, das prü- fen wir dann!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden wieder einmal zu später Stunde über Familienpolitik – wie fast immer; solche Punkte kommen immer am Ende der Tagesordnung, wenn fast niemand mehr auf der Zuhörertribüne ist und relativ wenige hier sind –, über eine Familienpolitik, auf die wir uns eigentlich alle verständigen könnten, weil wir alle Familien fördern wollen. Deswegen wundere ich mich, dass man hier hinsteht und mit hochrotem Kopf die Familienpolitik der Landesregierung an den Pranger stellt. Da sollte man etwas vorsichtiger sein, wenn man den Ländervergleich sieht.

Allein schon der Betreff Ihres Antrags „Familienarmut in Baden-Württemberg“ ist verräterisch. Was heißt eigentlich „Armut“? Armut bedeutet, dass jemand unter 50 % des Durchschnittsverdiensts bekommt. Je mehr die Gehälter steigen, desto mehr werden wir Armut bekommen. Es ärgert mich immer wieder, Frau Wonnay, wenn Sie die allein erziehenden Sozialhilfeempfänger und die Kinder anführen und sagen, wie schlimm das sei. Ja, ist das Land dafür verantwortlich, dass viele Ehen auseinander gehen und sich viele scheiden lassen und auseinander springen? Wir sind nicht dafür verantwortlich, sondern wir sorgen dafür, dass die Betroffenen nicht in Armut fallen. Das muss auch einmal gesagt werden. Das ist ein gesellschaftliches Problem.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das haben nicht wir befördert, sondern das machen andere.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: So ist es! Sehr gut!)

Ich kann Ihnen hier klar und deutlich Folgendes sagen: Mich hat überrascht, dass viel von der Bundespolitik und relativ wenig von der Landespolitik die Rede war; auch nicht von den Republikanern. Es war relativ wenig Landespolitik. Man hat über die Ökosteuer gesprochen. Natürlich kostet die Ökosteuer die Familien Geld. Frau Blank hat von über 300 DM gesprochen.

(Zuruf der Abg. Ingrid Blank CDU)

300 bis 400 DM kostet die Ökosteuer die Familien, die Sie immer so schützen wollen.

(Zurufe der Abg. Birgitt Bender und Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen)

Natürlich – auch das muss man sagen – hat der Bund, nachdem das Bundesverfassungsgericht das vorgeschlagen hat, endlich mit Steuerermäßigungen ein Stück weit reagiert.

(Zuruf der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen)

Ich meine, dass es aber immer noch viel zu wenig ist. Wir müssten in diesem Bereich noch viel, viel mehr tun. Ich nehme dabei die Vorgängerregierung mit Sicherheit nicht aus. Für Familien wurde in Bonn immer schlichtweg zu wenig getan.

Aber die Landesregierung redet nicht nur über die Familien und über die Familienförderung, sondern sie tut etwas. Ich meine, dass das gar nicht wenig ist; wir können uns damit wirklich sehen lassen.

Übrigens, Herr Krisch, die Behauptung in Ihrem Antrag, der Familienleistungsausgleich habe in den vergangenen vier Jahrzehnten pro Kind abgenommen, ist einfach falsch. Das stimmt schlichtweg nicht.

(Zurufe der Abg. Krisch REP und Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen)

Ich kann Ihnen zumindest zur Lage der Familien in BadenWürttemberg Folgendes sagen:

(Minister Dr. Repnik)

Wir haben 1998 einen Familienbericht auf den Weg gebracht. Wir können feststellen, dass Baden-Württemberg im Bundesvergleich über eine gute Sozialstruktur verfügt.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Richtig!)

Im Bundesvergleich sind wir an der Spitze der Bevölkerungsentwicklung.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Das passt denen nicht!)

Prozentual werden bei uns die meisten Kinder geboren. Mit 12 % kommen bei uns übrigens die wenigsten Kinder nicht ehelich zur Welt.

Männer und Frauen haben bei uns im Land Baden-Württemberg die höchste Lebenserwartung.

Bei den Scheidungsquoten sind wir bundesweit mit 84 Scheidungen auf 10 000 bestehende Ehen erfreulicherweise immer noch Schlusslicht. Das soll auch so bleiben. Das beweist, dass sich die Familien bei uns wohl fühlen.

Zu den Familienstrukturen: Baden-Württemberg hat den höchsten Anteil an Ehepaaren mit Kindern und immer noch – Gott sei Dank – den niedrigsten Anteil an Alleinerziehenden.

86 % der Kinder wachsen bei verheirateten Eltern auf.

Beruf und Familie lassen sich im Land Baden-Württemberg gut miteinander vereinbaren. Die Erwerbstätigenquote von Müttern ist im Land von 58 % im Jahr 1995 auf 61 % im Jahr 1997 gestiegen, und sie liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Wir haben die Voraussetzungen dafür – das wurde schon angesprochen – auch durch unser novelliertes Kindergartengesetz geschaffen.

Was die ökonomische Lage der Familien betrifft, geht es den jungen Familien in Baden-Württemberg besser als denen in allen anderen Bundesländern. Eine junge Familie verfügte in Baden-Württemberg nach neuesten Zahlen der Familienwissenschaftlichen Forschungsstelle des Statistischen Landesamts im Jahr 1997 über ca. 3 700 DM netto im Monat, in NRW hingegen nur über 3 424 DM.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Land fördert Familien in Baden-Württemberg in erheblichem Umfang. Wir haben schon frühzeitig Maßnahmen getroffen, um die Erziehungskraft der Familien zu stärken – Frau Blank hat darauf schon hingewiesen –, und das schlägt sich unmittelbar auf die Situation der Familien nieder.

Wir haben 1986 als erstes Bundesland mit dem Landeserziehungsgeld in Höhe von 400 DM pro Familie angefangen. Andere Länder – Sachsen, Bayern, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern – haben nachgezogen. Alle Länder, in denen es als Ergänzung zum Bundeserziehungsgeld Landeserziehungsgeld gibt, werden also von der CDU oder der CSU geführt. Sie sollten einmal mit den Kolleginnen und Kollegen in den Bundesländern, wo Sie an der Regierung sind, darüber sprechen, ob nicht auch auf diese Weise eine Leistung für die Familie erbracht werden könnte.

Mit dem Programm „Mutter und Kind – Hilfe für Alleinerziehende“, übrigens einer freiwilligen Leistung des Landes,

sind wir bundesweit einmalig. Derzeit betreuen wir etwa 5 000 allein erziehende junge Mütter, die nicht nur finanzielle Hilfe, sondern auch eine sozialpädagogische Betreuung brauchen. Über 12,5 Millionen DM geben wir dafür Jahr für Jahr aus.

Wenn wir die gesamten Leistungen für unsere Familien im Land Baden-Württemberg zusammenrechnen, geben wir im Jahr 2000 über 1,8 Milliarden DM und im Jahr 2001 1,7 Milliarden DM aus. Ich meine, die Familienförderung in unserem Land kann sich sehen lassen.

Die Ausgaben für Landeserziehungsgeld, Familienerholung und Kinderbetreuung betragen bei uns im Land 83 DM pro Kopf, etwa so viel wie in Bayern und Sachsen, in Niedersachsen aber zum Beispiel nur 32 DM.

(Abg. Rosely Schweizer CDU: Ui!)

Auch die frühere, CDU-geführte Bundesregierung hat familienpolitische Marksteine gesetzt. Ich nenne das Bundeserziehungsgeld, die Einführung von Erziehungszeiten im Rentenrecht und die Erhöhung auf drei Jahre Anrechnungszeit für Geburten ab 1992. Das alles wurde vonseiten der CDU und der FDP und nicht von Rot und nicht von Grün getan.

Im Übrigen sind die familienpolitischen Leistungen – das sei die Antwort auf Ihre Anfrage – von 27,6 Milliarden DM im Jahr 1982 auf 76,6 Milliarden DM im Jahr 1997 gestiegen. Das heißt, die Leistungen sind gestiegen und haben entgegen den Behauptungen auch heute in diesem Hause nicht abgenommen.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Ja!)

Ich meine, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben die Aufgabe, die Familienpolitik weiterzuentwickeln. Ich glaube auch, dass die auf dem Parteitag der CDU beschlossenen Vorgaben den richtigen Weg weisen. Wir sollten nicht nur über die Familie sprechen, wir sollten auch handeln.

Ich behaupte, dass die Erhöhung des Kindergeldes um 20 DM auf 270 DM, die der Bund vorgenommen hat, viel zu kurz gesprungen ist.

(Zuruf des Abg. Haas CDU)

Selbst wenn Sie sich an der Untergrenze dessen bewegen, was das Verfassungsgericht vorgeschlagen hat, ist das noch viel zu wenig. Die Bundesfamilienministerin hat angekündigt, sie würde mehr für die Familien tun; aber bis auf eine Ankündigung ist dabei nichts herausgekommen.

(Abg. Haas CDU: Das ist normal bei dieser Bun- desregierung! Ankündigungsregierung!)

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, warten wir darauf, dass vielleicht endlich die Einkommensgrenzen beim Bundeserziehungsgeld angehoben werden. Ich sage Ihnen zu, dass wir mit dem Landeserziehungsgeld sofort nachziehen werden.

(Zuruf des Abg. Rapp REP)

(Minister Dr. Repnik)