Kollege Reinhart, dass sich die Qualität der erstinstanzlichen Urteile natürlich noch weiter verbessern wird.
Ich möchte Ihnen noch ein Weiteres sagen – Kollege Bebber hat es schon getan –, und zwar zur Berufungsinstanz.
Es ist doch gar nicht der Streitpunkt, dass wir das Rechtsmittel der Berufung so weit zurückschneiden wollen, dass es nur noch bei Rechtsfehlern und im Einzelfall, wenn nachweislich falsche Tatsachen oder neue Tatsachen aufgetaucht sind, zugelassen werden soll. Im Kern ist das schon heute so. Diese Nummer ist gar nicht neu.
Deswegen verstehe ich Ihre Aufregung in dieser Form nicht und kann das eigentlich nur als einen unproduktiven Beitrag von Juristinnen und Juristen in diesem Hause werten. Auch von den Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss – das meine ich ganz ehrlich – hätte ich eine konstruktive Kritik erwartet und nicht nur Herumnörgelei und ein pauschales In-den-Senkel-Stellen des Gesetzentwurfs, über den wir selbstverständlich hier gemeinsam diskutieren können und müssen, weil er auch unser Bundesland betreffen wird.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es geht in der Auseinandersetzung um diesen Referentenentwurf nicht um Nörgelei, sondern es geht hier um eine Abwägung. Es gibt sicherlich Ansätze in diesem Entwurf, die positiv sind.
Dass man beispielsweise den Protokollierungstermin beim Vergleich in Zukunft entfallen lässt und das auf schriftlichem Wege machen kann, ist sicherlich eine Vereinfachung.
Vielleicht ist auch die Klarstellung im Bereich der Berufungsbegründungsfrist sinnvoll. Und man kann sicherlich auch in dem Revisionszugang für Amtsgerichtsentscheidungen einen Fortschritt sehen.
Aber all das tritt doch zurück hinter eine ganz andere Frage, die das zentrale Problem ist. Das steht übrigens, wenn Sie so wollen, schon in der Überschrift des Gesetzes. Es beschäftigt sich mit der Rechtsmittelreform. Es ist die Frage, ob die Zweckbestimmung der Berufung als einer Instanz der Fehlerkontrolle und -beseitigung sinnvoll ist.
Es ist vorhin schon angesprochen worden: In dem Moment, in dem ich den Tatsachenvortrag auf die erste Instanz beschränke, gibt es zwangsläufig – das sehen wir ja jetzt bereits in den Verwaltungsgerichtsprozessen – einen vorsorglichen Vortrag all jener Angriffs- und Verteidigungsmittel, die vom Standpunkt der Parteien aus eigentlich gar nicht unbedingt notwendig sind, aber gewissermaßen auf Vorrat mit eingebracht werden müssen, obwohl sie vielleicht unerheblich sind und entbehrlich wären. Das wird, Herr Kollege Oelmayer, eine erhebliche Verlängerung dieser Verfahren nach sich ziehen.
Das können Sie doch gerade am Verwaltungsrecht sehen. Herr Kollege Bebber, Sie sträuben sich einfach gegen die Fakten. Das ist das Schlimme.
Wir haben hier Erfahrungen, und diese Erfahrungen leugnen Sie einfach, statt sie hier mit einzubringen.
Dem steht nun das Argument gegenüber, dass eine weitere Tatsacheninstanz ebenfalls Verfahrensdauer in Anspruch nimmt. Nun muss man natürlich eines sagen: Die Werte, die man kennt, sind ja die: Wenn zum Beispiel in der Berufungsinstanz ein neuer Tatsachenvortrag erfolgt, führt das beim OLG nur in 11 % der Verfahren und beim Landgericht nur in 8 % der Verfahren zu neuen Beweisaufnahmen. Das ist ein Faktum. Das heißt, wenn ich dies jetzt als missliche Verfahrensdauerverlängerung ansehe und sage: „Dadurch werden die Verfahren insgesamt länger und brauchen mehr Aufwand“, dann stelle ich dem den Mehrauf
wand gegenüber, den ich künftig in der ersten Instanz habe, und berücksichtige dabei noch erschwerend, dass eine Korrektur in der zweiten Instanz, wie wir sie bisher Gott sei Dank bisweilen noch haben, nicht mehr möglich ist.
Hier sage ich Ihnen ganz klar: Da wäge ich ab, und zwar zwischen dem, was Sie zu gewinnen meinen, und dem, was man hier verliert.
Entschuldigen Sie mal, diese Annahmen, die ich hier jetzt vorgetragen habe, sage ich doch nicht ins Blaue hinein, sondern die basieren auf Erfahrungswerten.
Ich sage Ihnen noch einmal: Sie wehren sich dagegen, die Erfahrungen, die wir beispielsweise aus der Verwaltungsrechtsnovelle gewonnen haben, hier mit anzusetzen. Oder wollen Sie etwa behaupten, das spiele da überhaupt keine Rolle und die Welten in den Gerichtssälen seien so völlig verschieden, dass ich das eine mit dem anderen hier nicht vergleichen könnte? – Das macht er gar nicht.
Ich kann Ihnen dazu nur so viel sagen: Für uns bleibt das ein Reformansatz, der im Kern völlig danebengeht, selbst wenn er einzelne Punkte aufgenommen hat, die durchaus sinnvoll sein könnten.
Zum Schluss möchte ich noch Folgendes sagen: Man muss auch sehen, dass natürlich die Bundesjustizministerin vor dem selbst gesetzten Erfolgszwang steht, nun die großen Rechtsreformen durchzupeitschen. Nur, wenn das so dilettantisch geschieht, wie wir es hier in dem Referentenentwurf sehen, dann schadet das dem Rechtsstaat, und das müssen wir verhindern.
(Beifall bei den Republikanern – Lachen bei der SPD – Abg. Redling SPD: Das sagt der Richtige! – Abg. Brechtken SPD: Markig! Wir sind doch nicht in Kärnten!)
Meine Damen und Herren, ich erteile nunmehr das Wort Herrn Justizminister Dr. Goll mit der Bitte, sich an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich kann der Bitte des Präsidenten folgen, weil in der Debatte schon wirklich viel Richtiges gesagt wurde.
(Abg. Dr. Reinhart CDU: Aber nicht von allen! – Gegenruf des Abg. Brechtken SPD: Jetzt braucht er länger!)
Denn wir brauchen Sie, Sie müssen es den Leuten in Berlin ausreden, so, wie wir es auch gemacht haben. Wir haben es ja auch geschafft, unseren Leuten in Berlin klarzumachen, dass das kein gutes Unterfangen ist, und exakt dasselbe erwarten wir jetzt von Ihnen.
Denn es ist so: Die Reform, die auf uns zukommt, bringt natürlich Gefahren für das Land. Das Thema, welches wir diskutieren, ist sehr ernst. Es ist ein Thema, welches im Moment vielleicht die Anwälte und andere Berufsgruppen sowie die Gerichte beschäftigt, aber es beschäftigt natürlich auch die Kommunen. Die fragen: „Haben wir morgen noch ein Amtsgericht?“ Sie brauchen nur in die Zeitungen zu schauen.
Sie sagen, es sei erfunden. Sie hatten Gelegenheit, etwas dazu zu sagen, und jetzt habe ich Gelegenheit, dazu etwas zu sagen.
In diesem Entwurf vom Dezember kann eigentlich gar nichts zu den Amtsgerichten stehen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil die Bundesregierung ausweislich ihrer Antworten auf parlamentarische Anfragen plant, in drei Schritten vorzugehen, nämlich zuerst eine Rechtsmittelreform in Zivilsachen vorzunehmen, dann eine Rechtsmittelreform in Strafsachen durchzuführen und danach über den Gerichtsaufbau zu reden.
Das ist der Plan. Also kann doch noch gar nicht von den Amtsgerichten die Rede sein. Aber das Ziel, das bisher – –