Sie stehen mit Ihrem Nichtwissen – offensichtlich kennen Sie die europäischen Richtlinien und die Notwendigkeit, sie umzusetzen, nicht richtig, sonst würden Sie anders handeln – in einer glorreichen Tradition im baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium.
Ihr Vorgänger im Amt, Exminister Weiser, schaffte es ja immerhin, 25 Jahre lang keine Ahnung von der Struktur der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zu haben. Weder als Kreisbauernverbandsvorsitzender 1973 noch in seiner Amtszeit als Minister hat ihm irgendjemand gesagt, dass eine Hauptbeschäftigung der Geschäftsstellen der Kreisbauernverbände in der finanziell gut dotierten Tätigkeit als Verwaltungsstellen der Sozialversicherungsträger besteht. Niemand hat ihm das gesagt.
Wenn im Landwirtschaftsministerium schon lang andauernde Unkenntnis über die bundesdeutschen Rechtsverhältnisse dominiert, so wundert es heute niemanden ernstlich, dass die jetzige Landwirtschaftsministerin diese „gute“ Tradition fortsetzt und die entfernteren europäischen Richtlinien auch nur vom Hörensagen kennt.
Diese Erinnerungslücken scheinen im Kabinett Teufel zum Regierungssystem zu gehören. Auch der Ministerpräsident konnte sich vorgestern, am Mittwoch, hier nicht mehr an die Gespräche im CDU-Bundespräsidium erinnern, bei denen über die privaten Verfügungsmittel des Exbundeskanzlers Kohl gesprochen wurde.
Ich gestatte Herrn Rech eine Nachfrage hinterher. Ich werde ihm alles erklären. Wenn nachher noch etwas übrig bleibt, kann er nachfragen.
Zu Ihrem schönen Slogan „Wir können alles“ – von wegen! Diese Regierung kann vielleicht manches, aber sie kann sich nicht erinnern, und sie kann nichts im Naturschutz.
Sagen Sie doch einmal, Frau Ministerin: Wie wird die in den Naturschutzrichtlinien festgelegte Ausweitung der PLENUM-Gebiete finanziert? Wann soll sie stattfinden? Welche Haushaltsmittel sind dafür vorgesehen? Dort, wo etwas einigermaßen Vernünftiges vorgesehen ist, bekommen Sie die Finanzierung nicht hin.
Von wegen „Wir können alles“! Diese Regierung kann vielleicht manches – außer eine solide Finanzierung der eigenen Naturschutzkonzeption auf die Beine zu stellen. Unsere Landwirtschaftsministerin kann sogar noch manches andere, sie kann zum Beispiel Monopoly spielen. Frau Ministerin, warum haben Sie ausgerechnet mit den beiden landespolitisch wichtigsten Agrarprogrammen, SchALVO und MEKA, Monopoly gespielt?
Natürlich lag in dem Gedanken, mit der Verlagerung von SchALVO-Punkten in den MEKA mehr Geld aus Brüssel zu holen, schon eine hohe Versuchung. Das gebe ich ja zu. Da der CDU aber in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Geldgeschäften danebengegangen sind, sollten Sie auch hier nicht auf volles Risiko setzen.
Das Risiko – so ist die Darstellung der Trinkwasserversorgungswirtschaft – ist nicht geringer als das, dass in zwei Dritteln der Wasserschutzgebiete der vorsorgende Grundwasserschutz wegbricht. Dieses Risiko ist zu hoch.
Ihre Behauptung, dass die allgemeinen gesetzlichen Vorgaben der Düngemittelverordnung und des Pflanzenschutzmittelrechtes das gleiche Schutzniveau wie die bisherige SchALVO garantieren würden, ist nachweislich falsch. Künftig gibt es auf zwei Dritteln der Wasserschutzflächen eine landesrechtliche Einschränkung weder bei den mineralischen Düngemitteln noch im Pflanzenschutz – dort allerdings mit einer Ausnahme. In Ihrer Konzeption wird das bisher geltende Ordnungsrecht in den meisten Wasserschutzgebieten durch ein finanzielles Anreizsystem, also den MEKA, ersetzt und damit völlig unverbindlich. Sie ersetzen bei unserem Lebensmittel Nummer 1, dem Wasser, das Vorsorgeprinzip durch eine „Schaun-mer-mal-wos-hingeht“-Philosophie. Das kann nicht angehen. Mit Ihrer Risikostrategie, die eingesparten SchALVO-Gelder in das MEKA-Programm zu stecken und damit eine höhere Kofinanzierung aus Brüssel zu ergattern, stecken Sie jetzt in der Sackgasse. Sie haben das gesamte Wasserschutzprogramm riskiert, obwohl dieses inzwischen auch zu 25 % aus EUMitteln kofinanziert werden könnte.
Die Gier, der Wunsch nach höherer Bezuschussung und ein offensichtlich zu kurz angelegtes Ausloten der Erfolgsaussichten führte dazu, dass Sie mit Ihrem Programm erst einmal feststecken. Von wegen „Wir können alles“! Die Landwirtschaftsministerin kann manches, nur nicht ausgereifte, EU-kompatible Programme entwickeln.
Aber auch bei der Novellierung des baden-württembergischen Vorzeigeprogramms, des MEKA, haben Sie gründlich daneben gelangt. Die bisher schon kritisierten Mitnahmeeffekte wurden nicht etwa überprüft und ausgeschaltet, sondern sogar noch ausgeweitet. Schon bisher wurden die MEKA-Gelder keineswegs nach ökologisch nachvollziehbaren Kriterien verteilt. Das Grünland wurde im Vergleich zum Ackerbau massiv benachteiligt. Gerade im Ackerbau kommt es nach Untersuchungen zu extremen Mitnahmeeffekten.
Dieses Ungleichgewicht – das sollten Sie auch wissen, Herr Weiser – wurde nach den Reformüberlegungen der Landesregierung nicht beseitigt.
Wenn allein der Verzicht auf ein paar Maßnahmen im konventionellen Anbau – Wachstumsregulatoren, Drillreihenabstand, Mulchsaat usw. – mehr Punkte im MEKA bringt als die komplette Umstellung auf einen ökologischen Anbau, dann sieht man, was Sie für die umweltgerechte Landwirtschaft übrig haben und welche Konzeption Sie fahren.
Demnächst werden uns Entwicklungs- und Schwellenländer in Sachen ökologischer Anbau überflügeln. Jetzt hat etwa China beschlossen, 10 % der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch zu bewirtschaften. Dazu kommt, dass manche im MEKA geförderten Maßnahmen bei uns äußerst zweifelhaft sind.
So zeigt zum Beispiel die Praxis, dass die Mulchsaat oder ein erweiterter Drillreihenabstand – alles Punkte, die nach dem MEKA gefördert werden – lediglich zu einer verschärften Unkrautförderung führen und einen höheren Einsatz von Herbiziden verursachen. Diese und weitere Ungereimtheiten, Stichwort schlechte Gründlandförderung, werden durch die MEKA-Novellierung nicht abgestellt. Im Gegenteil, sie werden sogar noch erweitert. Denken Sie nur an die zusätzliche Förderung der 20-prozentigen Reduktion des Stickstoffdüngers. Diese Maßnahme ist eine reine Aufforderung zum Subventionsbetrug, da sie überhaupt nicht, in keiner Weise kontrollierbar ist.
Ja, Sie haben Recht, Herr Teßmer. Mit diesem Themenkreis hat das Ministerium ja langjährige Erfahrung, wie sich im Untersuchungsausschuss immer wieder zeigt.
Wir trauen diesem Landwirtschaftsministerium inzwischen alles zu, nur nicht eine entschlossene Förderung des Bioanbaus und der Vermarktung dieser umweltverträglich erzeugten Produkte.
Nun sind wir beim letzten Thema, auf das ich hier kurz eingehen will, und zwar ist das die Doppelsubventionierung der Bauernverbände.
Niemand wusste in dem Ministerium, dass die Sozialversicherungsträger seit 1973 die Bauernverbände auch entschädigen: nicht der Exminister Weiser, nicht der MD Arnold, niemand. Und der BLHV, in dessen Präsidium die jetzige Landwirtschaftsministerin saß, hat jahrelang unrichtige Angaben in seinen Abrechnungsunterlagen gemacht.
Nach Ansicht des Rechnungshofs und laut Richtlinie wären damit die ganzen bezahlten Förderungen rückrufbar gewesen. Sie haben darauf verzichtet und mit Ihren Freunden aus dem BLHV und anderen Verbänden einen großzügigen Vergleich geschlossen. In Baden-Württemberg braucht die CDU gar keine schwarzen Kassen; sie hat dafür gesorgt, dass ihren politischen Vorfeld- und Rekrutierungsorganisationen direkt aus Staatskassen öffentliche Mittel zuflossen. Das ist natürlich eine viel bessere Strategie.
(Beifall und Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grü- nen und bei der SPD – Zuruf der Abg. Dr. Car- mina Brenner CDU)
In Ihrem peinlichen Brief an die Staatsanwaltschaft schreiben Sie auch noch, dass diese Form der Alimentierung politisch gewollt war. Frau Staiblin, Sie haben im Kabinett Teufel schnell gelernt, worauf es ankommt. Sie sind für diese Landesregierung und diesen Ministerpräsidenten inzwischen sicher die perfekte Besetzung im Landwirtschaftsministerium.
Frau Staiblin, zum Abschluss: Sie können stolz von sich sagen, dass der Werbeslogan der baden-württembergischen Imagekampagne mit einer kleinen Veränderung auch auf Ihre Landwirtschaftspolitik passt. Sie können alles außer einer sinnvollen Verknüpfung von Landwirtschafts- und Naturschutzpolitik.