Günther Schäfer
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute ein großes Publikum für die Agrarpolitik.
Mich wundert natürlich nicht, wie die Agrarpolitik bei der CDU besetzt ist. Aber in der Agrarpolitik passiert ja einiges, und auf der EU-Ebene und auf der Ebene der Bundesregierung haben wir eine deutliche Verlagerung von agrarpolitischen Schwerpunkten.
Sie von der CDU sind der Meinung, dass in Baden-Württemberg schon immer alles richtig gemacht wurde und dass daher kein besonders großer Veränderungsbedarf besteht.
Das sieht man auch, wenn man in die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zu BSE hineinschaut.
Sie haben auch einen ehrenamtlichen Staatsrat eingestellt und wollen damit wahrscheinlich kaschieren, dass es auch in Baden-Württemberg an allen Ecken und Enden brennt, vor allem in den Bereichen, die jetzt wirklich im Mittelpunkt stehen.
Durch unsere Anfragen und durch Anfragen der SPD zu diesem Thema ist das mehr als deutlich geworden. Sie waren ja nicht einmal in der Lage, auf die einfache Frage, wie viele Personen in Baden-Württemberg für die Futtermittelkontrolle zuständig sind, eine konkrete Antwort zu geben.
Ich kann Ihnen gern vorlesen, wie Sie sich dazu geäußert haben. Es heißt: für jedes Regierungspräsidium je ein Referent mit 10 bis 20 %, je eine Sachbearbeiterin mit 30 bis 100 % und je ein Probenehmer mit 30 bis 85 %.
Das ist Unkenntnis zu 100 %, und das ist die Art und Weise, wie in einem zentralen Punkt, der jetzt für die Landwirtschaft sehr wichtig ist, nämlich bei der Sicherheit
von Futtermitteln, die Transparenz hergestellt wird, die auch von der Regierung gefordert wird. Damit hatten Sie bisher nichts zu tun.
Sie müssen dann zugestehen, dass Sie sich jetzt darum bemühen, acht neue Leute im Bereich der Futtermittelkontrolle einzustellen. Wenn ich das mit den 10 bis 20 % einmal überschlage und dann optimistisch rechne, komme ich zu dem Ergebnis, dass bisher vielleicht fünf bis sechs Stellen damit beauftragt waren. Wenn Sie jetzt noch acht einstellen wollen, dann ergibt sich mehr als eine Verdoppelung. Das zeigt aber auch, wie es bisher in diesem Bereich aussah.
Kommen wir zu den nächsten Bereichen, die für BadenWürttemberg von großer Bedeutung sind, und schauen wir uns zum Beispiel neben dem Bereich der Lebensmittelüberwachung, der genauso im Argen liegt, an: Wie ist der Zustand der Kontrollen? Frau Ministerin Staiblin, Sie haben ja schon bei den Tiermehlverschleppungen im Rinderkraftfutter sehr großzügig agiert und meinten, bis zu 1 % Verschleppungen könnten toleriert werden.
Sie ist sehr tolerant. – Das ist ein sehr großes Problem nicht nur für Bauern und Verbraucher. Aber diese fatale Strategie, die im Bereich BSE so problematisch ist, fahren Sie in allen anderen Bereichen auch. Ich kann nur sagen: Es hat mich wirklich erschüttert, dass Sie auch im Bereich des gentechnisch veränderten Saatguts kein Problem mit Verschleppungen sehen.
Ich kann einmal zitieren:
Winzige Spuren gentechnisch veränderten Saatguts sind für Mensch und Umwelt unschädlich.
Das ist genau die Strategie, die jetzt eigentlich geändert werden sollte. Ich kann einmal sagen, wie andere Länder auf diese Situation reagieren.
Ich zitiere aus einer dpa-Meldung:
Landwirte in Frankreich haben damit begonnen, den versehentlich ausgesäten Genraps zu vernichten. In Schweden muss der mit gentechnisch veränderter Saat verunreinigte Raps auf staatliche Anordnung zerstört werden. Die Landesregierung von Baden-Württemberg und die britische Regierung planen dagegen weiterhin keine entsprechenden Maßnahmen.
Das ist Ihre Strategie, wie Sie damit umgehen, wie Sie vorsorgenden Verbraucherschutz betreiben.
Diese Pressemitteilung ist vom Mai dieses Jahres.
Das ist ein Zeichen dafür, wie Sie bisher in allen Bereichen einen Schlendrian betrieben haben. Das heißt auch, wenn Sie in der Situation – –
Wollen Sie jetzt reden? – Wenn Sie keinen Veränderungsbedarf sehen, dann heißt das auch, dass Sie dann offensichtlich mit dem Schlendrian weitermachen wollen.
Aber gehen wir doch zu dem aktuellen Problem. Sprechen wir über die Veränderung des MEKA und das angeblich so ökologische Programm, das den ökologischen Landbau in Baden-Württemberg so gut fördert. Sie wissen ja selbst, dass selbst nach der Novellierung, die Sie jetzt vorgenommen haben, ein konventionell wirtschaftender Betrieb zum Beispiel im Bereich des Weizenanbaus bei Kombination aller Maßnahmen – sei es Halmverkürzung, Verringerung der chemischen Stickstoffdüngung, Erweiterung des Drillreihenabstands und, und, und – mehr Punkte bekommt als ein Betrieb, der im Rahmen des biologischen Anbaus einen kompletten Verzicht vornimmt und prinzipiell auf chemisch-synthetische Dünger verzichtet. Damit fördern Sie die Form der konventionellen Landwirtschaft mehr als den ökologischen Anbau. Auch da haben Sie nicht begriffen, dass jetzt wirklich die Wende der Agrarpolitik in Richtung Umweltverträglichkeit auf der Tagesordnung steht, sondern Sie sind nach wie vor bereit, die konventionell wirtschaftenden Betriebe mehr zu fördern als die ökologisch wirtschaftenden.
Da besteht bei Ihnen natürlich auf jeden Fall noch immer ein Nachholbedarf.
Sie meinen, das alles wäre nur in der Vergangenheit so gewesen, es habe nur da Versäumnisse und Probleme gegeben. Ich habe die Ministerin im Landwirtschaftsausschuss darauf aufmerksam gemacht, dass die Landwirte unter dem extremen Druck durch BSE hin und wieder auch dazu neigen – weil die Herden vielleicht getötet werden, wenn sie einen BSE-Fall haben –, die Rinder auf die eine oder andere Art und Weise, die nicht der Legalität entspricht, zu entsorgen.
Darüber gibt es Zeitungsartikel. – Das ist keine Unterstellung. – Ich lese Ihnen das gern aus der Zeitung vor.
Nur noch ein letzter Punkt, dann sind wir fertig. Ich beantworte die Frage des Abg. Göbel:
Im Kreis Konstanz gibt es in Zusammenhang mit der BSE-Problematik ein Vorkommnis, das böse Vermutungen zulässt.
Ein Bauer wollte der Tierkörperbeseitigungsanstalt in Orsingen ein Rind ohne Kopf anbieten. Die Polizei hofft auf Hinweise.
Hier wird ermittelt und untersucht, und das Ministerium hat keine Ahnung davon und kümmert sich nicht um das Problem. Das zeigt, wie Sie letztlich mit dem vorsorgenden Verbraucherschutz umgehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst will ich auf die Ausführungen von Herrn Kiefl eingehen.
Herr Kiefl, Sie haben vorhin gesagt, man sollte Sachen oder Themen, die nicht belegt sind, hier nicht ansprechen.
Das ist ein großer Fehler.
Wenn ein Verdacht vorliegt und dieser von der Tierkörperbeseitigungsanstalt Orsingen und auch von der Polizei bestätigt wird, dann deutet das auf ein Problem hin, und dann muss man etwas unternehmen.
Wenn man vor diesem Problem die Augen verschließt und nichts macht, dann begeht man die alten Fehler weiterhin. Dies wollen Sie offensichtlich machen.
Der Anruf und das, was passiert ist, ist Fakt. Hinsichtlich der Person hat man noch keinen Verdacht, weil man die Person nicht kennt, weil es ein anonymer Anruf war. Mit dem Handeln so lange zu warten, bis man diese Person kennt, wäre eine Katastrophe.
Die sollte doch angeliefert werden. Verstehen Sie das nicht? Sie sollte angeliefert werden, wurde es aber nicht.
Im Wald wurde schlicht und ergreifend überhaupt keine Kuh gefunden. Um das ging es gar nicht.
Dann sind Sie mit einem zweiten Punkt gekommen.
Vielleicht halten Sie irgendwann einmal den Rand.
Herr Kiefl, zu Ihrem zweiten Argument: im Allgäu 1,8 Großvieheinheiten im Durchschnitt. Kennen Sie den Unterschied zwischen einem Durchschnitt und einer Obergrenze?
Man soll auf eine Obergrenze von zwei Großvieheinheiten kommen. Im Endeffekt heißt dies: Wenn Sie einen Durchschnitt von 1,8 Großvieheinheiten haben, haben Sie irgendwo auch über zwei Großvieheinheiten, und logischerweise wird jetzt eine Obergrenze eingeführt. Sie als Agrarpolitiker sollten den Unterschied kennen.
Aber sicher.
Ja.
Einen Förderausschluss?
Nein, das ist mir nicht bekannt.
Aber ist Ihnen bekannt – das ist eben die Frage –, dass es einen Unterschied zwischen einem Durchschnitt und einer Obergrenze gibt? Dies scheint Ihnen offensichtlich nicht bekannt zu sein.
Jetzt kommen wir zum Kern, und zwar zu dem, was auch Sie vorhin angesprochen haben: Was macht man bei 20 % oder 10 % Öko mit dem Rest von 80 oder 90 %? Herr Drautz, das war auch Ihre Frage. Leider haben Sie die Regierungserklärung von Frau Künast, auf die Sie sich beziehen wollten, nicht gelesen. Darin geht es nämlich fast ausschließlich um diese 80 %, nämlich um die Frage, was wir mit der konventionellen Landwirtschaft machen. Darin wurden klare Qualitätskriterien vorgelegt, die angelegt werden sollen, Qualitätskriterien, die das Vorzeigezeichen in Baden-Württemberg leider in allen Punkten nicht erfüllt.
Ja, die nenne ich Ihnen jetzt: Artgerechte Tierhaltung, Verzicht auf antibiotische Leistungsförderer – das sind zwei wesentliche Punkte. Der dritte Punkt ist flächenbezogene Tierhaltung. Ein weiterer Punkt ist der komplette Verzicht auf Gentechnik. Dies alles sind Punkte, die im jetzigen Konzept enthalten sind und die Voraussetzung für ein neues Qualitätskriterium sind, die Sie aber nicht einhalten können. Mit Ihrer Qualitätssicherung irren Sie sich.
Herr Hauk, Sie müssen die Wirklichkeit wahrnehmen. Sie sitzen denselben Irrtümern auf wie der Ministerpräsident. Der ist auch der Meinung, dass man das HQZ nicht verändern muss, dass alles im grünen Bereich ist. Aber nicht nur die Verbraucherschützer, nicht nur die Naturschutzverbände, sondern auch der Schwäbische Albverein und die Angler und Jäger, die jetzt noch im Landesnaturschutzverband sind, üben Kritik. Lesen Sie einmal die Kritik, die sie zum HQZ schreiben: Futtermittel unbekannter Herkunft und Zusammensetzung dürfen beim regionalen Herkunftszeichen verfüttert werden. Weitere Kritik: Bei der Bewirtschaftung darf mehr als das Doppelte an Nährstoffen ausgebracht werden, als aufgenommen wird.
Ja, wo ist das? – Das ist der Landesnaturschutzverband. Hier, sehen Sie. Haltungsformen wie Vollspaltenböden dürfen – –
Das ist die Stellungnahme des LNV zu Ihrem HQZ.
Lassen Sie mich bitte ausreden. – Bei Jungtieraufzucht dürfen Antibiotika als Leistungsförderer eingesetzt werden. Das alles ist bei der Nutzung Ihres HQZ möglich, das ja Vorbild für eine zukünftige Landwirtschaftspolitik in Baden-Württemberg sein soll.
Sie haben nichts begriffen, wenn Sie sagen: Das ist die Qualität, die wir in Zukunft in Baden-Württemberg haben wollen. Das ist eine Qualität, mit der Sie auf dem Markt keinen Stich machen. Sie haben ja immer die rot-grüne Bundesregierung gescholten – ich komme zum Schluss –, die offensichtlich die Bauern so drangsaliert. Im abgelaufenen Haushaltsjahr 1999/2000 sind die Gewinne der Landwirtschaft im statistischen Schnitt in der Bundesrepublik unter dieser rot-grünen Bundesregierung um 13,5 % gestiegen.
Jetzt betrachten wir einmal den berühmten Ländervergleich, weil Sie ja angeblich so viel für die Bauern in Baden-Württemberg machen. Dort sieht es folgendermaßen aus: Schleswig-Holstein plus 15,6 %, Niedersachsen plus 29 %, Nordrhein-Westfalen plus 59 %, Baden-Württemberg plus 3,3 %!
Ich kann Ihnen nur sagen: Sie machen eine Politik an der Landwirtschaft vorbei.
Herr Hauk, Sie sprechen von Qualität. Dazu habe ich eine Frage. Wie sieht es denn aus mit der Qualität beim HQZ? Sind Sie der Meinung, dass in Zukunft weiterhin – beim HQZ zum Beispiel – Antibiotika im Pflanzenschutz eingesetzt werden sollen?
Frau Ministerin, es ist eine Nachfrage. Die Kollegen von der CDU und von der FDP/DVP hatten angesprochen, das HQZ werde laufend verändert. Dazu meine Frage an Sie: Haben Sie vor, noch für diese Saison, beginnend mit der Vegetationsperiode, dafür zu sorgen, dass bei der HQZ-Produktion keine Antibiotika als Pflanzenschutzmittel mehr verwendet werden dürfen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir erleben im Augenblick in der Bundesrepublik unter dem Eindruck der dritten BSEKrise – es ist die dritte BSE-Krise – eine radikale Wende in der Landwirtschaftspolitik. Die Wende, die im Augenblick vollzogen wird, ist in ihrem Einschnitt und in ihren Konsequenzen mit dem anderen großen Projekt der Bundesregierung vergleichbar, und zwar mit der Energiewende. Sie wird für uns alle in Baden-Württemberg wie in der Bundesrepublik insgesamt einschneidende Veränderungen bewirken.
Die Landwirtschaftspolitik, wie sie nach dem Krieg entwickelt wurde, ist in ihrer Konzeption durch die BSE-Krise in eine existenzielle Krise geraten und steht unter einem massiven Veränderungszwang. Die Strategie der permanenten Leistungssteigerung durch immer intensivere Wirtschaftsweisen, durch Unmengen von Futtermittelzusätzen, durch Antibiotika und Unmengen von Pestiziden hat uns jetzt in eine Situation manövriert, die auch aus ethischen Gründen kaum mehr erträglich ist.
Ich will Sie daran erinnern, dass wir als Konsequenz dieser bisherigen Landwirtschaftspolitik vor der Situation der
Massenschlachtung von 400 000 Rindern stehen. Ich bin jemand, der in der Tradition erzogen wurde, dass man Brot nicht wegwirft, und jetzt sollen 400 000 Tiere vernichtet werden. Wenn das nicht die Grundpfeiler unserer bisherigen Landwirtschaftspolitk infrage stellt und zu einer Kehrtwende führt, dann führt uns aus dem Schlamassel nichts mehr heraus.
Auch das Land Baden-Württemberg, das ja einen Ministerpräsidenten hat, der alles kann, außer einen Fehler einzugestehen – er hat ein bisschen Absprachebedarf mit seiner Landwirtschaftsministerin, die manchmal sogar noch Fehler sieht –, steht vor einem Scherbenhaufen in der Landwirtschaftspolitik. Das Kernstück der baden-württembergischen Landwirtschaftspolitik, das Herkunfts- und Qualitätszeichen – das war ja der Stern dieser Politik –, steht mit dieser BSE-Krise vor einem Scherbenhaufen. Es ist nicht mehr zu retten. Ich würde sagen: Werfen wir es dahin, wohin es gehört: auf den Misthaufen.
Greifen auch wir jetzt hier neue Strategien auf.
Ich will Ihnen sagen, warum es nicht funktioniert hat. Sie haben garantierte Kontrollen versprochen, und die Kontrollen hatten keine Konsequenzen, wenn sie überhaupt stattgefunden haben. Sie hatten umweltgerechte Wirtschaftsweisen versprochen, und Sie haben den Einsatz von Antibiotika im Pflanzenschutz und in der Tiermast bei Ihrem Zeichen zugelassen. Sie hatten regionale Herkunft garantiert, und die Herkunft war aus aller Welt. Das ist natürlich ein Konzept, das den Verbraucher nicht überzeugt. Jetzt gilt es, hier neu anzufangen.
Auch hier in Baden-Württemberg – bei allen Spitzenleistungen, die Sie immer gerne thematisieren – war der ökologische Anbau ein Stiefkind der Politik. Es waren die Basisinitiativen, es waren die überzeugten Demeter- und Bioland-Landwirte, die den Ökoanbau vorangebracht haben.
Sie haben von der politischen Seite wenig gemacht, um den Bereich aus der Nische zu befreien. Sie lesen jetzt in der Zeitung, dass in der Zwischenzeit auch Herr Fischler auf dem Trip ist und dass EU-weit das, was wir auf Bundesebene angesprochen haben, umgesetzt wird.
Wir haben es nicht bekämpft. Was EU-weit gemacht wird, ist jetzt teilweise auch die Politik der Bundesregierung. Dass Sie mit Ihrer Politik auf Bundesebene bisher Bremser waren, ist bekannt.
Wir müssen auch eines sehen: Man redet hier gerne und oft über den Status quo, aber wir müssen auch einmal über Zu
wachsraten sprechen. Frau Ministerin Staiblin, reden Sie doch einmal bei einem Vergleich von Nordrhein-Westfalen mit Baden-Württemberg zum Beispiel auch über die Zuwachsraten im Bioanbau. Der stagniert in Baden-Württemberg nahezu. Das ist immer das Problem von Vergleichen, wenn wir nur den Status quo betrachten. Wie sieht denn der Zuwachs in Nordrhein-Westfalen aus? Das ist der Maßstab für die aktuelle Politik und nicht die Leistungen, die Sie gar nicht zu verantworten haben.
Worum geht es jetzt? Es geht nicht nur um den Bereich der biologischen Landwirtschaft – der muss jetzt radikal verändert bzw. ausgeweitet werden –, sondern auch die konventionelle Landwirtschaft muss auf eine völlig neue Grundlage gestellt werden. Ich will fünf Säulen nennen, die unserer Meinung nach hierfür entscheidend sind.
Der erste Punkt ist Transparenz. Wir brauchen vor allem und in erster Linie eine Transparenz der Produktion in der Landwirtschaft. Das setzt effiziente Kontrollen voraus. Das setzt Kontrollen mit Konsequenzen voraus. Das heißt dann auch, wer etwas in Futtermittel hineinmischt, der muss mit entsprechenden Strafen rechnen. Das ist die erste Voraussetzung für eine andere Landwirtschaftspolitik.
Offene Deklaration reicht nicht aus. Wir brauchen eine Positivliste. Hühnerkot kann nicht zum Futtermittel werden. Wir brauchen hier ganz andere Strukturen.
Die zweite Säule ist der Verzicht auf Antibiotika. Es ist klar, dass Medikamente in den Arzneimittelschrank gehören und nicht in den Pflanzenschutz und nicht in die Tiermast.
Der dritte Punkt ist eine flächengebundene Tierhaltung.
Ich habe noch zwei Punkte. Die wollte ich abschließend noch kurz sagen.
Der dritte Punkt wäre eine flächengebundene Tierhaltung.
Der vierte Punkt für uns ist eine artgerechte Tierhaltung.
Der fünfte und entscheidende Punkt ist der Verzicht auf die Gentechnik.
Wir wollen keine zusätzlichen Risiken in der Landwirtschaft. Die Risiken mit dem Tiermehl haben uns völlig ausgereicht.
Dazu sage ich auch etwas.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Reddemann hat hier wieder ein Fass aufgemacht. Herr Reddemann, es wundert mich, dass Sie dieses Fass aufmachen: „Oberste Priorität hat der Verbraucherschutz.“ So etwas Ähnliches haben wir schon einmal in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten gehört.
„Oberste Priorität hat der Verbraucherschutz.“ Warum sitzt dann die Landwirtschaftsministerin hier auf diesem Stuhl, wenn das tatsächlich wahr ist? Das können Sie doch keinem Menschen erklären.
„Oberste Priorität hat der Verbraucherschutz“, und da sitzt eine Ministerin, die vertuscht, was Sache ist.
Sie weiß seit ihrem Amtsantritt als Ministerin, dass Tiermehl im Kraftfutter enthalten ist, dass es in Baden-Württemberg verfüttert wird, obwohl das EU-weit schon nicht mehr zulässig ist. Sie akzeptiert Toleranzen und macht Plakate, inseriert in Zeitungen: „HQZ – kein Tiermehl“.
Ja was ist denn das? Das ist Verbrauchertäuschung, und sie bleibt in ihrem Amt.
So betreiben Sie Verbraucherschutz.
Kommen wir zum nächsten Punkt Ihrer glorreichen Verbraucherschutzpolitikerin:
Antibiotika, Gesundheit. Sie haben seit Oktober die Unterlagen in Ihrem Ministerium, wonach im Honig Antibiotika enthalten sind. Sie haben die Öffentlichkeit nicht informiert. Sie haben die Verbraucher nicht informiert. Sie haben nicht alle Imker informiert. Sie haben keine komplette Aufkaufaktion gemacht. Sie haben Grenzwertüberschreitungen mit spontanen, zufälligen Aufkäufen kompensiert, aber nicht konsequent das Zeug in einer öffentlichen Aktion vom Markt genommen. Das ist Ihre Politik.
Jetzt, Herr Reddemann, sagen Sie: 500 Millionen DM Kürzungen. Diese Politik, die wir in der Vergangenheit hatten, sage ich, wurde nicht gleich mit dem neuen Regierungsantritt gewendet. Das haben wir nicht geschafft. Das hat die SPD zum damaligen Zeitpunkt auch nicht geschafft. Aber – das sage ich jetzt an die Kollegen von der SPD und auch an ihren Vorsitzenden, Herrn Schröder – sie haben unter dem Eindruck der Krise gelernt und vollziehen die Wende. Und Sie stehen hin und sagen: „Jetzt dreht sich der Schröder.“ Ja wie komisch! Was soll er denn machen? Soll er den Quatsch weitermachen, den Sie jahrzehntelang gemacht haben?
Jetzt der nächste Punkt zu Ihren Argumentationen: 500 Millionen DM Kürzungen. Wissen Sie denn, Herr Reddemann – jetzt laufen Sie weg –, was uns die Schlachtungsaktion kostet? Haben das denn die Grünen zu verantworten?
700 Millionen DM kostet dieses Konzept, das eine Konsequenz aus einer alten, verfehlten Agrarpolitik ist. 700 Millionen DM, die uns in der Landwirtschaftspolitik massiv fehlen. Und da stellen Sie sich hin und machen eine billige und absurde Polemik.
Ja, wenn er etwas Besseres sagt als vorhin.
Logischerweise haben wir das zu verantworten. Das ist doch ganz klar. Stehen Sie doch vor die Bauern hin und kritisieren Sie diese Marktentlastungsmaßnahme, Herr Reddemann.
Dann können wir natürlich darüber reden.
Welche Konsequenzen? Wir stehen – –
Wir sagen es ja. Ich beantworte Ihre Frage, wenn Sie sich beruhigt haben. Nehmen Sie erst einmal ein Zäpfchen.
Wir stehen zu dieser Maßnahme, so schwierig sie ist und so schwer sie ethisch zu verantworten ist. Aber Sie werden doch nicht behaupten wollen, dass diese Maßnahme daraus resultiert, dass eine grüne Ministerin im Amt ist. Das ist eine EU-Maßnahme, die EU-weit durchgeführt wird.
Es wird niemand verpflichtet, an dieser Maßnahme teilzunehmen. Und wenn Sie an die Öffentlichkeit gehen und den Landwirten sagen, dass Sie dagegen sind, bin ich sehr interessiert und warte auf die entsprechenden Reaktionen.
Ich werde Ihnen noch einmal kurz zusammenfassend zu Ihrer bisherigen Landwirtschaftspolitik etwas sagen müssen, wenn Sie es auch ungern hören. Ihre Ministerin hat ihre Arbeit bisher
so verstanden, dass sie den Absatz, den Verbrauch geschützt hat und nicht die Verbraucher. Das ist das prinzipielle Dilemma Ihrer Politik. Ich kann nur sagen: Ich fordere Sie auf, die Wende in der Landwirtschaftspolitik, wie sie
jetzt notwendigerweise von der Bundesregierung eingeleitet wurde, mitzuvollziehen. Ich fordere auch die Bürgerinnen und Bürger auf: Machen Sie bei dieser Wende mit. Sie haben zwei Möglichkeiten. Sie können Landwirtschaftspolitik zweimal machen, nämlich einmal mit dem Stimmzettel und einmal mit dem Einkaufszettel.
Frau Ministerin, welche Antwort bekamen Sie vom Bundeslandwirtschaftsministerium auf Ihre Schreiben, die Sie bezüglich der Rückstände bzw. der Festlegung einer bundeseinheitlichen Toleranz dorthin gerichtet haben?
Frau Ministerin, nachdem Sie auf Ihr Schreiben offensichtlich keine Antwort erhalten hatten – denn Sie hatten mir jetzt keine Antwort auf die Frage gegeben, ob auf Ihr Schreiben eine Antwort kam –, frage ich Sie: Wie war die rechtliche Lage, nachdem es keine bundeseinheitliche Regelung gab? Wie war die Lage EU-rechtlich, und wie war damit die rechtliche Lage in Baden-Württemberg in Bezug auf die Duldung dieser Toleranzen? War es aufgrund von EU-Recht und aus der gegebenen Rechtssituation rechtmäßig, diese 1 % Toleranz hier im Land Baden-Württemberg zu dulden?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Werte Frau Brenner, zunächst einige Vorbemerkungen zu Ihren Ausführungen.
Sie haben zunächst geäußert – dazu muss man etwas sagen –, die Opposition hätte auf Frau Staiblin eingeprügelt und dadurch die Bauern getroffen.
Dazu ist erstens zu sagen: Wer auf Frau Staiblin einhaut, trifft nicht die Bauern.
Und zweitens: Wenn dem so wäre, dann säßen in Ihrer Fraktion Leute, die massiv auf die Bauern einschlagen.
Das nur vorneweg.
Kommen wir zum zweiten Punkt: Sie haben gesagt, die Opposition hätte versucht, mit diesem Untersuchungsausschuss Wahlkampf zu machen, dabei handle es sich um ein reines Wahlkampfmanöver.
Das war Ihr Vorwurf an die Opposition.
Die Einzigen, die mit dem Untersuchungsausschuss Wahlkampf gemacht haben, waren Sie mit Ihrer Bewertung, mit wirklich völlig abstrusen Behauptungen, mit Aussagen über die Bundespolitik, mit denen Sie eine 20-jährige Förderpraxis und die Form der Doppelförderung, wie Sie sie praktiziert haben, hier legitimieren wollen.
Es ist einfach absurd, so etwas zu machen. Das ist eine billige Wahlkampfpolemik.
So viel zu Ihren Vorgehensweisen. Schlichter, einfacher und offensichtlicher kann ein Ablenkungsmanöver nicht mehr gestrickt werden.
Ihre laxen Kontrollen, Ihre Richtlinie hatten doch die Bauernverbände in die Situation gebracht, dass sie sozusagen fast kriminalisiert wurden. Die Ursache war doch Ihre Richtlinie, die in der Praxis gar nicht handhabbar war. Daher sollten Sie jetzt ein bisschen bescheidener auftreten.
Der Untersuchungsausschuss brachte für uns eine klare Illustration der CDU-Regierungspraxis in Baden-Württemberg, und er brachte auch eine Selbstdarstellung der Regierungsmitglieder im Untersuchungsausschuss. Ich will sie mal mit den Worten charakterisieren: Nichts gewusst – schauen wir Herrn Weiser an –,
nichts gemerkt und, was die Ergebnisse betrifft – das gilt dann für die CDU-Fraktion –, nichts gelernt.
So kann man das beschreiben.
Dem im Rechnungsprüfungsamt klar dargestellten Befund der Doppelabrechnung der Bauernverbände ist der Sachverhalt der Doppelförderung seitens der Landesregierung gegenüberzustellen, und das muss man auch bei der Bewertung entsprechend berücksichtigen.
Wie schreibt doch die Staatsanwaltschaft Stuttgart – ich muss wirklich sagen, sie bringt das originell auf den Punkt – über die Behauptungen aus dem Landwirtschaftsministerium so schön? Sie spricht da von der „angeblichen Unkenntnis... der offenkundigen Tatsachen“.
Eine solche Charakterisierung einer Regierungspolitik durch die Staatsanwaltschaft, das ist doch irgendwie ein tolles Lob. Oder, Herr Weiser?
Auch die Staatsanwaltschaft erkannte, dass die Richtlinie unpräzise formuliert und inhaltlich unbestimmt war und dass es faktisch keine effiziente Kontrolle der Mittelverwendung gab.
Aber die ganze Landwirtschaftsverwaltung hat ja nichts gewusst, Minister Weiser hat nichts geahnt und wurde auch über Wichtiges nicht informiert. So war das Ministerium halt organisiert. Obwohl der Bericht des Rechnungsprüfungsamts angeblich im Ministerium wie eine Bombe einschlug – so sagten das die Mitarbeiter im Untersuchungs
ausschuss –, sagte der Minister vor dem Ausschuss, er sei nicht informiert worden. So behauptete er es.
Er habe von dem Ganzen erst erfahren, als er schon längst nicht mehr Minister gewesen sei.
Niemand von den Bauernverbänden hat mir gegenüber jemals den Eindruck erweckt, er könne sich vorstellen, dass dem doch stets gut informierten Minister Weiser die offenkundige Tatsache, dass von zwei Seiten Geld für die Sozialversicherungsberatung floss, nicht bekannt war. Also machen wir uns doch nichts vor.
Dass die Bauernverbände jetzt die Welt nicht mehr verstehen, wundert mich nicht. Erst wird ihnen zusätzliches Geld aufgedrängt, und dann werden sie von der nächsten, auf Minister Weiser folgenden CDU-Landwirtschaftsministerin bei der Staatsanwaltschaft angezeigt und mit einem Betrugsvorwurf konfrontiert. Sie konnten sich gar nicht vorstellen, dass diese Doppelförderung politisch nicht gewollt war und sie nun plötzlich als betrügerische Doppelabrechner dastehen sollten.
Dass aufseiten der Bauernverbände kein Unrechtsbewusstsein vorhanden war oder zumindest, sage ich mal, nie mit einer Kontrolle gerechnet wurde, das dokumentiert auch die Buchhaltung des BLHV. Dort ist alles genau aufgelistet, die gleichen Kosten sind an zwei verschiedenen Stellen abgerechnet. Ich denke, die Bauernverbände haben in vielen Bereichen wirklich mit gutem Gewissen agiert und haben gedacht, das müsse alles so sein.
Aber die Frage ist ja: Wie agiert unsere jetzige Landwirtschaftsministerin, die ja nur CDU-Parlamentariern Zwischenfragen gestattet? Sie schließt mit den Bauernverbänden einen Vergleich, bei dem sie nach Ansicht des der CDU gegenüber sehr wohlmeinenden Rechnungshofs auf Ansprüche in Höhe von 4 Millionen DM verzichtet. Klar ist aus meiner Sicht, dass der jetzige Rechnungshofpräsident diesen Verzicht als politisch vertretbar betrachtet. Er weiß ja, wer ihn protegiert, und zeigt sich erkenntlich.
Wir sehen darin einen unerhörten Umgang mit Landesgeldern.
Aber es kommt noch besser. Schauen wir einmal in die Zukunft. Über Herrn Menz im Staatsministerium signalisiert der Ministerpräsident den Bauernverbänden vor Abschluss der Arbeit des Untersuchungsausschusses, dass sie für eine nach wie vor völlig unspezifizierte Sozialberatung weiter mit Unterstützung rechnen können.
Die Dimension ist hinter den Kulissen auch schon festgezurrt: 8 DM pro Mitglied, so heißt die Marge unter schwarzen Brüdern, die angepeilt wird.
Es ist zugesagt worden, dass man sich darum bemühen werde, sozusagen eine Bemühenszusage.
Wir werden ja sehen, was dabei herauskommt, Frau Brenner.
Dabei hat der Ministerialdirektor im Ausschuss öffentlich gesagt, 5 DM wären die fachlich vertretbare Grenze, und ein bisschen mirakulös hinzugefügt,
dass aus politischen Gründen bis zu 20 DM möglich wären.
Der Ausschuss konnte nicht aufklären, welches die politischen Gründe für diese 20 DM sind. Ist das vielleicht eine Art politischer Wiedergutmachung für Ihre dilettantische Doppelförderung? Die sollten Sie dann aber aus Ihrer Parteikasse und nicht aus der Landeskasse finanzieren, weil Sie es denen ja eingebrockt haben.
Ist es eine Entschädigung dafür, dass Sie den Bauernverbänden mit Ihrem zweimaligen dilettantischen Vorgehen einen Imageschaden zugefügt haben, das eine Mal, als Sie die Richtlinie erließen, das andere Mal, als Sie die Angelegenheit – aus der Sicht des Kollegen Mayer-Vorfelder dilettantisch – an die Staatsanwaltschaft gaben? War es vielleicht das, dass Sie da politisch etwas nachlegen müssen?
Die Sozialberatung für Landwirte – das jedenfalls ist ein eindeutiges Ergebnis der öffentlichen Beratungen des Untersuchungsausschusses – ist bis auf einen Punkt auch ohne die Gelder des Landes gut finanziert. Der einzige Punkt, bei dem man darüber reden kann, dass die Landwirte noch einen Beratungsbedarf haben, der nicht gesponsert ist, das ist die Hofübergabe. Aus unserer Sicht kann man darüber reden, ob das die Bauernverbände, ob das Rechtsanwälte oder Notare machen sollten. Wichtig ist nur eines: Das Geld muss den Landwirten zugute kommen. Wo die Landwirte die Beratung einholen, sollten sie selber entscheiden. Wir wollen die Landwirte fördern und nicht weiter eine Pauschalförderung für die Bauernverbände betreiben.
Meine Damen und Herren, die nicht nachvollziehbare Unkenntnis der gesamten Landwirtschaftsverwaltung über die bezahlte Tätigkeit der Bauernverbände als Verwaltungsstellen der landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträger erscheint aus unserer Sicht nach dem Ergebnis der Beweis
aufnahme politisch gewollt. Die Kontrolle der Mittelverwendung wurde durch die Neufassung der Richtlinie 84 stark eingeschränkt. Intransparenz und faktischer Unkontrollierbarkeit wurde damit Vorschub geleistet.
Die Zeugin Karle, eine Mitarbeiterin des Regierungspräsidiums Tübingen, hatte auf diese Gefahr in einer offiziellen Stellungnahme zur Neufassung der Richtlinie aufmerksam gemacht.
Ihr Schreiben wurde seitens des Ministeriums ignoriert und nie beantwortet.
Die vom Ministerium im Untersuchungsausschuss vorgetragene Begründung, man habe eine Verwaltungsvereinfachung bezweckt, ist unglaubhaft. Weder wurde die Verwaltungsvereinfachung bewirkt, noch wurde in anderen Fällen auch nur irgendwie ähnlich verfahren.
Ein weiterer Punkt ist das Schreiben der Ministerin an die Staatsanwaltschaft. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hat ja auch im Untersuchungsausschuss gesagt, wie er es bewertet hat bzw. welchen Eindruck er gewonnen hat. Es handelte sich um eine Art Empfehlungsschreiben für die Bauernverbände. In einer Situation, in der die Staatsanwaltschaft unter dem Aspekt des Betrugsverdachts gegen sie ermittelt, ist ein solches Schreiben natürlich äußerst aufschlussreich.
Ein dritter Beleg für die politisch gewollten Unzulänglichkeiten der Förderpraxis zugunsten der Bauernverbände liegt in der Art und Weise, wie Sie, Frau Ministerin, den Vergleich mit den Bauernverbänden zustande brachten. Eine Landesregierung, die sich in ihrem Vertrauen in die korrekte Abrechnung der Bauernverbände getäuscht fühlt, hätte auch fristgerecht ein Rückforderungsverfahren eingeleitet. Stattdessen wurde während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ein für die Bauernverbände sehr komfortabler Vergleich geschlossen, der ihnen die ungerechtfertigte Bereicherung durch die jahrzehntelange Doppelförderung weitgehend beließ.
Weiser, Schaufler, Staiblin: Diese Namen stehen für die vielfältigen Facetten der Regierungspraxis der CDU in Baden-Württemberg. Der Untersuchungsausschuss hat einen Teil dieses Sittengemäldes enthüllt.
Wenn Sie weiterhin Pauschalen für nicht spezifizierte Leistungen an die Bauernverbände überweisen wollen, dann bestätigen Sie den Verdacht, dass Sie damit die Alimentierung einer politischen Vorfeldorganisation nachträglich legitimieren wollen.
Nein. Ich habe eine fallbezogene Abrechnung vorgeschlagen und keine pauschale Überweisung.
Für mich zeigt Ihre ganze Aktion nur eines: Sie, die Sie sich hier gern als Baden-Württemberg-Partei stilisieren und finanziell gerade etwas klamm sind, neigen einfach dazu, dass Sie Ihre Parteikasse gern mit der Landeskasse verwechseln.
Dass sich die FDP/DVP im Untersuchungsausschuss als willfähriges Anhängsel der CDU bei deren Behinderungsund Vertuschungsaktionen präsentiert hat, zeigt, dass sie nicht nur gestern Abend etwas Glück-los agierte.
Frau Ministerin, wie hoch schätzen Sie das Finanzvolumen des Landes ein, das notwendig wäre, um eine Hagelversicherung mit 50 % Bezuschussung wieder einzuführen, bzw. wie hoch waren die Beträge pro Hektar, die bis 1997 dafür eingestellt waren?
Ich habe noch eine Zusatzfrage: Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, wie viele Betriebe von den Anspruchsberechtigten in der Vergangenheit, als es die Hagelversicherung gab, diese Hagelversicherung in Anspruch genommen haben?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir können heute die Zukunft des ländlichen Raums nicht mehr ohne die Frage nach der Zukunft unserer Ministerin für den ländlichen Raum diskutieren.
Sie hat keine politischen Pläne und keine Projekte für die Zukunft; sie macht alles vom Ministerpräsidenten abhängig, und der steckt ja in der Zwischenzeit durch die Verantwortung für ihre politische Karriere in der Klemme.
Zur SPD-Anfrage vom 9. April 1999: Der erste zentrale Punkt sind die ersten vier Fragen, nämlich die Fragen zum Landesentwicklungsplan.
Es sind zwei lapidare Sätze, mit denen Sie darauf antworten – und das ist symptomatisch für die Struktur und die Perspektiven – :
Der Landesentwicklungsplan wird gegenwärtig überarbeitet. Er soll in Kürze von der Landesregierung zur Anhörung freigegeben werden.
Die Anfrage stammt vom 9. April 1999.
Ich frage mich, Frau Ministerin: Was heißt „in Kürze“? Wann wird er vorgelegt? Noch in Ihrer Amtszeit oder gleich danach oder vielleicht danach und doch in Kürze?
Seit letzter Woche führen Sie einen Kampf ums politische Überleben.
Über Ihren Landesentwicklungsplan kursieren allenfalls Gerüchte. Mit Ihrer MEKA-Novellierung – –
Wir deklinieren ihre Erfolge mal durch. Herr Kiefl hat behauptet, die CDU sei ein verlässlicher Partner im ländlichen Raum.
Dazu gehört eine starke und verlässliche Ministerin, eine Ministerin, die nicht von der eigenen Fraktion, Herr Kiefl, laufend demontiert wird.
Regen Sie sich doch nicht auf! Wir ziehen doch eine Bilanz der politischen Perspektive für den ländlichen Raum.
Die Ministerin hängt mit ihrer MEKA-Novellierung fest. In Brüssel ist sie da in einer ziemlich unglücklichen, unbequemen Stellung hängen geblieben. Für ihre Naturschutzkonzeption hat sie keine solide Finanzierung. Die rechtzeitige Meldung der FFH-Gebiete wurde erst verschlafen und jetzt übers Knie gebrochen.
Auf der einen Seite drohen Sanktionen von der EU, auf der anderen Seite Proteste der Kommunen.
Demnächst, Frau Ministerin – das ist auch eine Frage Ihrer Freiheit, die Sie für politische Konzeptionen haben –, müssen Sie sich im Untersuchungsausschuss einigen unangenehmen Fragen über Ihre vorschnellen Vergleiche und über Ihren Umgang mit Steuergeldern stellen. In der Zwischenzeit titelt die Presse, Sie hätten noch eine ganz wichtige Aussicht und Ihr eigentlicher Lichtblick sei die Erreichung der Pensionsgrenze. Eine Ministerin, die so eingekeilt ist, ist unfähig, politische Konzeptionen für die Zukunft des ländlichen Raums zu entwickeln.
Jetzt kommen wir auf Ihr eigentliches Kernproblem. Ich zitiere eine Aussage, die Sie jetzt am Wochenende selbst gemacht haben. Ich denke, das ist ein Resümee; in gewisser Weise steckt dahinter eine Reflexion Ihrer Situation, und es zeigt, warum Sie hier keine Perspektiven für den ländlichen Raum bieten können.
Ich zitiere Sie selbst:
Ich freue mich auf ein Leben mit mehr Vogelfreiheit, mit meiner Familie und dem wunderschönen Kaiserstuhl.
Mehr Vogelfreiheit! Also hatten Sie jetzt schon offensichtlich einiges an Vogelfreiheit.
Und die zweite Frage, die sich hier natürlich stellt, ist: Wenn Sie abgedankt hätten, hätten Sie ja sagen können: „Ich habe jetzt mehr Vogelfreiheit“; aber Sie erklären jetzt als Ministerin plötzlich, nachdem Sie nicht nominiert worden sind, Sie hätten mehr Vogelfreiheit. Ich frage mich, was das für ein Verständnis ist und was Sie bisher für ein Verständnis von Ihrem Amt hatten.
Aber sicher! Gerne!
Herr Göbel – –
Danke, Herr Zeiher, Sie sind der Oberlehrer und sehr kompetent.
Herr Göbel, wir reden über die Zukunft des ländlichen Raums, und Sie haben für die Zukunft des ländlichen Raums keine Perspektiven vorgelegt. Sie haben keine zukunftsfähigen Konzepte. Ihr eigentliches Ziel ist die systematische Demontage Ihrer Ministerin. In einer solchen Situation sind Sie gar nicht handlungsfähig. Das ist Ihr eigentliches Problem.
Langsam wird Ihre eigene Position vielleicht für Sie selbst skurril. Die Äußerungen der Ministerin sind schon skurril genug,
aber schauen wir doch einmal an, wie die Situation von Ihrem Ministerpräsidenten interpretiert wurde und welches Vertrauen Ihr Ministerpräsident in die Zukunft dieser Ministerin setzt. Zu ihrer Abstimmungsniederlage sagt er – in allen Zeitungen zu lesen –, es sei ein sehr, sehr gutes Ergebnis gewesen.
Ich kann nur eines sagen: Wir von der grünen Opposition hoffen, dass auch der Ministerpräsident Teufel in der Zukunft viele solche sehr, sehr guten Ergebnisse erhält.
Und dann hoffen wir, dass Sie als Ministerin, die offensichtlich eine gute Portion Skurrilität in die Regierung hineinträgt, es schaffen, dieses eine Jahr bis zur Landtagswahl noch durchzuhalten, weil dann eines sicher ist: Dann ist es nämlich tatsächlich möglich, politische Zukunftsentwürfe für den ländlichen Raum zu entwickeln und die Fragen zu klären,
wie wir zum Beispiel mit regenerativen Energien umgehen und wie wir es schaffen, dass wir die neuen Kommunikationstechnologien wirklich arbeitsplatzfördernd in den ländlichen Raum bringen.
Dazu haben Sie in dem Papier nichts gesagt. Sie haben nichts dazu gesagt, wie Kooperationen von Handwerk und Landwirtschaft stattfinden sollen, Kooperationen, die für den ländlichen Raum wichtig sind.
Sie haben nichts gesagt zu adäquaten Standortentscheidungen und einem Aufbruch zu einer nachhaltigen ökologischen Landwirtschaft.
Frau Ministerin, ich kann nur sagen:
Bleiben Sie dieses eine Jahr noch im Amt. Wir werden anschließend dann leicht unsere Konzepte umsetzen können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich danke meinen beiden Vorrednern. Herrn Göbel danke ich dafür, dass er durch seinen Beitrag das Niveau der baden-württembergischen Agrarpolitik konsequent abgebildet hat.
Herrn Teßmer danke ich dafür, dass er das Notwendige zu den Vorurteilen bei der CDU in Bezug auf den Orkan Lothar und die Behebung der durch ihn verursachten Schäden gesagt hat.
Kommen wir zu weiteren Problemen hier in Baden-Württemberg, die wir mit der Landwirtschafts- und Naturschutzpolitik haben. Da ist doch erst einmal eines festzustellen: Ausbremsen des Naturschutzes ist in Baden-Württemberg Chefsache, und so begründet der NABU die Verleihung des Dinosauriers 1999 an Ministerpräsident Teufel. Und dieser Kabinettschef ist die einzige wirklich politische Stütze von Frau Staiblin.
Entsprechend souverän ist die Amtsführung unserer auch für den Naturschutz zuständigen Landwirtschaftsministerin. Bei einer Ministerin, die in Bezug auf die Ausweisung so genannter Flora-Fauna-Habitat-Gebiete von, so wörtlich, „Wahnsinn, der auf uns zukommt“, spricht, ist entschlossene Naturschutzpolitik nicht zu erwarten.
Was der bayerische Umweltminister dieser Tage erkannt hat, ist in Baden-Württemberg immer noch unbekannt. Selbst dieser hat inzwischen bemerkt, dass die europäischen Naturschutzrichtlinien vielfach verkannt werden und diese Unkenntnis zum Verlust von finanziellen Mitteln führt.
Der Ministerpräsident empfahl dem Parlament, den Artikel meines Kollegen Kretschmann in der „Welt“ zu lesen. Gestern stand schon wieder ein für die Regierung äußerst lesenswerter Artikel in der „Welt“, diesmal nicht vom Kollegen Kretschmann; in der „Welt“ schreiben ja auch noch andere.
Die Überschrift lautet: „Fünf Bundesländer gelten in Brüssel als Umweltsünder“. Logisch, dass bei diesem Umweltsünderranking unser Ministerpräsident Teufel wie bei allen Ländervergleichen auch ganz vorne stehen will.
So etwas ist doch Ehrensache für einen Naturschutzdinosaurier. So lesen wir in diesem lesenswerten Artikel
lesen Sie halt ab und zu wertvolle Zeitungsartikel –:
Obwohl die Umsetzung der Umweltrichtlinien... schon 1995 zugesagt worden war, haben bislang fünf Länder keine konkreten Vorschläge unterbreitet. Brandenburg, Sachsen, Baden-Württemberg, Saarland und Bayern haben dafür noch zwei Monate Zeit. Andernfalls gibt es keine Strukturfördermittel aus Brüssel.
So weit die „Welt“, so weit die Informationen. Sie wollen ja bis zum Sommer prüfen, was Sie melden. Die Mittel sind bis dahin weg, Frau Ministerin. So weit die Fakten.
Nun kommen Sie doch nicht mit der Behauptung, in dem dicht besiedelten Baden-Württemberg könne man die FFHRichtlinie gar nicht so schnell umsetzen, weil wir zu wenig Platz hätten, um die Naturschutzflächen überhaupt auszuweisen. Berlin und Hamburg liegen bei der Umsetzung der Richtlinie vorne, und die Niederlande – das am dichtesten besiedelte Land in Europa – haben 20 % ihrer Fläche schon entsprechend ausgewiesen.
Also kommen Sie hier nicht mit faulen Argumenten!
Sie stehen mit Ihrem Nichtwissen – offensichtlich kennen Sie die europäischen Richtlinien und die Notwendigkeit, sie umzusetzen, nicht richtig, sonst würden Sie anders handeln – in einer glorreichen Tradition im baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium.
Ihr Vorgänger im Amt, Exminister Weiser, schaffte es ja immerhin, 25 Jahre lang keine Ahnung von der Struktur der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zu haben. Weder als Kreisbauernverbandsvorsitzender 1973 noch in seiner Amtszeit als Minister hat ihm irgendjemand gesagt, dass eine Hauptbeschäftigung der Geschäftsstellen der Kreisbauernverbände in der finanziell gut dotierten Tätigkeit als Verwaltungsstellen der Sozialversicherungsträger besteht. Niemand hat ihm das gesagt.