Protocol of the Session on February 3, 2000

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Eben!)

Deswegen müssen wir den Anstieg sorgfältig analysieren, dürfen aber keine vorschnellen Schlüsse ziehen

(Abg. Ingrid Blank CDU: Oder die falschen!)

und nicht die falschen, natürlich.

Wir haben im ersten Durchgang versucht, zu überlegen, woher das kommt. Wir haben festgestellt, dass wir gerade im Bereich der Migranten, der Aussiedler und Ausländer so genannte Turbokarrieren hatten, die innerhalb eines halben Jahres zum Tode führten.

Das Zweite, was mich betroffen gemacht hat und was man intensiv besprechen muss, ist der auffallend hohe Anteil von Drogentoten, die zuvor eine Substitutionsbehandlung mit Methadon gehabt haben. In über 20 % der Fälle war Methadon mit im Spiel. Es kann doch nicht sein, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Menschen, die angeblich in ärztlicher Behandlung sind, an einer Überdosis sterben. Dann stimmt doch etwas an dieser ganzen Behandlung nicht.

(Abg. Ingrid Blank CDU: In falscher Sicherheit wiegen sie sich! – Zuruf der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen)

Die Bilanz der freizügigen Methadonregelung muss doch jedem Menschen zu denken geben, Frau Bender. Wir haben vorher darüber gesprochen. Sie haben gesagt: Der Minister hat umgedacht. Ich weiß, dass man mit Methadon das eine oder andere regeln kann – aber nur dann, wenn auch die psychosoziale Begleitung dabei ist.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Das sagen wir auch schon lange!)

Deswegen haben wir mithilfe der CDU- und der FDP/ DVP-Fraktion in diesem Haushalt weitere zehn Stellen für Drogenberater geschaffen, die gerade an Schwerpunktpraxen eingesetzt werden.

Ich sage Ihnen, ich werde weiterhin Anstrengungen unternehmen, damit unsere kranken Abhängigen aus ihrer Krankheit herauskommen. Sie bekommen alle Hilfe zum Ausstieg, ohne Wenn und Aber.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Aber wenn Sie glauben, dass wir aus dem Landeshaushalt Gelder für Heroinmodelle bereitstellen, dann brauchen Sie überhaupt nicht mehr anzuklopfen. Es kann doch nicht so sein, dass wir sagen: gestern Methadon – morgen Heroin – übermorgen Kokain. Wohin führt das eigentlich noch?

(Abg. Ingrid Blank CDU: Falsche Signale! – Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Aber des- wegen kann man doch nicht schon den Versuch ablehnen! – Gegenruf der Abg. Ingrid Blank CDU: Menschenversuch!)

Ich mache diese Modelle nicht mit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Blick auf das Ganze stelle ich fest: Wir können in Baden-Württemberg stolz sein auf eine gute soziale Infrastruktur und auf das insgesamt gute soziale Klima in unserem Land, auch im Großen und Ganzen in unserem Sozialausschuss. Das müssen wir bewahren. Wir können es uns jetzt nicht leisten, die Hände in den Schoß zu legen. Unsere Gesellschaft ändert sich; damit ändern sich auch die Anforderungen an die Sozialpolitik. Sozialpolitik muss deswegen immer wieder neu diskutiert werden, es müssen neue Schwerpunkte gesetzt werden. Ich bin dazu bereit, gemeinsam mit Ihnen auch in den nächsten Jahren neue Schwerpunkte zu suchen und die Prioritäten zu benennen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort hat Herr Abg. Krisch.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Was? Kann das sein? – Unruhe)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kollege Nagel sagte vorhin: Menschen brauchen Zukunft. Er hat Recht. Aber ich komme zurück auf den Kollegen Müller und seine Aussagen zur Drogenpolitik, seine Kritik an der Drogenpolitik der Landesregierung.

Es ist interessant, was der Minister eben zum Zusammenhang zwischen Drogentoten und Methadonsubstitution gesagt hat. Herr Kollege Müller, ich bin fest der Meinung: Ein Mensch, der drogenabhängig ist, hat keine Zukunft. Das Ziel jeder Drogenpolitik muss ein drogenfreies Leben und nicht ein Leben sein, in dem andere Drogen durch Heroin substituiert sind.

Ich möchte noch etwas kritisch anmerken: In all den Diskussionen zur Drogenpolitik haben wir nie Maßnahmen gegen den Drogenhandel selbst besprochen. Das ist ein großer Fehler.

Heute wurde mehrfach, von der Kollegin Raststätter, vom Kollegen Rau und von Frau Ministerin Schavan, das Thema „Gewalt an Schulen“ angesprochen. In keiner Diskussion wurde gefragt: Wie war das denn vor 30 Jahren? Was hat sich in diesen 30 Jahren geändert? Was sind die Ursachen für die wachsende Gewalt an den Schulen? Denn vor 30, 40 Jahren hatte dieses Phänomen eine andere Qualität.

Unsere Fraktion hat sich bemüht, Ursachen dieser Gewalt auf den Grund zu gehen. Wir haben Entwicklungen in England, in den USA, in Frankreich, in Holland, in Indonesien und in Japan geprüft. Wir kommen in Übereinstimmung mit deutschen und internationalen Wissenschaftlern zu dem Schluss: Die Zerstörung unserer Wertekultur und der Ersatz durch das, was Sie „Multikulti“ nennen, ist ein wesentlicher Grund für das Wachstum an Gewalt.

Ich kann Ihnen einen Beleg dafür geben: Ausländer der zweiten Generation waren wesentlich integrationsbereiter als die der dritten. Da ist wieder zu fragen: Warum eigentlich? Weil sie sich damals, als Minderheit, nur durch Anpassung bei uns durchsetzen konnten. Die dritte Generation ist in den Schulen vielfach schon entweder Mehrheit oder starke Minderheit. Einem Türken wäre es durchaus möglich, in Deutschland zu leben, in einer türkischen Firma türkisch sprechend zu arbeiten, in einem türkischen Geschäft einzukaufen, im türkischen Sportverein oder Kulturverein seine Freizeit zu verbringen, eine türkische Zeitung zu lesen und das türkische Fernsehen zu schauen.

(Abg. Dr. Walter Müller SPD: Dann isst er noch einen Döner!)

Er hat keinerlei Grund, sich zu integrieren und anzupassen.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Wie ist das auf Mal- lorca?)

Einbürgerung, die Vergabe der Staatsbürgerschaft, ist kein Mittel zur Lösung des Problems. Das ist ein Problem, das über die Einwanderungspolitik der letzten 30 Jahre im Wesentlichen den Bundesregierungen aus CDU/CSU und FDP zuzuschreiben ist.

(Abg. Kluck FDP/DVP: Sie sind doch auch einge- wandert!)

Herr Kollege Kluck, auf Sie komme ich bei Gelegenheit noch. Ich habe jetzt keine Zeit dazu. Dann fragen wir nach, wo Sie herkommen.

(Unruhe)

Das Thema „Gewalt an Schulen“ betrifft auch unsere Kinder und Jugendlichen. Es wird viel geredet, aber wenn Kinder – ich kann das aus der Praxis bestätigen – sich an Lehrer oder Polizisten wenden und sagen, es sei Gewalt passiert, dann wird in zwei Drittel aller Fälle dem Jugendlichen gesagt: Du hast doch dies sicher selbst provoziert.

(Abg. Nils Schmid SPD: Aber Ihre Praxis ist schon 30 Jahre her!)

Dann wird vorgeschlagen: Erstatte Strafanzeige. Tut der Betroffene dies dann, so erlebt er, dass er wenige Tage später dem Täter gegenübersteht, der ihn weiter drangsaliert, weil er jetzt weiß, dass das betreffende Kind bei der Polizei war.

Jetzt frage ich Sie: Was wird aus Kindern und Jugendlichen, die dies erleben, die Erpressung, Erniedrigung und Gewalt erleben, wenn sie erwachsen sind?

Herr Abg. Krisch, dürfte ich Sie bitten, zum Thema Sozialhaushalt zu sprechen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Nils Schmid SPD: Herr Krisch hat nur ein Thema!)

Herr Präsident, ob ich zum Thema spreche, ist Definitionssache. Ich sagte einleitend: Alles, was unser Sozialsystem zerstört, betrachte ich als zum Thema Sozialpolitik gehörend.

Es kommt nicht darauf an, wie Sie es betrachten. Es kommt darauf an, wie es die Geschäftsordnung vorschreibt.

Herr Präsident, ich bin durchaus bereit, mich einer Diskussion zu stellen.

(Abg. Brechtken SPD: Aber wir nicht, Herr Kolle- ge!)

Ich möchte nur jetzt in der Lage sein, wie alle anderen meine Rede zu Ende zu führen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Nehmen Sie doch Platz!)

Wir leben in einer Situation – –

Entschuldigung, ich habe Ihnen das Wort erteilt, und nach der Geschäftsordnung haben Sie zum Thema zu sprechen und nicht zu irgendetwas.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Ich stelle fest: Der amtierende Präsident des Landtags betrachtet Gewalt an Schulen als nicht zum Thema Sozialpolitik gehörend.

Ich stelle fest,