Von den pflichtvergessenen Männern in Sachen Unterhaltsvorschuss nun zu den Frauen. Frauenpolitik ist in der Tat eine Querschnittsaufgabe. Jetzt alle Aspekte zu erwähnen würde sicherlich den Rahmen sprengen. Die Verbesserung der Kinderbetreuung, das Kindergartengesetz, die Verbesserung der Tagesmütterbetreuung, die verlässliche Halbtagsschule – darüber haben wir vorhin diskutiert – sind wichtige Voraussetzungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Aber auch im Haushalt, rein an den Zahlen gemessen, müssen wir durchaus einen Fortschritt konstatieren. Er liegt darin, dass wir neben dem Betrag von 1 Million DM an jährlicher Investitionsförderung zum ersten Mal jeweils 1 Million DM pro Jahr für laufende Zwecke in den Haushalt einstellen, also für den Betrieb der Frauen- und Kinderschutzhäuser.
Lassen Sie mich hier ausnahmsweise einmal einen Namen nennen. Es war unsere Kollegin Berroth, die im Vorfeld
die treibende Kraft war, dass Investitionsmittel, die nicht abgerufen wurden, in den Betrieb fließen konnten. Das behaupte ich einfach einmal.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Lachen bei Abgeordneten der CDU – Abg. Ingrid Blank CDU: Haben Sie bei Frau Berroth etwas gutzuma- chen? – Abg. Haasis CDU: Das haben wir gar nicht gewusst!)
Ja, sie hat daran beharrlich gearbeitet. Damit war die Bresche geschlagen, dass nun Mittel für Betriebskostenzuschüsse in den Haushalt eingestellt werden.
Für überlegenswert in diesem Bereich halten wir die Frage, warum eigentlich die misshandelte Frau die gemeinsame Wohnung verlassen und ins Frauenhaus gehen muss, anstatt den Schläger aus der Wohnung zu verweisen.
(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Dann ändern wir das Polizeigesetz! – Zuruf der Abg. Ingrid Blank CDU)
In anderen Ländern, zum Beispiel in Österreich, wohin wir zurzeit ja nicht so gern blicken, hat man mit der Go-Order offensichtlich gute Erfahrungen gemacht.
Ganz kurz noch zur Drogenpolitik, weil sie angesprochen worden ist. Da sind die Schwerpunkte der beiden Regierungsfraktionen teilweise unterschiedlich. Aber auch da, Herr Müller, sind wir uns einig, dass wir die Mittel für die Suchtkrankenhilfe um jährlich über 0,5 Millionen DM aufgestockt haben, und dies im Wesentlichen, um die psychosoziale Betreuung im Rahmen der Substitutionsbehandlung zu verbessern.
Auch die Selbsthilfearbeit bei den Suchtkranken steht auf einem hohen Niveau. Dafür werden jährlich über 0,5 Millionen DM bereitgestellt.
Ich sehe, dass die Sprechzeit leider zu Ende geht. Aber ich denke, ich habe Ihnen die positiven Aspekte im Wesentlichen darlegen können.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend allen Menschen in unserem Land danken, die sich, egal ob hauptamtlich oder ehrenamtlich, in den Dienst ihrer Mitmenschen stellen. Ich denke, sie haben alle unseren Respekt und unsere Anerkennung verdient.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, das Thema aus etwas anderer Sicht zu diskutieren. Der Sozialhaushalt ist vordergründig der Haushalt für soziale Leistungen, für das Gesundheitswesen, für Drogenpolitik, für Frauenpolitik, für Altenpfle
ge. Aber ich betrachte den Sozialhaushalt als den wichtigsten Haushalt und das Sozialministerium als das wichtigste unserer Ministerien.
Kollege Noll sagte vorhin, Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik seien keine Gegensätze. Ich möchte weiter gehen, Kollege Noll: Wirtschaftspolitik, Bildungspolitik, Finanzpolitik sind alles nur Zuarbeiter für Sozialpolitik. Unser Staat ist doch die Solidargemeinschaft aller Bürger, und Sozialpolitik definiert die Grundlagen, unter denen unser Gemeinwesen lebt, unter denen wir miteinander leben und auf denen wir miteinander auskommen. Wenn diese Solidargemeinschaft bricht, wenn unsere Sozialpolitik beschädigt wird, kippt unser Staatswesen. Meine Damen und Herren, vor dieser Gefahr stehen wir zurzeit durchaus; denn Politikverdrossenheit und sinkende Wahlbeteiligung sind doch ein Beweis für eine nicht gesunde Gesellschaft.
Die Skandale der beiden großen Parteien werden langfristig noch zerstörerische Wirkung haben. Deshalb muss alles, was Sozialpolitik beeinflusst, in einer Debatte zur Sozialpolitik diskutiert werden. Und alles, was die Solidargemeinschaft stört oder zerstört, ist zu beobachten und zu prüfen, und es müssen notfalls Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Vielleicht sollten wir auch unser eigenes Verhalten kritisch beobachten.
In den Beratungen dieses Haushalts hat sich meine Fraktion sehr bemüht, sämtliche Anträge in den einzelnen Ausschusssitzungen nach Inhalt zu bewerten, und hat ihnen dann aufgrund dieser Bewertung zugestimmt oder sie abgelehnt. Wir konnten feststellen, dass wir in diesem Abstimmungsverhalten allein sind; denn vier Fraktionen dieses Hauses stimmen grundsätzlich nicht nach Inhalt ab, sondern nach Antragsteller. Meine Damen und Herren, es ist zu fragen, ob dieses Verhalten nicht auch zu Politikverdrossenheit und zu Unmut beim Bürger führt.
Wir haben zum Sozialhaushalt Anträge eingebracht, auch mit dem Ziel der Beendigung einer Benachteiligung der Deutschen.
Nicht „Jesses“, Frau Kollegin Thon. Es sind Anträge, in denen der Abbau von Vorrechten bestimmter Bevölkerungsgruppen beantragt wird.
Es sind verfassungskonforme Forderungen. Sie können das nachlesen. Ich nenne als Beispiel die Anträge 09/15, 09/17 und 09/21. Diese Anträge auf der Grundlage unseres Grundgesetzes hat der Sprecher der SPD als Angriff auf die Menschenwürde bezeichnet.
Sind Sie sich eigentlich darüber klar, was Sie da gemacht haben? Die Würde, zum Beispiel von Personen, die illegal in unser Land einreisen und unseren Sozialstaat ausnützen, ist Ihnen wichtig. Sogar die Würde von Menschen, die mit Drogen handeln, ist Ihnen wichtig. Aber die Menschenwürde für die Wähler unserer Partei, für die Wähler der Repub
likaner, und die Menschenwürde für uns selbst sprechen Sie uns mit diesen Aussagen ab. Jetzt muss ich fragen: Betrachten Sie Republikaner nicht als Menschen? Oder wie ist das zu bewerten, Herr Kollege?
Gestern und heute haben die Medien den Fall eines Polizeikommissars diskutiert, dem der VGH Baden-Württemberg die Beförderung verweigerte, einem Kommissar, der jahrelang nur beste Beurteilungen hatte.
Das ist Sozialpolitik. – Der einzige Grund für die Verweigerung der Beförderung ist die Tatsache, dass er Mitglied bei den Republikanern ist. Ist die Würde dieses Menschen antastbar, oder selektieren Sie?
Einem Mitarbeiter unserer Fraktion, Herrn Dr. Linder, einem genialen Kopf, einem Menschen, der sich immer korrekt und gesetzestreu verhalten hat, haben vier Fraktionen dieses Hauses jahrelang die Beförderung verweigert. Als ich fragte, warum, wurde mir gesagt: „Es gibt keine Vorwürfe gegen Dr. Linder; er hat sich ordentlich verhalten. Aber der Verfassungsschutz beobachtet Ihre Partei, und deshalb hat er keine Beförderung verdient.“ Hat dieser Mensch keine Menschenwürde gehabt? Ich würde Sie bitten, Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie dieses Wort verwenden, sorgfältig zu überlegen, in welchem Zusammenhang Sie es tun. Eine derartige Zensur widerspricht jeder demokratischen Kultur.
Ein anderes Beispiel, das in diese Richtung geht – auch das betrachte ich als zur Sozialpolitik gehörend – und das das Vertrauen in demokratische und in europäische Institutionen schwächen und die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union verringern wird, ist das Verhalten von 14 europäischen Regierungschefs gegenüber einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft. Eine unverhüllte Drohung, politische Sanktionen durchzuführen und diplomatische Beziehungen abzubrechen, ist neu in dieser Europäischen Union.
Man sollte sich vor Augen halten, wie diese Entscheidung gefällt wurde: Innerhalb von wahrscheinlich nur 48 Stunden wurden 14 Regierungschefs auf eine einheitliche Entscheidung eingeschworen, ohne dass die EU-Kommission überhaupt benachrichtigt wurde. Diese Blitzentscheidung der 14 Regierungschefs zeigt: Hier müssen Verflechtungen und Beziehungen mit viel schlimmeren Verwicklungen als bei der Geldaffäre der CDU bestehen. Wie sonst wäre eine Blitzeinigung möglich, wenn Entscheidungen sonst Monate, wenn nicht Jahre dauern?
Bis heute fehlt eine Kritik der Landesregierung an diesem Vorgang. Wenn ich das betrachte, dann frage ich mich: Wie glaubwürdig kann dann die gestrige Erklärung von Herrn Minister Goll sein, dass jede politische Einflussnahme auf Beamte oder Richter ausgeschlossen ist, wenn ein ganzes Land unverantwortlich und rechtswidrig unter politischen Druck gesetzt wird?
Durchbrechen Sie doch bitte die internen Fraktionszwänge. Beugen Sie sich nicht dem Fraktionszwang. Denn die Abstimmungen der letzten Tage und Wochen zeigen, dass es diesen Fraktionszwang gibt.
Wenn wir Abgeordneten uns solchem Zwang beugen, können wir von unseren Bürgern nicht erwarten, dass sie aufrecht gehen, dass sie mündige Bürger werden und dass sie sich wirklich für die Solidargemeinschaft politisch einsetzen.
(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Und zum Haushalt reden Sie nicht? – Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen: Im deutschen Aufsatz wäre das: Thema verfehlt!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich unserem Kollegen Alfred Haas sehr herzlich zu seiner großen Ehrung gratulieren, natürlich auch unserem Kollegen Scheuermann. Ich hätte auch gerne den anderen Kollegen gratuliert, aber sie sind nicht mehr im Saal. Herzlichen Glückwunsch!
Nun ist es meine Aufgabe, einige Punkte zum Thema Arbeitsmarkt anzusprechen. Wir dürfen uns in Baden-Württemberg alle freuen, dass aufgrund einer guten Exportnachfrage – leider nicht aufgrund der Binnennachfrage – der Arbeitsmarkt bei uns hervorragende Zahlen aufweist. Verglichen mit dem Bundesdurchschnitt liegt unsere Arbeitslosenquote bei 6,5 %, die des Bundes bei 10,5 %. Es wurde schon gesagt: Bei den Jugendlichen liegt sie bei 5,5 %. Das ist eine erfreuliche Sache. Als Wirtschaftler sage ich auch sehr deutlich: Wir haben 430 000 offene Stellen, die dringend besetzt werden müssen.
Nun möchte ich mit allem Nachdruck und mit großer Sorge sechs Punkte anschneiden, die mir wichtig sind und von denen ich meine, dass wir darüber einmal nachdenken müssen.